Als die Kameras aus sind und die Presseleute auf dem Heimweg, da tänzelt Til Schweiger in einem Nebenraum plötzlich auf Sigmar Gabriel zu, haut ihm grinsend auf die Schulter und ruft: „Mensch Siggi, das war gut!“ Fast könnte er den Vizekanzler knuddeln, so glücklich ist Schweiger über dessen Unterstützung für seine neue Stiftung.
Es soll eine prominent besetzte, schlagkräftige, unbürokratische Hilfsorganisation werden, sagt Schweiger. Man wolle Geldspenden sammeln und Projekte fördern, die zum Engagement im lokalen Umfeld animieren sollen.
Als Erstes werde seine Stiftung in Osnabrück ein Gebäude für den Schul- und Sportunterricht von Flüchtlingen umbauen, kündigt Schweiger an. Und in Hamburg im Erstaufnahmelager Schnackenburgallee soll es bald WLAN für alle Flüchtlinge geben. Mit welchen Projekten es weitergehe, kann Schweiger noch nicht sagen, denn „das ist hier alles mit heißer Nadel gestrickt“, sagt er. Außerdem habe er „bis heute Nacht in Moskau Tatort gedreht“ und sei gerade „fix und fertig“.
Prominent und wahnsinnig busy
An medialem Interesse mangelt es nicht: Zur Vorstellung der „Til Schweiger Foundation“ im Palais der Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg herrscht ein Fotografenandrang, als ginge es um eine Filmpremiere. Auf dem Podium lächeln der Sänger Thomas D., Schauspieler Jan Josef Liefers und Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth sowie der ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber in die Kameras. Sie sitzen im Stiftungsbeirat, wie auch Bundestrainer Joachim Löw und Axel-Springer-Vorstand Mathias Döpfner. Die beiden Letztgenannten seien gerade „wahnsinnig busy und unterwegs auf der Welt“, erklärt Schweiger.
Dafür ist aber Sigmar Gabriel da und verleiht der Veranstaltung so etwas wie gouvernementale Anerkennung. „Man braucht sich keine Illusionen darüber zu machen, wie groß die Herausforderungen bei der Integration der Flüchtlinge sind“, gibt Gabriel zu bedenken. Die größte Gefahr sei, dass sich gegen die Flüchtlinge in der Bevölkerung eine Stimmung ausbreite mit dem Tenor „für die habt ihr alles, für mich nix“.
Deshalb brauche die Politik Prominente aus Kunst und Kultur, „die den Blick der Bevölkerung auf ein Thema verändern könnten“, sagt Gabriel. Personen, die mehr Menschen erreichen als Politiker. Deshalb sei Schweigers Engagement „eine Riesenhilfe für das Land und die Menschen“.
Süßmuth begeistert von Schweigers Tatkraft
Ein Lob, das Schweiger umgehend zurückgibt. „Früher habe ich ja immer gedacht, Politiker sind diejenigen, mit denen früher in der Schule niemand spielen wollte“, sagt der Schauspieler und blickt schmunzelnd zu Gabriel. Doch heute habe er viel mehr Respekt, vor allem für Gabriel. Denn „viele Leute dissen die Politiker und machen selber überhaupt nichts“, erklärt Schweiger.
„Wir müssen jetzt erst mal ganz viel Geld einsammeln“, umreißt Schweiger die nächsten Aufgaben der Stiftung. Er und Thomas D. hätten ja schon mal jeder 100.000 Euro „auf den Tisch gelegt“, der Jogi Löw auch noch mal 25.000, und Ex-Air-Berlin-Chef Joachim Hunold habe auf einer Party neulich spontan 60.000 in den Topf getan. So solle es jetzt möglichst weitergehen.
Schweiger habe kürzlich Peter Maffay gefragt: „Ich habe jetzt ’ne Stiftung, wie mach ich das?“ Und der habe ihm geraten, einfach die Großkonzerne abzuklappern. „Also geh ich jetzt zu Porsche, Audi, Mercedes“, ruft Schweiger. Dem Spendenvolumen für seine Stiftung seien keine Grenzen gesetzt, er sage dazu nur: „The sky is the limit!“
Sie sei ganz begeistert von Schweigers Tatkraft, warf Rita Süßmuth ein, von „der Art, wie er vorgeht“. Ständig werde behauptet, etwas gehe nicht, „aber er macht es“. Solche Tatkraft brauche es in Zeiten wie diesen. Neben der Bereitschaft zu unkonventionellen Lösungen brauche es aber auch Ordnung, mahnte Süßmuth. „Wir brauchen legale Zuwanderung“, appellierte sie, „es muss ein Gesetz entstehen.“
Liefers fordert Empathie für Flüchtlinge
Schauspieler Liefers forderte dagegen ein Höchstmaß an Empathie: Die Flüchtlinge sollten „mit der größten Zuneigung begrüßt werden, zu der wir fähig sind“, formulierte Liefers, der selbst Syrien besucht hat.
Schweiger wundere sich über die Häme in Deutschland, wenn jemand etwas Ungewöhnliches mache. „Das Schlechte suchen, das ist eine typisch deutsche Eigenart.“ Wenn zum Beispiel ein Schauspieler wie Liefers nach Syrien fahre, dann werde gleich kritisiert, „da macht ein Schauspieler auf Politiker“, wundert sich Schweiger. „Dabei braucht man richtig Eier, um da hinzufahren!“
Auch sein Kasernenprojekt in Osterode hat Schweiger offenbar noch nicht ganz aufgegeben, obwohl es zunächst geplatzt ist. „Dafür wurde ich ganz schön gegrillt“, sagt Schweiger. „Aber wenn das noch irgendwie geht, wird die Stiftung sich da voll miteinbringen.“
Mit großen Erwartungen gestartet
Schweiger hatte im August angekündigt, gemeinsam mit Freunden, dem Geschäftsmann Wolfgang Koch aus Stade und dem „Security-Spezialisten“ Jan Karras aus Hamburg, ein „Vorzeige-Flüchtlingsheim“ mit Freizeitangeboten für Kinder, einer Sportanlage, Werkstätten und einer Näherei bauen zu wollen.
Doch zunächst waren Schweigers Projektpartner abgesprungen, dann war das Land Niedersachsen auf Distanz gegangen, weil Schadstoffe in der Kaserne gefunden wurden. Aus der angekündigten Idee wurde bislang nichts.
Dafür legt jetzt die Til Schweiger Foundation los. Die Erwartungen sind groß. „Wenn jetzt Frau Merkel anrufen würde und unbedingt mitmachen wollen würde, würde ich sagen: eigentlich sind wir schon voll, aber die nehmen wir noch“, scherzt Schweiger. Aber ein wenig glaubt er vielleicht dran. Dass alles machbar ist. „The sky is the limit“ – er wird sich daran messen lassen müssen.