Der Zugriff am Dienstagmorgen bei Minh B. (35) in Lichtenberg, bei Ngoc P. (57) in Marzahn und bei Sina K. (26) in Karow erfolgte zeitgleich um 5.45 Uhr. Die zwei vietnamesischen Männer und die deutsche Frau sollen die Köpfe einer Schleuserbande sein, die Scheinehen zwischen Deutschen und Vietnamesen arrangiert hat. Am Dienstagmorgen klickten bei allen drei Tatverdächtigen die Handschellen.
Die Polizei hat in Berlin und Brandenburg eine groß angelegte Razzia gegen mehrere mutmaßliche Menschenschleuser durchgeführt. Der deutsch-vietnamesischen Bande, die aus mindestens zehn Menschen im Alter von 20 bis 67 Jahren bestehen soll, wird banden- und gewerbsmäßiges Einschleusen vorgeworfen. Sie sollen Scheinehen und fingierte Vaterschaftsanerkennungen arrangiert haben, um so Ausländern ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu verschaffen. Die Ermittler stellten Beweismittel, darunter zahlreiche Eheringe, Mobiltelefone und Ausweisdokumente, sicher. Zudem wurden mehr als 26.000 Euro Bargeld beschlagnahmt.
In einem Büro wurden die Scheinehen organisiert
Rund 200 Polizisten der Bundespolizei und der Berliner Landespolizei waren bei der Razzia im Einsatz. Insgesamt wurden 20 Wohnungen durchsucht. Zwei davon lagen in Brandenburg, in den Gemeinden Ahrensfelde und Panketal. Die restlichen Durchsuchungsobjekte lagen im Berliner Osten, in Lichtenberg, Pankow, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf. Außerdem gab es Durchsuchungen im Dong Xuan Center in Lichtenberg. Dort fanden die Beamten Gewerberäume vor, die wie ein Reisebüro ausgestattet waren. Es gibt Vermutungen, dass hier die Scheinehen arrangiert wurden. In einer Box fanden die Ermittler mehrere Eheringe, dazu umfangreiche Unterlagen, die allerdings noch ausgewertet werden müssen.
Die Ermittlungen der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Schleuser von Landeskriminalamt und Bundespolizei liefen seit März 2017. Die Ermittler waren über ein anderes Verfahren auf die Berliner Schleuser aufmerksam geworden. Der Bande wird in nachweislich 15 Fällen vorgeworfen, 15 Personen eingeschleust zu haben. Durch das Arrangieren von Scheinehen und die fingierten Vaterschaftsanerkennungen soll die Bande dafür gesorgt haben, dass Ausländer ohne entsprechenden Aufenthaltsstatus in Deutschland bleiben durften. Die Ermittler vermuten, dass die 15 nachgewiesenen Fälle, die jetzt zu den drei Haftbefehlen und 20 Durchsuchungen führten, nur die Spitze aller Fälle darstellen.
Die augenscheinlichen Paare sollen dazu nach Dänemark gebracht worden sein. „Dort wurden sie ganz normal getraut“, sagte ein Polizeisprecher. Anschließend kehrten die Menschen zurück nach Deutschland und gingen getrennte Wege. Den vietnamesischen Ehepartner kostete das Verfahren und damit das Aufenthaltsrecht in Deutschland fünfstellige Geldbeträge. Insgesamt hat die Bundespolizei Erkenntnisse über zehn erfolgte Scheinehen sowie fünf Scheinvaterschaften.
Schleusungen werden häufig über Dänemark arrangiert
Das Modell der Scheinehen ist für die Ermittlern nicht neu. Häufig werden diese in Dänemark arrangiert. Das ist dort relativ einfach. Um dieses Phänomen hat sich eine richtige Industrie entwickelt. Heiratswillige müssen sich lediglich 24 Stunden vor der Heirat im Land aufhalten. Behörden haben schon ganze Busreisen nach Dänemark registriert, an denen viele Heiratswillige teilnahmen. Im Internet kursieren Anleitungen für diese Art Hochzeiten.
Im vergangenen Jahr flog eine portugiesisch-nigerianische Bande auf, die ähnlich wie die deutsch-vietnamesische Gruppe agierte. Für einige Tage wurden laut Ermittlern Portugiesinnen nach Berlin geflogen. Gleichzeitig besorgte diese Bande gefälschte Eheurkunden aus Nigeria. Dann gingen der Nigerianer und die Portugiesin mit der Urkunde zur Berliner Ausländerbehörde, um sich eine Aufenthaltsbescheinigung für die EU ausstellen zu lassen. Die Portugiesinnen reisten schließlich wieder zurück in die Heimat. Um nicht aufzufliegen, wurden falsche Geschichten ausgedacht und bei den Behörden auf Nachfrage präsentiert. Auch diese Bande flog nur auf, weil die Polizei eigentlich in einer anderen Sache im Drogengeschäft ermittelte.
Durch umfangreiche Überwachungsmaßnahmen konnten die Geschäfte nachgewiesen werden. Ermittler vermuten hinter dem Asylbetrug ein Millionengeschäft.
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