Engagement

Dieser Nachwuchspolitiker will ins Abgeordnetenhaus

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Carolin Brühl
Fast schon zu Hause im Rathaus Charlottenburg: der 16 Jahre alte Jung-Politiker Miguel Góngora.

Fast schon zu Hause im Rathaus Charlottenburg: der 16 Jahre alte Jung-Politiker Miguel Góngora.

Foto: Carolin Brühl

Miguel Góngora ist der Chef des Kinder- und Jugendparlaments. Er hat die Handynummer des Bürgermeisters - und noch viel vor.

Charlottenburg-Wilmersdorf.  Miguel Góngora ist selbstbewusst, so selbstbewusst, dass er Dinge sagt wie: „Alles, was ich bisher auf den Weg gebracht habe, habe ich auch durchgesetzt.“ Dabei lächelt er nicht. Witzigkeit ist nicht sein Ding, ruhige Ernsthaftigkeit schon eher. Von ungefähr kommt das nicht. Obwohl er erst 16 Jahre alt ist, hat er schon fünf Jahre Politikerfahrung und ganz wie die Großen durchaus einige Machtkämpfe um Ämter hinter sich. Miguel Góngora ist Vorsitzender des Kinder- und Jugendparlaments (KJP) in Charlottenburg-Wilmersdorf, gerade erst wieder frisch im Amt bestätigt, und das schon zum dritten Mal. „Wir können doch Du sagen, oder?“, fragt er bei einem ersten Treffen. Und man kann kaum anders als „Ja“ sagen.

Im KJP geht es um Kinder- und Jugendbeteiligung im Bezirk. Neben Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es in Berlin nur noch in Tempelhof-Schöneberg eine solche Möglichkeit für Kinder, sich zu beteiligen. Auch so ein Punkt, den Góngora ganz oben auf seiner Agenda hat. Er möchte, dass mindestens jeder Bezirk ein KJP einrichtet und an den Grenzen Berlins soll damit auch keineswegs Schluss sein. Der 16-Jährige denkt groß und will derlei Institutionen bundesweit eingerichtet wissen.

Abgesandte aus Schulen und Freizeiteinrichtungen

Fünf Mal im Wahljahr werden Plenarsitzungen des KJP einberufen, zu der die Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen des Bezirks Abgesandte schicken, um einen acht Mitglieder starken Vorstand zu wählen, Wünsche zu formulieren, über ihre Probleme zu reden oder Ideen zu sammeln. Auch Miguel hat als Abgesandter seiner Schule, dem Hildegard-Wegscheider-Gymnasium in Grunewald, seinen Weg in die Politik begonnen: „Als unsere Klassenlehrerin fragte, wollte erst keiner mitmachen. Als es dann hieß, dass es dafür schulfrei gibt, habe ich mich gemeldet“, erklärt er seine Motivation als damals Elfjähriger. Ganz kurz huscht dann doch ein Lächeln über sein Gesicht.

Das Fernbleibendürfen vom Unterricht bestimmt heute nicht mehr seine Motivation. Miguel hat schnell gelernt. Er stellt sich heute nicht nur unerschrocken vor das rund 130-köpfige Plenum des KJP, redet frei mit nur wenigen Notizen in der Hand, sondern vertritt auch in den Ausschüssen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) das, was die Kinder und Jugendliche erarbeitet haben. „Im Plenum und in verschiedenen Arbeitsgruppen können die Kinder und Jugendlichen ihre Wünsche äußern, wie: „Wir wollen, dass unser Schulhof oder Spielplatz saniert wird“. Oder: „Wir wollen eine Fahrt zu einem anderen Kinder- und Jugendparlament machen, um uns auszutauschen“, sagt Miguel.

Für die Jugendlichen gehe es grundsätzlich auch erst einmal darum, dass ihre Meinung akzeptiert wird und sie nicht nur dann beteiligt würden, wenn es passe, sagt Miguel. „Die wirklichen Experten in ihren ureigenen Angelegenheiten sind die Jugendlichen selber.“ Es sei allerdings nötig, sie dabei zu unterstützen. Dafür benötige man ausreichende Ressourcen. Das KJP in Charlottenburg-Wilmersdorf hat ein Büro im Rathaus. Das Bezirksamt stellt auch einen Mitarbeiter, der die Jugendlichen bei ihrer Organisation unterstützt.

Häufiger als Plenarsitzungen tagen Arbeitsgruppen zur Umsetzung konkreter Vorhaben. Neben seiner Arbeit als Vorsitzender des KJP leitet Miguel zusätzlich die Arbeitsgruppe „Ein Parlament für Dich“, deren Ziel ihm besonders wichtig ist: die Einsetzung weiterer Kinder- und Jugendparlamente in den Berliner Bezirken. Er habe einen guten Draht nach Pankow aufgebaut. „Und ich arbeite da gerade auch mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres und vor allem mit ihrer Staatssekretärin Sigrid Klebba zusammen, um die anderen Bezirksämter zu überzeugen, zu einer Informationsveranstaltung zu kommen, auf der wir weitere Kinder- und Jugendparlamente als Beteiligungsformen anregen können.“

Góngora will ins Abgeordnetenhaus

Miguel Góngora hat keinerlei Berührungsängste vor „großen Tieren“. Er ist vertraut mit vielen Politikern in der Stadt. Von Jugendstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) spricht er als „Heike“ und die Bezirksverordnetenvorsteherin ist für ihn „Annegret“ (Hansen). Dass er natürlich auch die Handynummer von Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (ebenfalls SPD) gebunkert hat, überrascht da nicht weiter. „Wenn Heike etwas braucht, dann helfe ich ihr, und wenn ich etwas brauche, dann hilft mir Heike“, sagt er. Nach fünf Jahren laufe bei ihm viel „über den kleinen Dienstweg“.

Seine Ideen zur Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen vertritt Miguel aber durchaus auch außerhalb des Bezirks auf Tagungen unter der Schirmherrschaft von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) oder in Workshops auf Bundesländerebene. „Es haben sich schon einige Parteien bereit erklärt, unsere Vorschläge in den Bundestag einzubringen“, sagt Góngora.

Vorrangig erarbeitet werden aber ganz konkrete Vorschläge an die Politik im Bezirk „Wir haben AGs zu den Themen Umwelt, Europa, Flüchtlinge, Öffentlichkeitsarbeit oder zum ,Oli’.“ Vor allem letztere beschäftigt sich explizit mit einem bezirkspolitischen Dauerbrenner, nämlich der Umgestaltung des Olivaer Platzes in Wilmersdorf, bei dessen Aufenthaltsqualität auch die Jugendlichen ein Wörtchen mitreden wollen. Durchgesetzt hat das KJP unter Góngoras Leitung etwa die Sanierung des Skaterparks am Heidelberger Platz. Die AG Europa bereitet eine Reise in die Charlottenburg-Wilmersdorfer Partnerstadt Meseritz in Polen vor. „Es gibt dort auch ein Kinder- und Jugendparlament, mit dem wir gute Kontakte pflegen“, sagt Miguel.

Erfolgreich war auch die Forderung nach einem weiteren Jugendfreizeitheim in Westend. Das alte Revierarbeiterhaus am Ruhwaldpark wurde für die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen umgebaut. „Und wir haben ein Plakat entworfen und an den Schulen aufgehängt. Es zeigt den Weg der Flüchtlinge nach Deutschland und klärt über die Situation auf.“ Mit den jungen Geflüchteten habe man sich darauf im Kletterpark getroffen und Pizza gegessen.

Neuerdings ist er auch Parteimitglied

Man spürt seinen Tatendrang. Die Welt des Jugendparlaments wird Miguel Góngora langsam zu klein. Er will auch künftig politisch arbeiten, sagt er. „Mir macht es einfach Spaß zu sehen, ich habe das und das gemacht.“ Dafür hat er durchaus auch Vorbilder aus eigenen Reihen. Sein Vorgänger im Amt, Niklas Schenker, ist heute Fraktionsvorsitzender der Linken in der BVV, und auch FDP-Fraktionschef Felix Recke hat seine ersten Erfahrungen im Kinder- und Jugendparlament des Bezirks gemacht.

Fragt man Miguel nach seinen Plänen, räumt er ein, dass er neuerdings Mitglied einer Partei ist. In welcher, will er nicht verraten. „Ich habe aber großes Interesse daran, in der nächsten Wahlperiode für das Abgeordnetenhaus zu kandidieren.“

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