Berlin. Auf fünf Straßen in Berlin hat die Senatsverkehrsverwaltung 2018 für ein Jahr Zonen mit Tempo 30 eingeführt - auch an der Kantstraße.

  • Tempolimits sollen die Schadstoffe in der Berliner Luft reduzieren.
  • Auf fünf Straßen gilt deshalb Tempo 30: Leipziger Straße, Potsdamer Straße, Hauptstraße, Tempelhofer Damm, Kantstraße.
  • An der Leipziger Straße ging dank Tempolimits der Schadstoff-Ausstoß nur geringfügig zurück.

Seit November 2018 stehen die Tempo-30-Schilder auf der Kantstraße. Neben Leipziger Straße, Potsdamer Straße, Hauptstraße und dem Tempelhofer Damm war der 1,7 Kilometer lange Abschnitt zwischen Savigny- und Amtsgerichtsplatz die fünfte und letzte Pilotstrecke. Auch auf der viel befahrenen City-West-Magistrale sollten Daten zu Luftgüte, Wetter und Verkehr und die Auswirkung einer Geschwindigkeitsbeschränkung unter anderem auf den Ausstoß von Stickoxiden (NO2) ermittelt werden.

Pilotprojekt sollte eigentlich nur ein Jahr lang laufen

Nach mehr als einem Jahr stehen die Schilder immer noch, auch wenn sie von den meisten Verkehrsteilnehmern inzwischen geflissentlich ignoriert werden. Kaum ein Autofahrer drosselt die Geschwindigkeit bei der Einfahrt in die geschwindigkeitsreduzierte Zone am Savignyplatz in der City West. Auch am Amtsgerichtsplatz scheinen die Schilder nicht tief ins Bewusstsein zu dringen. „Am Anfang gab’s hier noch Kontrollen, jetzt wird hier nur langsamer gefahren, wenn es einen Stau gibt, weil so viele in zweiter Reihe parken. Da schaut ja auch keiner drauf“, sagt ein Anwohner der Kantstraße.

Was der Versuch letztlich gebracht hat, ist noch unbekannt. „Wir warten noch auf die Ergebnisse“, sagt der für Verkehrsbelange zuständige Stadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf, Oliver Schruoffen­eger (Grüne).

Warten müssen wird er auch noch eine Weile, denn die Ergebnisse der Messungen auf der Kantstraße werden jetzt erst in der Senatsverkehrsverwaltung ausgewertet: „Der Tempo-30-Versuch auf der Kantstraße ist am 5. November 2018 als letzter der insgesamt fünf Teststrecken begonnen worden. Es muss ein Jahr gemessen werden, um eine abgesicherte Bewertung der Wirkung von Tempo 30 auf die Luftqualität vornehmen zu können“, sagt die Sprecherin der Senatsverkehrsverwaltung, Dorothee Winden. Voraussichtlich Ende März würden die Ergebnisse veröffentlicht.

Ob er heute noch eine Gedenktafel bekäme? Rudolf Diesel, der Erfinder des gleichnamigen Motors hat an der Kantstraße 159 gelebt
Ob er heute noch eine Gedenktafel bekäme? Rudolf Diesel, der Erfinder des gleichnamigen Motors hat an der Kantstraße 159 gelebt © Carolin Brühl

Für die restlichen Pilotstrecken liegen bislang nur für die Leipziger Straße in Mitte, wo der Test bereits im 9. April 2018 begonnen hat, Ergebnisse einer internen Auswertung vor. Bereinigt um meteorologische Einflüsse und den Rückgang der Immissionswerte insgesamt lautet das Fazit: Tempo-30-Zonen auf Hauptverkehrsstraßen können zur Reduzierung von Stickstoffdioxid beitragen – allerdings in eher überschaubarem Umfang.

Der Auswertung zufolge ging die NO2-Belastung auf dem Abschnitt zwischen Markgrafenstraße und Potsdamer Platz zwischen April 2018 und April 2019 durch das Tempolimit um 2,3 Mikrogramm je Kubikmeter im Jahresmittel zurück. Das entspricht einem Minus von vier Prozent. Im Winter betrug der Rückgang fast fünf Mikrogramm, heißt es im Papier der Senatsverkehrsverwaltung weiter.

Verkehrsbehörde wertet Tempo 30 als Erfolg

Die Behörde wertet das Ergebnis als Erfolg des Tempolimits. „Gerade an einer hochbelasteten Straße wie der Leipziger Straße ist eine Senkung um 2,3 Mikrogramm im Jahresmittel und bis zu fünf Mikrogramm in den Wintermonaten positiv zu bewerten“, sagt Sprecherin Winden. Im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen des Berliner Luftreinhalteplans wie Dieselfahrverboten, mehr Parkraumbewirtschaftung oder der Nachrüstung schmutziger Fahrzeuge könne das den Ausschlag für eine nachhaltige Senkung der NO2-Werte unter den Grenzwert geben.

„Auch auf der Leipziger Straße zeigt sich: Die Anordnung von Tempo 30 führt zu weniger Beschleunigungsvorgängen und damit zu besserer Luft. Gerade auf hochbelasteten Straßen ist jede Reduzierung der Stickoxid-Belastung wichtig und willkommen. Wir sehen unseren Maßnahmenkatalog zur Luftreinhaltung daher voll bestätigt“, sagt auch Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne). Die Tempo-30-Zone an der Leipziger Straße soll deshalb erhalten bleiben.

Skeptisch zeigt man sich indes beim ADAC: „Grundsätzlich ist es ja positiv, wenn überhaupt Werte sinken, auch, wenn es nur minimal ist“, sagt Sprecherin Sandra Hass. Das bedeute, dass es keine Verschärfung weiterer Maßnahmen wie Fahrverbote brauche. „Die Frage ist aber, ob es überhaupt am Tempolimit liegt, dass sich an der Leipziger Straße etwas minimal verbessert hat.“

ADAC moniert mangelnde Überwachung des Tempolimits

Schon vor der Geschwindigkeitsbegrenzung sei man auf der Leipziger Straße kaum schneller als 30 Stundenkilometer vorangekommen. „Die Auswertung der Ergebnisse ist schwierig, wenn keine ständige Überwachung stattfindet, ob sich tatsächlich jeder an das Tempolimit hält, wie es sich ja an der Kantstraße zeigt“, so Hass.

Wie es an der Kantstraße weitergeht, und ob dort die Tempo-30-Zone bleibt, sollen Winden zufolge die Auswertungen zeigen. Felix Recke, der verkehrspolitische Sprecher der FDP in der Bezirksverordnetenversammlung, sieht die Lösung dort nicht in einer Temporeduzierung. „Der fehlende Fahrradstreifen, die fehlende Busspur und das Parken in zweiter Reihe müssen endlich im Rahmen einer Umgestaltung der Straße angegangen werden. Für einen Verkehrsfluss, der Emissionen reduziert, muss es weiterhin Achsen geben, die ein flüssiges Vorankommen ermöglichen“, sagt er.