Berlin. In einem Weddinger Hinterhof erhalten Kinder kostenlos Sprachunterricht und Nachhilfe. Jetzt drohen dem Projekt SprInt Kürzungen.

Der Soldiner Kiez in Wedding hat nicht gerade den besten Ruf. Die Gegend gilt als sozialer Brennpunkt mit sehr hohem Migrantenanteil, viele Familien leben von staatlichen Transferleistungen. „Dass die Kinder da nicht so ein Bildungsgerüst bekommen wie zum Beispiel in einer Zehlendorfer Familie ist doch klar“, sagt Herbert Weber, Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft Sprint.

Um Kinder, die zu Hause und in der Schule nicht die nötige Unterstützung bekommen, zu fördern, hat er im Jahr 2005 das Projekt „Sprint“ an der Prinzenallee gegründet. Zwei große Räume in einem alten Backsteinbau im dritten Hinterhof stehen jeden Nachmittag ab 15 Uhr allen Kindern offen, die lernwillig und motiviert sind. „Wir zwingen hier keinen. Alle sind freiwillig da, weil sie in der Schule mitkommen wollen“, sagt Weber.

Herbert Weber (l.) erklärt Hussein, was ein Adverb ist. Der Elfjährige lernt mit Begeisterung beim Projekt SprInt.
Herbert Weber (l.) erklärt Hussein, was ein Adverb ist. Der Elfjährige lernt mit Begeisterung beim Projekt SprInt. © Petra Götze

Gelernt wird mit Studenten und Ehrenamtlichen, die sich mit einem oder zwei Kindern zusammensetzen, die Aufgaben durchgehen oder Lesen und Schreiben auf Deutsch üben. Die zwölfjährige Jana und ihr elfjähriger Bruder Akram kommen regelmäßig nach der Schule.

Stundenten lernen mit den Kindern vor allem Deutsch

An diesem Nachmittag üben sie mit dem 25 Jahre alten Studenten Enes, einem angehenden Lehrer, Deutsch und Mathematik. Ihr Vater Mohamed El Sayed steckt eine kleine Spende in die Büchse am Tresen, denn der Unterricht ist für die Kinder und Jugendlichen kostenlos. „Ich will, das meine Kinder gut lernen, damit sie einen guten Beruf bekommen“, sagt ihr Vater, der vor einigen Jahren aus Ägypten nach Berlin gekommen ist, und als Koch arbeitet.

Am Nebentisch sitzt die 17-jährige Melissa und bereitet sich auf das Abitur vor. „Ich übe Texte schreiben und Nuur hilft mir dabei“ sagt sie. Die beiden jungen Frauen tragen Kopftücher und lange Gewänder wie fast alle Mädchen an diesem Nachmittag. „Die Familien hier sind sehr religiös, das ist schon eine Parallelwelt“, sagt Weber. Manche der Mädchen trügen das Kopftuch aus tiefer religiöser Überzeugung, andere, damit sie ihre Ruhe in der Familie hätten.

Herbert Weber ist selbst Lehrer gewesen, hat in Amerika Deutsch und Politik unterrichtet und kam vor 20 Jahren nach Berlin an eine Grundschule in Schöneberg. „Da hat der türkischstämmige Lehrer nachmittags Deutschunterricht organisiert, weil er gemerkt hat, welche Lücken es gibt“, erzählt Herbert Weber.

Corona hat das Bildungsniveau weiter verschlechtert

Schon damals habe sich abgezeichnet, welche Probleme durch die mangelnde Sprachförderung entstehen. „,Sprint’ steht für Sprache und Integration. Man könnte aber auch sagen, die Kinder müssen im Sprint die Bildungsrückstände aufholen“, so Weber. Der mangelnde deutsche Wortschatz und das Bildungsniveau seien erschreckend. „Seit Corona ist alles noch schlimmer geworden. Manche Kinder saßen zwei Jahre lang zu Hause, wo kein Deutsch gesprochen wird“, sagt er.

Bei einfachen Mathematikaufgaben würden sie dann scheitern, weil sie einfache Begriffe wie „Lkw“ oder „Ladung“ nicht kennen. „Auch den Ritter aus dem Mittelalter kennt hier keiner, weil solche Geschichten nicht gelesen werden“, sagt Weber. Bis zu 50 Schülerinnen und Schüler kommen zum Lernen zu Sprint, drei Teilzeitkräfte organisieren mit etwa 50 Studenten, die auf Honorarbasis arbeiten, und Ehrenamtlichen die jeweils drei Stunden Unterricht am Nachmittag. Die Kinder müssen nichts bezahlen, die Räume werden von der Degewo mietfrei zur Verfügung gestellt.

Projekt hofft auf weitere Unterstützung des Senats

Das Bildungsprojekt wird vom Berliner Senat bisher mit 210.000 Euro im Jahr gefördert. Diese Mittel sollen allerdings gekürzt werden. „Ich hoffe nur, dass da das letzte Wort noch nicht gesprochen ist“, sagt Weber. Um das Angebot aufrechtzuerhalten, müssen dazu noch Spenden eingeworben werden. „Die Kinder, die zu uns kommen, sind toll. Sie wollen lernen und Erfolg haben. In ihnen steckt großes Potenzial für unsere Gesellschaft“, sagt Herbert Weber.

Spenden für die Sprach- und Bildungsförderung

„Zu uns kommen die Motivierten und Lernwilligen, in ihnen steckt großes Potenzial“, sagt Herbert Weber vom Projekt Sprint. Neben der Hausaufgabenhilfe gibt es ein Patenprojekt an sieben Schulen in der Nachbarschaft, bei dem ehrenamtliche Paten einem Kind ein Jahr lang einmal in der Woche beim Lernen helfen und mit Ausflügen den Horizont erweitern. Das Bildungsprojekt erhält eine Förderung vom Berliner Senat, ist aber auch auf Spenden angewiesen. „Wir freuen uns auch über Ehrenamtliche“, sagt Herbert Weber. Tel. 030 49 76 84 60, E-Mail: