Berlin. Finanzierungsprobleme machen auch vor städtischen Unternehmen nicht halt. Auf der Neubautour mit dem Regierenden Bürgermeister Wegner.
Das Versprechen, das der schwarz-rote-Senat den Berlinerinnen und Berlinern gegeben hat, lautet: 20.000 Neubauwohnungen pro Jahr, davon 5000 Sozialwohnungen, sollen den angespannten Mietenmarkt in der Bundeshauptstadt entlasten. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den sechs kommunalen Wohnungsbaugesellschaften Degewo, Gesobau, Gewobag, Howoge, Stadt und Land sowie WBM zu. Sie sollen vor allem günstigen Wohnraum schaffen. Dass sie dazu deutlich mehr Unterstützung vom neuen Berliner Senat benötigen, daran ließen die sechs Chefinnen und Chefs der Landeseigenen bei der traditionellen Neubautour am Mittwoch keinen Zweifel.
Berlin: 26 Jahre bis zur Baugenehmigung
Schon bei der ersten Station, dem Bauvorhaben der Howoge an der Rummelsburger Bucht in Lichtenberg, wurde Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der zum ersten mal bei einer solchen Bustour, die an exemplarisch ausgewählten Bauvorhaben der kommunalen Unternehmen vorbeiführt, mit unangenehmen Fakten konfrontiert. „26 Jahre hat es gedauert, bis der Bebauungsplan beschlossen und die Baugenehmigung erteilt wurde“, berichtete Howoge-Geschäftsführer Ulrich Schiller beim Rundgang durch die Baustelle.
Wegner versprach, mit dem „Schneller-Bauen-Gesetz“, das er noch in diesem Jahr auf den Weg bringen will, behördliche Abstimmungsprozesse zu beschleunigen. „Zeit ist beim Bauen Geld – und am Ende müssen die Steuerzahler und die Mieter dafür zahlen, wenn wir in dem Bereich nicht deutlich schneller werden“, so der Landeschef.
So teuer sind die neuen Wohnungen
Auf dem 6700 Quadratmeter großen Gelände an der Mole 3-9 sind 169 Mietwohnungen bereits weitgehend fertig, „alle mit Balkon und Blick auf das Wasser“, betonte Schiller. Wie viele Bewerbungen um die 1-bis 5-Zimmer-Wohnungen bereits eingegangen sind, könne er nicht sagen: „Wir machen jetzt bei 100 Bewerbern pro Wohnungen den Deckel drauf, alles andere ist nicht mehr händelbar“, so Schiller.
Die Hälfte der Wohnungen in dem achtgeschossigen Wohngebäude mit Gewerbeflächen im Erdgeschoss sowie einer Kita für 48 Kinder wird gemäß der noch bis Oktober geltenden Kooperationsvereinbarung mit dem Land Berlin als mietpreisgebunden zu Einstiegsmieten ab 6,50 Euro, im frei finanzierten Teil 11,50 Euro je Quadratmeter und Monat vermietet. „Darüber müssen wir reden, das ist doch verrückt“, so Schiller, der ausführte, dass eine Wohnung in der Lage auch zu 22 Euro vermietet werden könnte.
Warum ab 2024 die Mieten bei den Städtischen wieder steigen werden
Darüber reden, das wollten auch die Geschäftsführer der anderen fünf Gesellschaften. Denn aktuell verhandelt der Senat mit den Geschäftsführern über eine neue Kooperationsvereinbarung, die in zwei Wochen präsentiert werden soll. Nach drei politisch angeordneten Null-Runden während der Corona-Pandemie und der Energiekrise ist die Finanzkraft der Unternehmen geschwächt. Ab 2024 sollen daher auch bei die Städtischen wieder erhöhen – über die Frage, um wie viel Prozent, wird allerdings noch gestritten.
Weiter ging es zur nächsten Baustelle am Halleschen Ufer in Kreuzberg. Und um die Frage, welche Miete in den Sieben- bis Achtgeschossern, die ab Ende 2024 bezugsfertig sein sollen, künftig angemessen ist. Die Degewo errichtet hier 337 kommunale Wohnungen, von denen 50 Prozent zur Einstiegsmiete ab 6,50 Euro angeboten werden. „Seit 2014 hat die Degewo 7000 Wohnungen gebaut, 1,5 Milliarden Euro investiert“, rechnet Degewo-Vorstandsmitglied Sandra Wehrmann vor. 2023 würden mehr als 1000 Wohnungen fertiggestellt und trotz Inflation und Baukostenexplosion mit dem Bau von 900 Wohnungen begonnen. Das alles habe in den Bilanzen des Unternehmens Spuren hinterlassen: „Seit 2017 fehlt uns ein hoher dreistelliger Millionenbetrag“, so Wehrmann.
Warum maximal 13 Euro mehr pro Wohnung „Humbug“ sind
„Wir brauchen Ihre Rückendeckung, wir müssen auch wirtschaftlich sein“, appellierte die Degewo-Chefin an den Regierenden Bürgermeister. „Leider gab es ja heute einen Artikel, der zeigt, in welche Richtung es gehen soll“, sagte Wehrmann mit Verweis auf einen Bericht in der Berliner Morgenpost, in der SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh verkündete, die Mieten für die mehr als 360.000 Wohnungen der sechs Landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften würden in den kommenden Jahren allenfalls moderat um zwei Prozent plus x steigen. Zudem solle die Miete um maximal 13 Euro pro Monat steigen.
„Davon war in den Verhandlungen nie die Rede“, zeigte sich Gesobau-Chef Jörg Franzen, der zugleich auch Sprecher der sechs landeseigenen Gesellschaften ist, überrascht. Man verhandele allerdings auch nicht mit den Fraktionschefs, sondern den zuständigen Senatoren für Finanzen und Stadtentwicklung. „13 Euro Maximum ist Humbug“, so Franzen.
Kai Wegner stellte klar, dass die Äußerungen Salehs „nur die Meinung eines Fraktionschefs“ seien. Derzeit liefen die Verhandlungen zwischen Gesellschaften und Senat, deren Ergebnis er nicht vorwegnehmen werde. „Wir brauchen bezahlbare Mieten und stabile städtische Gesellschaften“, so Wegner weiter. Dies seien zwei Seiten einer Medaille.

Neue WBS-Förderstufe für mittlere Einkommen
„Die Eigenwirtschaftlichkeit der Unternehmen darf nicht gefährdet werden“, ergänzte Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD). Es werde weiterhin Härtefallregelungen geben, die Mieterinnen und Mieter geltend machen können. Für gute Wohnungen könne auch ein guter Preis gezahlt werden.
Auf Vorlage des Senators hatte der Hauptausschuss vor der Sommerpause beschlossen, dass der soziale Wohnungsbau um eine 3. Förderstufe für mittlere Einkommen erweitert werden soll. Die Einstiegsmieten liegen dann je nach Wohnberechtigungsschein (WBS)-Gruppe bei 11,50 Euro für die dritte Stufe, 9,50 Euro für die zweite und 7,00 Euro pro Quadratmeter für die erste Förderstufe.
2023 sollen 5300 Wohnungen fertig werden
Für 2023 haben die Landeseigenen die Fertigstellung von rund 5300 Wohnungen – und der Baustart von rund 8000 Wohnungen in 50 Projekten. Spitzenreiter bei den städtischen Baufertigstellungen waren die Bezirke Marzahn-Hellersdorf (1808 Wohnungen), Treptow-Köpenick (1317) und Lichtenberg (1218).