Berlin. „Wir legen beide Zeigefinger auf die Ohren. Mit den Ohren….“, sagt Angelika Horn und schaut hoffnungsvoll in zwölf Augenpaare. „Hören wir“, kommt es wie im Chor wieder zurück. Dabei setzt die Gruppe das um, was die Lehrerin sagt und legt die Finger auf die Ohren.
Ihre Lehrmethode ist ungewöhnlich
Auf den ersten Blick hat Angelika Horn eine ungewöhnliche Methode die deutsche Sprache zu vermitteln. Aber genau mit dieser hat die ehemalige Lehrerin sicht- und hörbaren Erfolg. Die aus der Ukraine geflüchteten Mütter und Kinder kommen nämlich sehr gerne für die eine Stunde Deutschunterricht in die Jugendherberge Ernst-Reuter in Hermsdorf.
Vokablen lernen mit Seife auf dem Kopf
Anstatt eines Frontalunterrichts wie in einigen Schulen, steht bei Angelika Horn alles im Zeichen der Praxis. „Mir ist es wichtig den Unterricht bunt und abwechslungsreich zu gestalten“, sagt sie. Dass sie das schafft, sieht man in den strahlenden Gesichtern, es wird oft gelacht. „Das ist auch gut so. Alle haben genug Schlimmes erlebt“, sagt Angelika Horn, greift nach einem Stück Seife und legt es sich auf den Kopf – „Wo ist die Seife?“ Ein kurzer Moment des Schweigens, dann rufen die Schülerinnen und Schüler: „Die Seife liegt auf dem Kopf“. Aber nicht lange. Mit einem dumpfen Knall plumpst das Stück auf den Boden – und amüsiert alle Anwesenden.
Deutschunterricht fing in ihrem Garten an
Dreimal die Woche lehrt sie Vokalen, Grammatik und die Zeitenformen, betreut einen Anfänger- und einen Fortgeschrittenenkurs. Bis dahin sind nur wenige Wochen vergangen. „Es war ein Freitag“, erinnert sich Angelika Horn. „Eine Nachbarin hat eine ukrainische Mutter mit ihrem Kind aufgenommen.“ Sie wollte auch helfen, konnte aber niemanden beherbergen. Also hat die ehemalige Lehrerin für Englisch und Geschichte kurzerhand den Entschluss gefasst, die deutsche Sprache beizubringen. „Ich weiß ja, wie man unterrichtet.“ Und auch, wie man einen etwas drögen Stoff schön verpacken kann, Angelika Horn ist nämlich als Märchenerzählerin an Schulen unterwegs und sorgt so dafür, dass das Kopfkino bei den Kindern wieder eingeschaltet und das Handy für einen Moment uninteressant wird.
Nach ein paar Telefonaten saßen nur einen Tag später die ersten Ukrainerinnen samt Kindern in ihrem Garten. Die anfänglichen Hemmungen seien schnell verflogen gewesen, sagt Angelika Horn, schließlich wisse sie, wie man jemanden zum Lachen bringe. Ihre herzliche Art steckt an. Die Geflüchteten haben nicht nur Vertrauen gefasst, zur Begrüßung wird sie auch von einigen umarmt. Das passiert nun aber nicht mehr in ihrem Garten, sondern in einem Raum der Jugendherberge Ernst-Reuter am Hermsdorfer Damm 48.
Was sie unterrichten wird, war der 70-Jährigen schnell klar. „Zahlen, Körperteile, Wetter, Wochentage“, zählt sie kurz und knapp auf, verbunden mit Alltagsgeschichten. „Die meisten leben bei Familien. Da ist es gut, Möbel und Essen benennen zu können. Auch zum Arzt müssen einige“, weiß Angelika Horn, „sie müssen ja sagen können, was sie haben.“ Und so lautet dann eine der vielen Geschichten: Wie geht es dir? Mir geht es nicht gut. Oh, warum? Ich habe Bauchschmerzen. Was hast du gegessen und getrunken? Ich habe am Freitag Gurken gegessen und Milch getrunken.
Ukrainer lernen fleißig Zuhause
Gerade einmal sieben Stunden hatten die meisten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bislang, können die Texte aber bereits flüssig lesen, verstehen nahezu alle Vokabeln. Sie lernen alle fleißig zu Hause, alle Geschichten und Vokabeln bekommen sie im DIN A5-Format, damit sie diese in ihr kleines Heft einkleben können. „Ich habe mich extra für diese Größe entschieden. Das Heft passt in jede Handtasche. So können sie auch unterwegs lernen oder Wörter nachschlagen, zum Beispiel, wenn sie beim Arzt sind“, sagt Angelika Horn.
Zum Schluss der Unterrichtsstunde wird gemeinsam eine Geschichte gelesen, dann liest jeder alleine für sich und anschließend wieder gemeinsam. „Wiederholungen sind wichtig. Nur so prägen sich die Begriffe ein“, sagt Angelika Horn. Und deshalb stehen wie zu Beginn der Stunde kurz vor der Verabschiedung alle auf und setzen die Worte der Lehrerin in die Tat um: „Wir legen beide Zeigefinger auf die Ohren, denn mit den Ohren...“, fragt die 70-Jährige, „hören wir“, kommt in Windeseile die Antwort. Lange überlegen müssen sie nicht, die Wiederholungen zahlen sich aus.
Es gibt noch einige freie Plätze. Wer selbst aus der Ukraine Geflüchtete bei sich aufgenommen hat, kann diese bei Angelika Horn anmelden. Das Unterrichtsmaterial bekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgedruckt während des Unterrichts. Montags (13 Uhr), donnerstags (13 Uhr) und sonnabends (10 Uhr) gibt es die bunte Deutschstunde. Bis zum 16. Mai stehen die Termine fest. Einfach eine Mail senden an: info@angelika-horn.de. Mehr Informationen gibt es auf www.angelika-horn.de.
Spenden für die Ukraine-Flüchtlinge
Berliner helfen e.V., der Verein der Berliner Morgenpost, hat 50.000 Euro Soforthilfe für die Versorgung und Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine schnell und unbürokratisch ausgezahlt. Weitere 36.000 Euro haben die Leserinnen und Leser der Berliner Morgenpost und Unternehmen wie die Spielbank Berlin und die Fortis Group gespendet. Mit den Spenden wurden unter anderem das Elisabethstift für die Aufnahme ukrainischer Waisenkinder, die Arche für das Schulprojekt „Classroom for Ukraine“, der Bund christlicher Pfadfinder für die Unterbringung von Flüchtlingen und Vereine wie „Moabit hilft“ und „Be an Angel“ unterstützt.
Wer für die Flüchtlingshilfe spenden möchte:
Berliner helfen e.V., „Ukraine Hilfe“,
IBAN: DE69 1002 0500 0003 3071 00
BIC: BFSWDE33BER