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Was auf der Grünen Woche nachts so los ist

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Erik Baumgärtel

Wenn die Besucher weg sind, beseitigen 200 Reinigungskräfte Dreck und Unrat in den Messehallen. Ein Besuch hinter den Kulissen.

Berlin. Die Türen sind zu, der letzte Insektenburger gegessen und die Pferde zurück im Gehege. Wenn es Nacht wird auf der Grünen Woche, dann geht es für die Reinigungs- und Instandhaltungskräfte erst richtig los.

Es ist 22 Uhr. Thomas Schütt zieht sich den Mantel zurecht und läuft schnurstracks durch die Hallen. Der gelernte Industriemechaniker ist Verantwortlicher für die Reinigungs- und Abfallentsorgung nach der Veranstaltung. Und das seit 17 Jahren. Schütte läuft eilig und sagt: „Bis früh um sechs haben wir Zeit. Dann kommen die Aussteller zurück. Bis dahin muss alles blitzblank sein.“

400.000 Besucher werden dieses Jahr erwartet, das heißt über 800.000 Füße werden über die Messeausstellung trampeln und hinterlassen dabei Dreck und Unrat. 200 Leute stehen zu deren Beseitigung bereit. Über 100.000 Quadratmeter Hallenfläche warten damit auf das Team, dass zumeist aus Subunternehmern besteht.

In der Tierhalle hört man nur die Muttersau schnarchen

Zudem kommen 50.000 Quadratmeter Verkehrsfläche, wie Gänge, Flure oder Fahrstühle, über 4000 Quadratmeter Sanitärflächen und mehr als 150.000 Quadratmeter Außenfläche. Und das jede Nacht. Ihre „Waffen“ gegen Schmutz und Verunreinigung: Großmaschinen für Nassreinigung, Straßenkehrmaschinen, Industriestaubsauger und Putzlappen. „Wir sind dafür da, dass Gäste und Aussteller die Messe an jedem Morgen wieder im Topzustand vorfinden. Wir verstehen uns als technische Anwälte der Veranstaltung“, so Schütt.

Null Uhr. In einer der beliebtesten Attraktionen der Messe, der Tierhalle, wird gerade das Licht gedimmt. Am Tag herrscht hier Riesenandrang. Doch wenn Kuh, Schwein und Ziege abends im Gehege sind, ist Totenstille. Nur das leise Schnarchen der Schwäbisch-Hallischen Muttersau ist zu hören, während ihre Ferkel hungrig an ihren Zitzen saugen. Am Fuße ihres Gatters steht Bauer Werner Mette. Das landwirtschaftliche Urgestein ist verantwortlich für die Tiere in der Halle. „Ich mache das alles freiwillig und zum Spaß. Ich bekomme einen Schlafraum gestellt, so bin ich immer gleich vor Ort.“

Mette obliegt vor allem die Futter- und Heuverteilung. Bis am frühen Morgen deren Besitzer zurückkehren. Unterstützt wird er von einem Tierarzt, der minütlich seine Runde dreht. Hier gelten besonders strenge Regeln. Schütt erklärt, Reinigungen mit Maschinen seien nachts hier untersagt, damit sich die Tiere erholen können. Gesäubert wird nur tagsüber und nur, wenn ein Tierwechsel stattfindet.

Exponate oder Kunst landeten auch schon mal in der Tonne

1.30 Uhr. „Wir sind gerade in der NRW-Halle zugange“, ruft Objektleiter Holger Gärtner Thomas Schütte zu, der gerade zur Abnahme angestiefelt kommt. Wienern, Putzen, Saugen, Aufräumen und Instandsetzen – alles im Akkord. Wenn es geht, auch mit großen Maschinen. Massenhaft Kartons und Müllsäcke warten auf ihre Beseitigung. Das kostet Zeit. „Wir können nicht alles vom Reißbrett planen, weil jeder Abend und jeder Kunde anders ist.“ Dennoch ist Gärtners Team perfekt eingespielt und routiniert. Mit dabei ist die 24-jährige BWL-Studentin Anna, die seit fünf Jahren dazugehört und sich so ihr Studium finanziert. „Wir kennen die meisten Stände bereits in- und auswendig und wissen genau, was zu tun ist. Den Rest sagen uns Standreinigungslisten“, so die junge Frau. Doch wie die Morgenpost erfährt, sind Exponate oder Kunst, die als solche nicht erkennbar waren, auch schon mal in der Tonne gelandet.

Die Reinigung von Verkehrs- und Eventflächen, am Tag und in der Nacht, sind im Preis der Miete bereits inbegriffen. Ebenfalls die Vorreinigung zum Eröffnungstag und die Endreinigung zum Schluss der Messe. Aussteller können aber zusätzlich Sonderwünsche, wie die Reinigung von Ställen, der Ausstellungsfläche, Technikexponaten oder einen Abwaschservice für ihre Gastronomie hinzubuchen. Sechs bis acht Wochen vor Beginn der Veranstaltung werden dann die Details und eine Kostenaufstellung gemacht. Auch um zu wissen, mit welchem Pensum Schütte und seine Mannschaft rechnen muss. Wie viel das im Einzelnen ist oder wie hoch Kosten für Reinigung und Entsorgung sind, möchte die Messe nicht mitteilen

Fast drei Uhr. Die Fahrzeuge der Abfallentsorgung auf dem Gelände rollen die ganze Nacht. Über 625 Tonnen Gesamtabfall werden sie bis zum Ende der Grünen Woche bewegt haben. Davon 82 Tonnen Mistabfall, zwölf Tonnen Speiseabfälle und 80 Tonnen Holzabfälle. Der Rest sind Mischabfälle wie Glas oder Papier. Die Hälfte davon wird durch Aussteller produziert, die andere Hälfte durch das Publikum. 1000 Kilometer Klopapier und Hunderte Liter an Flüssigseife werden in den insgesamt zehn Tagen der Ausstellung verbraucht sein.

Strenge Vorschriften sorgen für Sicherheit

Zehn Minuten vor vier Uhr. „Stopp!“, ruft ein Sicherheitsbediensteter Schütte und Gärtner hinterher. „Ihren Dienstausweis, bitte!“ Der Sicherheitsmann notiert sich alles fleißig. In jeder Halle gibt es mehrere Kollegen. Der erklärt er: „Jeder, der die Halle betritt, wird aufgeschrieben, mit Uhrzeit und Dienstnummer. Sollte er sie verlassen und von neuem betreten, erfolgt eine weitere Notiz.“ Die Richtlinien sind so streng, dass Reinigungskräfte den Müll nicht einfach heraustragen können, sondern sammeln müssen und nur unter Aufsicht des Sicherheitspersonals die Tür öffnen dürfen.

Seit über 17 Jahren ist Schütt jetzt dabei. Die Grüne Woche ist die längste aber bei Weitem nicht die anspruchsvollste Veranstaltung. „Bei der Food Logistica sind die Speise- und Bioabfälle wesentlich extremer. Die Sauberkeitsansprüche bei der ILA oder InnoTrans hingegen wesentlich höher. Dort achtet man auf jedes Staubkorn.“ Auch bildeten Kongresse anderen Abfall als bei der Grünen Woche. So gäbe es auf der ITB mehr Papiermüll wegen der vielen Kataloge.

Es ist kurz vor sechs Uhr. Das einzige, was nicht beseitigt werden konnte, sind die Heliumballons an der Decke der Eingangshalle. Diese warten nun darauf, dass wieder Tausende Füße am folgenden Morgen unter ihnen wegrennen und das Team von der Abfallbeseitigung am Abend darauf deren Unrat entfernt.

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