Auf der Grünen Woche gibt es erstaunliche Produkte, die unter vielen Berlinern begeisterte Käufer finden. Auch ein “emotionales Bier“.
Auch Lettland hat Werbeagenturen, in denen, ganz wie im Westen, heimliche Poeten sitzen und Produktbeschreibungen dichten. Bei der Grünen Woche liegt in Halle 12 ein Prospekt aus, der ein Gebräu als „emotionales Bier“ beschreibt. Emotional? Vielleicht weil es - was ungesund wäre - ans Herz geht? Weil es einen überwältigt? Oder umhaut? Wenn es eine emotionale Regung gibt, der dieses „Tanheiser Kraftbier“ mit der Geschmacksrichtung Cannabis-Ingwer entspricht, dann: aufgekratzt-albern.
Denn geschmacklich kommt das Produkt einer kleinen Brauerei aus Riga am ehesten einem süßen Likör nahe. Die 35 Jahre alte Linda Rudzite, Verkäuferin und Schankwirtin am lettischen Stand vergleicht es mit Limonade. „Darum sage ich den Gästen: Aufpassen, das muss man vorsichtig genießen. Dieses Bier hat sieben Prozent Alkoholgehalt.“
Was das Gebräu dagegen nicht hat: jenen berauschenden Effekt, den man allgemeinhin mit dem Begriff Cannabis assoziiert. Denn es werden bei der Herstellung nicht die berüchtigten weiblichen sondern harmlosen männlichen Hanfpflanzen verwendet. Die gesamte Grüne Woche sorgt Linda Rudzite daher schon für enttäuschte Gesichter: „Viele Besucher fragen ganz hoffnungsvoll, ob das Bier etwas mit dem Cannabis zu tun hat, das man rauchen kann. Ich muss dann immer verneinen.“
Den verwendeten Hanf kennt sie nur zu gut aus ihrer Heimat. „Wenn ich mit meiner Mutter im Garten das Unkraut jätete“, sagt die blonde lebhafte Frau, „haben wir den Hanf immer gelassen wo er war. Denn es hieß, dass er Fliegen vertreibt.“ So hoch habe der Hanf bei ihr gestanden, sagt Linda Rudzite und hält eine Hand weit über ihrem Kopf.
Weil der durchschnittliche Grüne-Woche-Gänger bekanntlich keine fanatische Kiffer-Type ist, läuft das Geschäft am Lettenstand trotzdem tadellos. Ein Grüppchen von Männern um die Fünfzig hat bei unserem Besuch dort Position bezogen. Zeugnisse langjähriger Erfahrung mit den Gebräuen der Welt wölben sich unter ihren Pullovern und Schimanski-Jacken. Einen Untersetzer für ihre Becher bekommen sie auch bei der dritten Nachbestellung nicht. „Alle von Sammlern mitgenommen“, erklärt Linda Rudzite.