Berlin. CDU will, dass Autos nicht mehr durch zusätzlichen Platz für Radfahrer und Fußgänger behindert werden sollen. Die SPD hat Zweifel.

Der schwarz-roten Koalition aus CDU und SPD in Berlin droht der erste veritable Konflikt: Die SPD-Fraktion ist bisher nicht gewillt, die von der CDU angestrebte Änderung des von der früheren rot-grün-roten Regierung geschaffenen Mobilitätsgesetzes mitzutragen. Das sagte der verkehrspolitische Sprecher der SPD Tino Schopf am Rande der Abgeordnetenhaussitzung am Donnerstag der Morgenpost: „Aus meiner Sicht müssen wir das Mobilitätsgesetz nicht ändern“, sagte Schopf.

Die CDU-Fraktion hatte diese Woche beschlossen, die Akzente im Mobilitätsgesetz deutlich zu verschieben. An mehreren Stellen im Gesetz wird der Vorrang von Fuß- und Radverkehr gegenüber dem motorisierten Individualverkehr abgeschafft. Der Ausbau des Umweltverbundes, also neben Rad- und Fußverkehr noch Busse und Bahnen, stehe zwar im Vordergrund, heißt es im Entwurf der CDU für das neue Gesetz. „Benachteiligung oder Verbote für einzelne Verkehrsträger, insbesondere des motorisierten Individualverkehrs, gilt es zu vermeiden“.

SPD empört: CDU möchte Carsharing-Autos dem Umweltverbund zuschlagen

Zudem ist die SPD empört, dass die CDU auch Carsharing-Autos dem Umweltverbund zuschlägt. „Nichts davon steht im Koalitionsvertrag“, so Schopf. Aus Sicht des Sozialdemokraten tut die CDU das Gegenteil dessen, was sie angekündigt hatte, nämlich im Verkehr das angebliche „Gegeneinander“ von Autos und Radfahrern aus der rot-grün-roten Regierungszeit in ein „Miteinander“ aller Beteiligten aufzulösen. Was die CDU mit ihrer Politik für das Auto tue, sei „keinen Deut besser“. Die CDU-Fraktion verfolge eine Verkehrspolitik des „Weiter-So“.

Eine weitere wichtige Änderung, die die CDU vorschlägt ist, dass nicht mehr zwangsläufig an allen Hauptverkehrsstraßen Radstreifen entstehen müssen und dass Radwege auch schmaler sein dürfen als 2,50 Meter. Ausnahmen von den Vorschriften des Gesetzes seien jetzt schon möglich, wenn die Gegebenheiten vor Ort diese Regeln nicht zuließen, argumentiert die SPD. Die Bezirke müssten Abweichungen eben begründen.

Eine Stabsstelle bei der Verkehrssenatorin soll alle Radverkehrsprojekte prüfen

Eine Stabsstelle bei der Leitung der von Manja Schreiner (CDU) geführten Senatsverkehrsverwaltung soll nach dem Willen der CDU sämtliche Radverkehrs-Projekte auf mögliche Konflikte prüfen und „Redundanzen auflösen“. In jedem Bezirksamt soll nur noch ein Radverkehrsplaner statt bisher zwei tätig sein. An Baustellen müsse Sicherheit für Radfahrer nicht mehr zwingend sichergestellt werden, sondern „wenn möglich aufrechterhalten werden“, heißt es im CDU-Entwurf.

Die CDU möchte auch der Sanierung von Radwegen Priorität einräumen gegenüber dem Neubau. Dem Fußverkehr solle Vorrang eingeräumt werden gegenüber den Bedürfnissen anderer Verkehrsteilnehmer, schreibt die CDU. Bisher wird im rot-grün-roten Gesetz ausdrücklich der motorisierte Individualverkehr als Gegenpol zu den Fußgängern genannt und eine Straßenraumaufteilung und der Ampelschaltungen zugunsten von Fußgängern vorgeschrieben. Spielstraßen seien nicht mehr generell zu fördern, sondern würden künftig auf Basis bestehender Regelungen geprüft. Auf wenig begangenen Gehwegen sollen künftig Räder fahren dürfen.

CDU ist überzeugt, dass sich die Koalition einigen kann

Die CDU setzt darauf, dass sie sich mit der SPD einigen kann. Es sei legitim, dass zunächst ein Koalitionspartner einen Entwurf vorlegt und man dann eine gemeinsame Lösung findet, sagte der CDU-Verkehrsexperte Johannes Kraft: „Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, das Mobilitätsgesetz zu überarbeiten. Das tun wir.“

Kraft verteidigte die Überlegung, Radstreifen nicht mehr verpflichtend auf jede Hauptstadtstraße zu bringen. Oft gebe es parallel Wohnstraßen, die sich als Fahrradstraßen eigneten. „Eine Fahrradstraße lässt sich viel schneller ausweisen als einen geschützten Radstreifen auf einer Hauptstadtstraße errichten“, so der CDU-Politiker. Zudem habe man sich für schnelle Verbesserungen für Fußgänger wie etwa abgesenkte Gehwege stark gemacht.

An der Abstimmung über das Wirtschaftsverkehr-Kapitel waren sich CDU und SPD einig

Die Koalition dürfte aber über das Mobilitätsgesetz keinen bleibenden Schaden nehmen, sind die Akteure überzeugt. CDU und SPD hätten schon einen Zeitplan und ein Verfahren für ihre Gespräche über das Mobilitätsgesetz verabredet. Letztlich müsse darüber wohl eine Koalitionsrunde entscheiden, hieß es.

Einigkeit demonstrierten die Partner aber bei der Abstimmung über die bisher erst vom Senat beschlossenen Kapitel des Mobilitätsgesetzes zum Wirtschaftsverkehr. Ohne nochmalige Debatte im Plenum wurde das vom Senat überarbeitete Gesetz im Plenum angenommen.

Umweltverbände machen Druck auf SPD: Verkehrswende nicht ausbremsen

Gleichzeitig stehen die Sozialdemokraten aber unter Druck von außerhalb des Parlaments. Verschiedene Lobbygruppen haben die SPD-Fraktion in einem offenen Brief aufgefordert, die Pläne der CDU zu stoppen. Die Christdemokraten wollten die „Verkehrswende ausbremsen“, schreiben : Der Fahrradverein ADFC, der Umweltschutzverband BUND, der Verein Changing Cities, die Fußgänger-Lobby von FUSS e.V. die Deutsche Umwelthilfe, der Verkehrsclub Deutschland und der IGEB, der sich um die Nutzer des ÖPNV kümmert.

„Die CDU will nun die Bevorzugung des Autos erneut gesetzlich festschreiben und weiter verstärken“, heißt es in dem Brief. „Dafür soll der Fußverkehr benachteiligt und der Radverkehr eingedämmt werden – bevor auch nur annähernd ein sicheres und lückenloses Rad- und Fußnetz in der Stadt ausgerollt wurde.“ Dem Kfz-Verkehr solle mehr Berlin gegeben werden als dem Rest der Stadtgesellschaft. „Die vorgeschlagenen Veränderungen widersprechen der Absicht des Gesetzes, eine sozial gerechtere Mobilität zu fördern.“