Berlin. In der Region sind 15.000 mehr Menschen arbeitslos als vor einem Jahr. Dennoch mangelt es den Unternehmen weiterhin an Fachkräften.

Die schleppende Konjunktur hinterlässt inzwischen auch ihre Spuren auf dem Berliner Arbeitsmarkt. Im September lag die Zahl der Arbeitslosen saisonbedingt zwar unter dem August-Wert, aber mit 192.273 um knapp 12.000 über dem Vorjahresmonat. Die Arbeitslosenquote liegt nach Anhaben der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit mit 9,4 Prozent um 0,4 Punkte über dem September 2022. Auch in Brandenburg waren mit 78.236 rund 3000 mehr Menschen arbeitslos gemeldet als vor einem Jahr. Die Quote lag bei 5,9 Prozent.

Auch bundesweit entwickelte sich der Arbeitsmarkt schlechter als erhofft. „Im September sind in allen Bundesländern die Schul- und Betriebsferien vorbei, und es gibt die Herbstbelebung am Arbeitsmarkt“, sagte Daniel Terzenbach, Mitglied im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Normalerweise sinke die Zahl der Arbeitslosen in diesem Monat um etwa 90 000. „In diesem Jahr fallen die Rückgänge vergleichsweise gering aus“, resümierte er. „Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten hinterlassen mittlerweile jedoch deutliche Spuren.“ Bundesweit liegt die Arbeitslosenquote bei 5,7 Prozent.

Ausländer sind in Berlin doppelt so oft arbeitslos als deutsche Staatsbürger

In Berlin waren Ausländer doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen als deutsche Staatsbürger. Auch junge Menschen unter 20 Jahren hatten häufiger keinen Job als der Durchschnitt der erwerbsfähigen Bevölkerung. Allerdings ist die Hauptstadt von einer Beschäftigungskrise noch weit entfernt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen in Berlin stieg binnen eines Jahres um 22.200. Mit einem Plus von 1,3 Prozent übertraf das Land den bundesweiten Durchschnitt um 0,6 Prozentpunkte. Dennoch hat sich die Dynamik abgeschwächt. Zuletzt hatten Firmen, Staat und Organisationen jedes Jahr 50.000 bis 60.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.

Die Chefin der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg zog am Freitag ein zwiespältiges Fazit: „Die stagnierende Konjunktur macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt in Berlin und Brandenburg bemerkbar“, sagte Ramona Schröder: „Aber: Nach wie vor werden Fachkräfte gesucht. Umso wichtiger ist es sowohl für Arbeitsuchende als auch für Beschäftigte, mit Hilfe von Weiterbildung und Qualifizierung die sich bietenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu nutzen.“

Unternehmensverbände: „Schönwetterphase auf dem Berliner Arbeitsmarkt ist vorbei“

Die Zahl der bei den Arbeitsagenturen gemeldeten offenen Stellen betrug knapp 20.000, 2000 weniger als vor Jahresfrist. Im September gingen bei den Arbeitsagenturen 5000 neue unbesetzte Stellen ein, 834 weniger als im August.

Alexander Schirp, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), stellte mit Blick auf steigende Zinsen, Inflation und Wirtschafts-Abschwung fest: „Die Schönwetterphase auf dem Arbeitsmarkt ist vorbei.“ 15.000 Arbeitslose mehr in der Region als vor einem Jahr machten deutlich, dass die Unternehmen der Krise Tribut zollen müssten. „Die Bereitschaft der Unternehmen, neues Personal einzustellen, ist deutlich zurückgegangen“, sagte der UVB-Vertreter. Die Berliner Wirtschaft trete auf der Stelle. Und selbst in Brandenburg, wo sich die Industrie dank des wachsenden Elektroauto-Werks von Tesla gut entwickelt, gingen Branchen, die vom privaten Konsum abhängig seien, schwierigeren Zeiten entgegen.

Wirtschaft kritisiert die Sparpläne der Bundesregierung bei der Weiterbildung

Schirp kritisierte vor diesem Hintergrund die neuen Sparpläne des Bundesarbeitsministeriums. Sie passten „überhaupt nicht in die Landschaft“. Vorgesehen ist laut UVB, dass in Zukunft die Arbeitsagenturen für die Weiterbildung der Empfänger von Bürgergeld zuständig sein sollen und nicht mehr wie bislang die Jobcenter. Damit wolle der Bund die Kosten auf die Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung verschieben. Zudem seien „erhebliche Umsetzungsprobleme“ zu befürchten.

Berlins IHK-Vizepräsidentin Nicole Korset-Ristic mahnte eine „stärkere Fokussierung auf die kurzfristige Vermittlung der noch suchenden Jugendlichen in Ausbildung“ an, um die Fachkräftelücke zu schließen. Nur zwölf Prozent der Jugendlichen würden im Zuge der Nachvermittlung erreicht. „Darüber hinaus erwarten wir von der Politik die Weichen für eine gelingende Fachkräfteintegration über schnelle und unbürokratische Verfahren in der Migrationsverwaltung zu stellen und diese bei den aktuellen Haushaltsverhandlungen prioritär zu berücksichtigen“, sagte die Chefin der Supermarktkette BioCompany. Sehr viele Ukrainerinnen und Ukrainer beendeten in nächster Zeit ihre Integrations- und Sprachkurse. „Ihre Abschlüsse müssten schneller anerkannt werden, um das „Potenzial dieser hoch qualifizierten und motivierten Menschen nutzen zu können“, forderte Korset-Ristic.