Berlin. Der Weg nach Deutschland führt durch Österreich und die Schweiz. Und durch Italien, Marokko, Slowenien, Aserbaidschan und Holland. Man muss schon diszipliniert sein, um den Verlockungen zu widerstehen, die einem links und rechts in Form von Käse- und Schinkenhäppchen unter die Nase gehalten werden. Aber nein, davon gibt es heute nichts. Die Mission heißt herauszufinden, wie Deutschland schmeckt. Und vor allem, wie es sich auf der Grünen Woche präsentiert.
Von Holland kommend, landet man in Thüringen. Rainald Grebe sang einst: „Im Thüringer Wald, da essen sie noch Hunde, nach altem Rezept zur winterkalten Stunde.“ Nun, Hund wird nicht angeboten. Dafür aber Bratwurst mit Senf, was in Deutschland Pflichtprogramm ist. Insektenburger kann ja heute jeder, aber eine gute Bratwurst braucht Liebe und Erfahrung. „Hier, probieren Sie mal!“, sagt dann ein junger Mann an einem Schokoladenstand. „Auf die Zunge legen, schmelzen lassen und bloß nicht kauen“, befiehlt er. Wahrscheinlich war er mal bei der Bundeswehr.
Es dauert dann etwas zu lange, bis der Schmelzvorgang beginnt, aber in Thüringen hat man wohl Zeit. Lecker ist der „Brückentrüffel“, wie das Schokoplättchen heißt, dann doch. Ziemlich lecker. Okay, Thüringen, das ist ein gar nicht so schlechter Auftritt von dir. Rainald Grebe, der alte Meckerzausel, kann einpacken.
Berlin präsentiert sich mit Hashtag im Namen
Mit dem süßen Geschmack auf der Zunge kommt man nach Niedersachsen. Wer mal Urlaub im Osnabrücker Land machen will, ist hier richtig. Wer etwas erleben will, überlässt Niedersachsen am besten sich selbst und geht durch nach Brandenburg in Halle 21a.
Es wird in Berlin ja gern gelästert über das alte und leere Brandenburg, aber auf der Grünen Woche ist das Land definitiv ein Highlight. In Brandenburg steigt die Party. Es ist pickepackevoll, es ist warm, und es gibt fast überall Snacks. Wer es noch nicht wusste: Eine saure Spreewaldgurke kommt nach einem Brückentrüffel richtig gut. Der Bottich mit der Eierlikörbowle ist schon vor 12 Uhr erstaunlich leer. Der Osten hat Spaß, der Osten ist gut drauf. Dann mal gucken, was Berlin zu bieten hat.
Berlin präsentiert sich trendbewusst als #Berlin – also mit Hashtag. Und alles ist rot-weiß wie eine Reminiszenz an Air Berlin. Auch sonst regiert das Klischee mit DDR-Softeis, Berliner Luft, Mampe und Manufaktur-Produkten, weil in Berlin ja inzwischen alles aus einer Manufaktur kommen muss. Das legendäre „Curry 36“ hat auch einen Stand. Und die Schlange ist anders als bei der Filiale in Kreuzberg überhaupt nicht lang. Schnell mal anstellen. So eine Gelegenheit gibt es vielleicht nie wieder.
In der Bayernhalle spielt eine Blaskapelle
Berlin liegt eingeklemmt zwischen Sachsen und Bayern. In Sachsen kann man blaue Kartoffeln probieren, und dann geht man am besten wieder. Durch die riesige Bayernhalle tönt das laute Umpa-Umpapa einer Blaskapelle, das Bier fließt, die Weißwurst schmeckt. Es herrscht Bierzelt-Atmosphäre, was in Bayern so sein muss.
Auch hier wird das Klischee bedient, wer hinter einem Stand steht, trägt Lederhosen oder Dirndl. Auf der Bühne wird nun ein Schuhplattler aufgeführt, und die Menge johlt. Bayern ist die einzige Halle, die stimmungsmäßig mit Brandenburg mithalten kann. Dafür wird allerdings auch einiger Aufwand betrieben. „Bayern kommt mit 2000 Leuten nach Berlin“, sagt Grüne-Woche-Sprecher Wolfgang Rogall. 2000 Leute – ein stattliches Gefolge. Würde es Schleswig-Holstein auch so machen, würde dort ja fast keiner mehr übrig sein.
Sachsen-Anhalt schwelgt in DDR-Nostalgie
Schön ist es in der Halle des nördlichsten Bundeslandes trotzdem. Es riecht nach Fisch, und es gibt kostenloses Wlan, was pfiffig ist, wenn man Besucher hierbehalten will. Mecklenburg-Vorpommern, ebenfalls maritim unterwegs, sorgt mit Scampi-Spießen und Plakaten von glücklichen Strandspaziergängern und glücklichen Schweinen für Wohlfühlatmosphäre. Zu vernachlässigen sind Hessen, NRW, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt, wobei Sachsen-Anhalt etwas zu sehr in DDR-Nostalgie schwelgt und „NVA-Feldsuppe“ in Dosen offeriert. Rheinland-Pfalz liegt weit entfernt von den anderen Ländern in Halle 2.2., man fragt sich, was es wohl verbrochen hat. Es gibt dort: Wein. Aber das ist okay. Einen Saumagen hätte man jetzt eh nicht mehr geschafft.
Wer aufmerksam mitgelesen hat, wird fragen: Und was ist mit Bremen, dem Saarland und Hamburg? Tja, diese drei sind nicht auf der Grünen Woche dabei. Für ein Fazit reicht es trotzdem: Currywurst schmeckt besser als Weißwurst, Thüringen kann Trüffel, und Brandenburg rockt. So überraschend kann eine Deutschlandreise sein.
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