Hierzulande gilt der Modemacher Harald Glööckler eher als Witzfigur denn als ernstzunehmender Designer. Zu bunt, zu kitschig, zu überladen sind die Kreationen seiner Marke “Pompöös“. Doch im Ausland hat es der schrille Wahlberliner inzwischen zu einiger Popularität gebracht – in Japan gilt er gar als Superstar.

Was den Japanern wohl durch den Kopf ging, als sie ihm neulich in Tokio den roten Teppich ausrollten? Da stand er im Studio des Verkaufssenders Shop Channel, steif wie ein Maharadscha, aber mit stolzgeschwellter Brust. In jedem Arm ein Model, das mit seinen Klunkern und Ketten behangen war.

Es war ein surreales Szenario. Deutschlands schrillster Modemacher im Land der aufgehenden Sonne. Er lächelte irgendwie entrückt. Auch sein Name klang, als sei er nicht ganz von dieser Welt – Harald Glööckler .

Hierzulande war er bis vor einigen Jahren regelmäßig durch die Klatschmagazine gegeistert, ohne dass sich irgendwer für seine Arbeit interessiert hatte. Das sollte sich jedoch ändern, als der Verkaufssender Home Shopping Europe (HSE) in München sein Verkaufstalent erkannte.

Seit 2004 vertickt er dort Mode zu Schleuderpreisen, die auch Trägerinnen der Größe XXL schmeichelt – mit weit ausholenden Gesten und sich überschlagender Stimme zwar, aber mit Erfolg. Das sprach sich herum.

Nach dem Sender QVC in London engagierte ihn auch der Shop Channel in Japan als Moderator seiner eigenen Sendung. Eine Cashcow in Zeiten der Krise. Optisch das Gegenteil vom Klischee des deutschen Spießers. Humor hatte er offenbar auch. Hatte doch Glööckler freimütig verraten, dass er als Vorlage für die durchgeknallte Figur des schwulen Modemachers "Brüno" in dem neuen Film des Komikers Sacha Baron Cohen hergehalten hatte. Die Japaner waren begeistert. Es heißt, sie hätten ihn "Halald Glööcklel, Supelstal" genannt.

Es ist ein Titel ganz nach seinem Geschmack. Dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine Lücke klafft, zeigt schon der erste Eindruck von seinem Domizil. Er residiert an einer Hauptverkehrsstraße in Berlin-Charlottenburg, in einer Altbauwohnung über der Filiale einer Steak-Restaurant-Kette. An den Wänden hängen reich verzierte Spiegel und Selbstporträts in Öl. Hier entstehen also die Entwürfe der Modemarke Pompöös. Der Name ist Programm. Mit Harald Glööcklers Kollektionen verhält es sich wie mit seinem Namen: Sie haben ein Ö zu viel.

Ein stilisiertes Krönchen als Logo

"Pompös mit einem Ö hätte ich mir nicht als Marke schützen lassen können", wird der Maestro später sagen. Als stilisiertes Krönchen ist es zu seinem Logo geworden. Aber die Identifikation mit seiner Marke geht noch weiter. Der Buchstabe scheint sich beinahe in seine Physiognomie eingegraben zu haben.

Man muss zweimal hinschauen, um es im Gesicht dieses Paradiesvogels zu erkennen, der zur Tür seines Showrooms hereinflattert. Vielleicht liegt es an den hochgezogenen Augenbrauen, die er mit Permanent-Make-up nachgezogen hat. Vielleicht aber auch an seinen mit Collagen aufgespritzten Lippen, die einen Ö-Mund formen. Das Ö steht wie ein Fragezeichen in seinem Gesicht. Es verleiht ihm einen Gesichtsausdruck, wie man ihn von Kindern kennt, die zum ersten Mal dem Weihnachtsmann begegnen. Er passt gut zu der magentafarbenen Jeans und dem taillierten schwarzen Blazer, der mit floralen Mustern bedruckt ist. Ton in Ton: Wäre er eine Comicfigur, wovon die Japaner überzeugt sind, wäre er Harald im Wunderland.

An seinen Armen hängen gefühlte drei Kilo Schmuck. Mit gespreizten Fingern schraubt sich Glööckler seine klodeckelgroße Sonnenbrille von der Nase. Es ist ein Modell, wie es Sophia Loren schon getragen hat, als Klein-Harald seine Tage noch vor dem Fernseher verbrachte und von Hollywood träumte. Über seine Kindheit ist schon viel geschrieben worden. Darüber, dass er mit 14 mitansehen musste, wie der Vater, ein alkoholkranker Gastwirt, seine Mutter im Suff die Treppe herunterstürzte – woraufhin sie ihren Verletzungen erlag. Der Vater musste sich für die Tat nie vor Gericht verantworten.

Hinter der Kunstfigur ein zartbesaiteter Junge

Das Trauma, das Harald Glööckler seither mit sich herumschleppt, hat er noch immer nicht überwunden. Kinderfotos von sich will er nicht zeigen. Seine Stimme wird brüchig, wenn man ihn darauf anspricht. Hinter der schrillen Kunstfigur tritt ein zartbesaiteter Junge hervor.

Bereitwillig führt er seinen Gast durch sein Appartement. Es sieht aus wie ein weiterer Showroom der Firma Pompöös, vollgestopft mit selbst gemalten Bildern, Möbeln, Kissen und Nippes. Jedes Ding hat seinen Platz. Man darf sich Harald Glööckler als einen Menschen vorstellen, der Ordnung und Kontrolle braucht.

Sein Alter kennt keiner, angeblich nicht mal er selber. Er sagt: "Meine Kindheit wurde mir gestohlen. Also habe ich irgendwann aufgehört, die Jahre zu zählen." Das Peter-Pan-Syndrom.

Es erklärt vielleicht, warum es schon immer reifere Damen waren, die seine Entwürfe vorführten und damit seinen Ruf als "Coco Chanel auf LSD" begründeten. Frauen wie Gina Lollobrigida. Er sagt, er habe in diesen Frauen immer seine Mutter gesucht: Eine Madame, die schicke Kleider liebte und es verstanden habe, ihre Kurven zur Geltung zu bringen. Seit ihrem Tod sei es ihm ein Bedürfnis, andere Frauen zu trösten, sagt er. Mode als Therapie, mehr für sich als für die Kundinnen.

Insgeheim träumt er, der Autodidakt, noch immer davon, seine Visitenkarte eines Tages bei den großen Modenschauen in Mailand oder in Paris abzugeben. Oder hat er sich tatsächlich damit abgefunden, dass seine Verkaufsphilosophie eher bei Aldi-Kundinnen verfängt? Sie lautet: "Ich gebe dem Menschen das Gefühl, dass er etwas wert ist."

Mit einem Job als Juror für die Castingshow "Germany's Next Top Model" hätte sich diese Philosophie jedenfalls nicht vertragen. Ein entsprechendes Angebot von ProSieben habe er abgelehnt, sagt Glööckler. Auch aus zeitlichen Gründen, schiebt er hinterher.

Leichtgefallen ist es ihm wohl nicht. Der "Supelstal", er ist noch lange nicht am Ziel.