Berlin. Die Initiative Bündnis „Görli zaunfrei“ kritisiert den Zaunplan des Senats scharf und fürchtet, die Stimmung werde kippen.

Nach den Vorstellungen des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) soll der Zaun um den immer wieder in die Schlagzeilen geratenen Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg spätestens Anfang 2024 kommen. Ein Bündnis aus Anwohner-Initiativen und sozialen Einrichtungen übt scharfe Kritik an diesem Vorhaben und äußert erhebliche Bedenken für das Leben in den umliegenden Kiezen. Am Dienstagmorgen hat das Bündnis „Görli zaunfrei“ ein alternatives Konzept zu den Plänen des Senats vorgestellt.

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Ihm seien die Vorschläge Wegners zur Befriedung des Görlitzer Parks zu repressiv, erklärte Juri Schaffranek, Streetworker beim Verein Gangway. Die Probleme im Park würden lediglich verdrängt in die umliegenden Kieze, sogar bis in den Reuterkiez in Neukölln. „Was mich wirklich ärgert an diesem Maßnahmenpapier ist, dass es ohne finanzielle Substanz erstellt worden ist“, so Schaffranek über die Ergebnisse des Sicherheitsgipfels zur Situation im berüchtigten Park. Zudem sei die Senatssozialverwaltung nicht eingeladen gewesen, obwohl sie von den Maßnahmen betroffen sei. „Das hat uns skeptisch gemacht, ob diese rudimentären Maßnahmen, die beschlossen wurden, ernst gemeint sind.“

Trotz zunehmender Verelendung weiterhin Solidarität unter Anwohnenden – nur wie lange noch?

Dabei sei der Handlungsbedarf dringend. Monika Obrecht, langjährige Anwohnerin im nahegelegenen Reuter-Kiez, berichtete von einer rasanten Entwicklung der Verelendung im und um den Görlitzer Park. In den Hauseingängen seien vermehrt Exkremente vorzufinden, auf den Straßen immer mehr Menschen mit psychischen Störungen – das hänge mit der steigenden Verbreitung von der schnell abhängig machenden Droge Crack zusammen, die die Konsumentinnen und Konsumenten unberechenbarer mache.

„Nach wie vor gibt es Solidarität in der Nachbarschaft und Verständnis für die Menschen auf der Straße, die sich dieses Leben nicht ausgesucht haben“, ergänzte Esther Borkam vom Familien- und Nachbarschaftszentrum Kiezanker36. Die Vertreterinnen und Vertreter des Bündnisses machten darauf aufmerksam, dass in den umliegenden Kiezen viel durch Ehrenamt bewegt werde, nun aber eine Grenze erreicht sei. „Irgendwann wird das soziale Gefüge aber kippen, wenn der Zaun kommt“, prophezeit Borkam und warnt vor unumkehrbaren Folgen für die Umgebung. Anwohnerin Obrecht befürchtet eine weitere Verelendung in den Kiezen und fand noch drastischere Worte: „Wir Anwohner haben mega Schiss vor diesem Zaun!“

Das Bündnis „Görli zaunfrei“ stellte am Dienstag ein alternatives Konzept vor, mit dem der Görlitzer Park sicherer werden soll.
Das Bündnis „Görli zaunfrei“ stellte am Dienstag ein alternatives Konzept vor, mit dem der Görlitzer Park sicherer werden soll. © DPA Images | Hannes P Albert

Handlungskonzept des Bündnisses setzt auf soziale Maßnahmen

Statt also auf eine Umzäunung zu setzen, fordern die Bündnispartner in erster Linie soziale Maßnahmen und haben zu diesem Zweck ein Handlungskonzept aus dem Jahr 2016 aktualisiert. Darin enthalten sind unter anderem ganzjährig geöffnete Notübernachtungsmöglichkeiten, Konsumräume, den Ausbau der Straßensozialarbeit und der Beleuchtung im Park sowie niedrigschwellige medizinische und psychosoziale Angebote. Diese Maßnahmen müssten längerfristig finanziert werden. „Soziale Maßnahmen sollten im Fokus stehen und repressive Maßnahmen nur die Ultima Ratio sein“, fasste Schaffranek von Gangway zusammen. Alle beteiligten Akteure müssten besser miteinander kommunzieren und an einem Strang ziehen.

Doch würde ein verbessertes Angebot im und um den Görlitzer Park nicht weitere obdachlose und drogenkranke Menschen anziehen? Die Maßnahmen könnten sicherlich eine gewisse Sogwirkung haben, gestand Schaffranek. Aus diesem Grund müsse auch an anderen Stellen in der Stadt das Angebot verbessert werden. „Es braucht ein gesamtstädtisches Konzept.“

Der Görlitzer Park steht seit Jahren im Fokus drogen- und integrationspolitischer Debatten. Der Park ist einerseits Treffpunkt für viele geflüchtete Menschen aus dem westafrikanischem Raum, aber auch ein Hotspot für Drogenverkauf und -konsum. Die Diskussion um den richtigen Umgang mit den Problemen im Park hat diesen Sommer wieder an Fahrt aufgenommen, nachdem bekannt geworden war, dass eine Frau vor den Augen ihres Freundes von einer Männergruppe vergewaltigt wurde.

Vor Ort gibt es Widerstand gegen die Pläne des Senats, den Görlitzer Park zu umzäunen.
Vor Ort gibt es Widerstand gegen die Pläne des Senats, den Görlitzer Park zu umzäunen. © DPA Images | Hannes P Albert

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