Berlin. Die Berliner Zentral- und Landesbibliothek will mit Tausenden Medieneinheiten in das Quartier 207 einziehen. Doch reicht der Platz?

Die Galeries Lafayette an der Friedrichstraße sind ein besonderer Bau. Der französische Stararchitekt entwarf das auch als Quartier 207 bekannte Gebäude, das 1996 fertiggestellt und von der französischen Kaufhauskette bezogen wurde. Nach dem Vorschlag von Kultursenator Joe Chialo könnte die Berliner Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) das Haus als neuen Standort übernehmen.

Chialo zufolge ist das Quartier 207 an der Friedrichstraße, in dem unter anderem das Kaufhaus Galeries Lafayette untergebracht ist, am besten geeignet. Im Ausschuss erwähnte er, die Galeries Lafayette solle 2024 ausziehen. Laut Kultursenatsverwaltung sind die beiden Standorte am Blücherplatz und in der Breiten Straße zu klein geworden. Der Instandsetzungsbedarf sei riesig. Ursprünglich hatte der Standort am Blücherplatz erweitert werden sollen, wofür sich der Senat 2018 auch aussprach. Vergangenes Jahr ist das Projekt aus finanziellen Gründen auf Eis gelegt worden.

Auch der deutsche Kulturrat begrüßt den neuen Vorschlag.„Nach quälend langen Jahren der Tatenlosigkeit könnte jetzt endlich ein Weg gefunden werden, die Zentral- und Landesbibliothek Berlin unter einem Dach, in der Mitte von Berlin, neu aufzustellen. Wir unterstützen die Idee von Kultursenator Joe Chialo nachdrücklich“, sagte der Geschäftsführer Olaf Zimmermann am Dienstag in einer Mitteilung.

Zentral- und Landesbibliothek im Lafayette-Gebäude: Glas-Trichter nimmt viel Raum

Doch passt die größte öffentliche Bibliothek Deutschlands überhaupt in das Gebäude? Besonders markant ist in den Galeries Lafayette der gläserne Trichter im Inneren des Kaufhauses, der einiges an Raum einnimmt. Von Spitze zu Spitze misst er ganze 50 Meter, um ihn herum sind die Verkaufsflächen angeordnet. Auf der Webseite des Kaufhauses ist von einer Verkaufsfläche von 8000 Quadratmetern auf fünf Etagen die Rede, nur ein kleiner Teil der mit 35.000 Quadratmetern angegebenen Nutzfläche.

Auf diese 35.000 Quadratmeter sowie bezieht sich der Kultursenator, wenn er sagt, dass sie den Bedarf der ZLB sogar leicht überstiege. Der ursprünglich geplante Neubau der ZLB am Blücherplatz nahe der Amerika-Gedenkbibliothek hätte etwa 38.000 Quadratmeter bekommen sollen.

Zu hundert Prozent passt die ZLB trotzdem nicht hinein in das Quartier 207. Die jetzt schon bestehenden Außenmagazine am Westhafen würden im Fall eines Umzugs der ZLB an die Friedrichstraße weiterbetrieben werden müssten.

3,5 Millionen Bücher, CDs und DVDs in der ZLB

Insgesamt liegt der Bestand der ZLB bei 3,5 Millionen physischen Medieneinheiten, dazu zählen nicht nur Bücher, sondern auch DVDs oder CDs. Im Freihandbereich stehen laut ZLB etwa 490.000 Medien, inklusive der Berlin-Sammlungen und der nicht entleihbaren-Medien, also rund ein Siebtel des gesamten Bestandes. Ungefähr 35 Medieneinheiten ergeben einen Regalmeter, wie eine Sprecherin der ZLB erklärt. Das wären dann 100.000 Regalmeter insgesamt und 14.000 in den Freihandbereichen, die die ZLB unterbringen muss.

Und nicht nur das: Eine Bibliothek benötigt auch Lese- und Arbeitsplätze und Begegnungsräume, um ihrem Anspruch als „drittem Ort“ neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz gerecht zu werden. „Das Q207 – von Jean Nouvel einst als ‘Medienhaus’ designed – ist ein architektonisches Juwel und perfekt geeignet, um diese Rolle für Berlin zu übernehmen“, heißt es von Seiten der ZLB in einer Mitteilung. Im gastronomischen Bereich bieten die Galeries Lafayette momentan 345 Sitzplätze, weitaus weniger als aktuell die ZLB mit 900 Lese- und Arbeitsplätzen unterschiedlichster Art in beiden Häusern, mit oder ohne Computer, an Tischen oder auf Sesseln.

Machbarkeitsstudie schon vor Chialos Ankündigung

Dass das Gebäude an der Friedrichstraße aber grundsätzlich für die ZLB geeignet ist, war schon vor Chialos Vorschlag vor dem Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses klar. „Wir haben natürlich davor schon eine Machbarkeitsstudie gemacht – und es ist machbar“, so ZLB-Sprecherin Anna Jacobi. Von Seiten der ZLB ist man begeistert über den neuen möglichen Standort.

Bei kleinen Umbaumaßnahmen werde es allerdings nicht bleiben. Das, und die Tatsache, dass die endgültige politische Entscheidung über den neuen Standort erst noch getroffen werden muss, macht einen Umzug vor 2026 unwahrscheinlich. „So ein Umzug ist aufwendig und wird wahnsinnig intensiv geplant“, so Jacobi, und sowieso momentan noch „Zukunftsmusik“. Zunächst müsse über die Finanzierung nachgedacht werden.

Lafayette-Konzernzentrale äußert sich auf Anfrage

Zugleich lässt die Konzernzentrale der Galeries Lafayette aus Paris auf Morgenpost-Anfrage wissen, dass sie sich momentan noch mit dem Eigentümer der Quartier 207, dem amerikanischen Immobilienunternehmen Tishman Speyer, in Verhandlung über das Vertragsende 2024 befinden. Wie der Stand der Dinge ist, das will das Kaufhaus-Unternehmen nicht kommentieren.

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„Eine Bibliothek ist mehr als ein Ort, an dem man Bücher findet. Man begegnet dort anderen wissbegierigen Menschen“, so die Bibliothekssprecherin. Außerdem seien Bibliotheken nicht-kommerzielle Orte. Zugleich erhofft dich der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) von einem Umzug der ZLB an die Friedrichstraße mehr Umsatz in den dortigen Geschäften.

„Bibliotheken sind in der Tat Frequenzbringer“, so Jacobi. Bibliotheksbesucher würden oft ihre Besorgungen im Umfeld der Bibliothek erledigen.

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