Personalmangel

"Wenn das nicht aufhört, können wir die Bezirke zumachen"

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Philipp Siebert

...warnt Charlottenburg-Wilmersdorfs Baustadtrat Oliver Schruoffeneger. Überall fehle Personal. Und neues sei kaum zu kriegen.

Charlottenburg-Wilmersdorf. Schlaglöcher auf den Straßen, kaputte Gehwege, Wurzeln, die den Radweg aufbrechen. Der Zahn der Zeit nagt an der Verkehrsinfrastruktur – auch in Charlottenburg-Wilmersdorf. „Das Geld ist nicht das Problem“, sagte Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) auf der jüngsten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Etwas mehr als sechs Millionen Euro stünden dem Bezirk im laufenden Jahr für die Sanierung zur Verfügung – drei Millionen aus eigenen Haushaltsmitteln, weitere drei aus Sonderprogrammen vorwiegend des Landes Berlin. Warum er von letzteren 1,3 Millionen Euro verfallen habe lassen, wollte die CDU-Fraktion wissen. In seiner Antwort zeichnete der Stadtrat ein düsteres Bild der Personalsituation nicht nur in seiner Abteilung.

Nur noch zwei von acht Tiefbauingenieuren kommen zur Arbeit

So kämen seit Anfang des Jahres nur zwei der derzeit acht Tiefbauingenieure des Bezirks tatsächlich zur Arbeit. Die übrigen seien in Elternzeit, dauerhaft erkrankt oder altersbedingt nicht mehr arbeitsfähig. Da die Zahl der Vorgänge für die verbliebenen Mitarbeiter steige, müsse man Entscheidungen treffen – in diesem Fall bestimmte Dinge nicht anzugehen und dadurch Mittel verfallen zu lassen. „Die Alternative wäre, dass die Berge auf den Schreibtischen wachsen bis der nächste in die Krankheit geht.“ Ähnlich sei die Situation auch in den anderen ihm unterstellten Fachbereichen wie Hochbau, Denkmalschutz und Grünflächen.

„Das kommt eben davon, wenn man Quietschen für sexy hält“

Die Stellen im Tiefbauamt seien besetzt. Zum Anfang des Jahres seien sogar zwei weitere hinzu gekommen. „Es ist ein Problem der Struktur der Beschäftigung, dass von acht nur zwei Leute anwesend sind“, so Schruoffeneger. Es sei zum einen eine klassische Folge von massiver Arbeitsüberlastung und zehn Jahren ohne Neueinstellung. Allein vier der acht Ingenieure würden im kommenden Jahr in Pension gehen. „Das kommt eben davon, wenn man Quietschen für sexy hält.“

Aber auch als Vertretung habe sich niemand beworben. „Wenn Sie einfach nur für zwölf Monate ausschreiben, haben Sie bei der jetzigen Marktsituation keine Chance.“ Ein großer Schritt sei daher die Zusage von Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), dass der Bezirk zumindest eine Vertretungsstelle jetzt unbefristet ausschreiben dürfe.

Schruoffeneger dämpfte die Hoffnungen der Bezirksverordneten, dass sich die Situation durch die vier freiwerdenden Stellen im Tiefbauamt schlagartig bessere. Fachkräfte seien nicht mehr zu kriegen – nicht nur in Berlin, sondern bundesweit. Zwar könne man für ein attraktiveres Arbeitsumfeld sorgen. Die beiden großen Dienstgebäude des Bezirks sollen ab dem kommenden Jahr saniert werden. Auch die Büros sollte man seiner Meinung nach moderner ausstatten. Nur kleine Schritte – die Hauptprobleme lägen außerhalb der Bezirkszuständigkeit.

Vorwurf: Senat lässt die Bezirke ausbluten

So verlangt etwa die Ausschreibung der Neugestaltung einer Grünfläche laut Schruoffeneger ein 400-seitiges Leistungsverzeichnis. Bürokratie gelte es deutlich zu entschlacken, um handlungsfähig zu bleiben. Das Wesentlichste sei aber die unterschiedliche Bezahlung für gleiche Arbeit. So sei einer der in diesem Jahr neu eingestellten Tiefbauingenieure des Bezirks am Tag vor Dienstantritt zur Senatsverkehrsverwaltung gewechselt – zwei Entgeltgruppen höher. Ein Nachfolger sei zwar gefunden. Nun hieße es hoffen, dass der auch kommt, so der Stadtrat. Der Senat versuche derzeit drei seiner Leitungskräfte aktiv in besser bezahlte Jobs abzuwerben. „Wenn dieses Spiel im Land Berlin nicht aufhört, können wir die Bezirke allesamt in drei Jahren zumachen.“ Denn sie würden dadurch schlichtweg ausbluten.