Berlin. „Was machen wir hier? Ich will rappen!“, sagt Abdullah kurz nach Beginn der Schulstunde. Dem Schüler der 6b der Theodor-Storm-Grundschule in Neukölln scheint die Vorstellungsrunde etwas zu lang zu dauern. Diesmal ist nicht nur Workshop-Leiter Armando Strauß in der Klasse zugegen, sondern auch Kofi Darkwa. Schnell stellt sich für die Schüler heraus, dass Darkwa der Initiator jenes Workshops ist, der Strauß bereits zum vierten Mal mit Mikrofon, Laptop und Lautsprecherbox in die 6b führt.
Eine Klasse, in der 16 Schüler aus zehn verschiedenen Nationen miteinander lernen. Hier sitzen deutsche Zwölfjährige neben libanesischen, kurdische neben serbischen oder syrische neben albanischen. Mit Beginn des aktuellen Schuljahres gehören auch zwei ukrainische Schülerinnen zum Klassenverbund. „Die beiden sprechen bisher kaum Deutsch“, sagt Klassenlehrerin Anke Visan.
Rapmusik wird mit Sprachenlernen verbunden
Da sei es super, dass zwei Rapper mit ihrem Hintergrundwissen von sich erzählen und den Schülern die deutsche Sprache über die Texte und Musik näherbrächten. „Ich könnte nicht einfach so drauflosrappen“, sagt Visan. Mit den beiden Rappern meint Visan Strauß, der mit 13 Jahren selbst angefangen hat zu rappen und mittlerweile Musik und Grundschulpädagogik studiert, und Kulturwissenschaftler Darkwa, der sich selbst vier Sprachen beigebracht hat, in dem er Raptexte aus dem Spanischen, Französischen, Italienischen und Englischen ins Deutsche übersetzt hat.
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Mit seinem sozialen Start-up Kanzi hat Darkwa deshalb ein Workshop-Format entwickelt, das Sprachenlernen mit Rapmusik an Schulen verbindet. Spielerisch sollen die Schüler auf diesem Weg einen Zugang zur Sprache erhalten und eigene Rapsongs produzieren. „Rap ist die sprachlastigste Musik überhaupt. Für Schüler bietet es sich an, sich damit auseinanderzusetzen, denn es geht darum, dass etwas für sie selbst spannend ist“, sagt Darkwa und ergänzt: „Wenn man mit einer Metapher von Goethe ankommt, langweilen sich die Schüler eher, als wenn man ihnen Reime und rhetorische Stilmittel über Raptexte näherbringt.“
Schüler erarbeiten Rap-Texte selbst und geben sich Pseudonyme
Bei einer Aufgabe dürfen die Schüler selbst tätig werden. Während der letzten Veranstaltungen haben sie bereits eine Hookline – den Refrain eines Rap-Liedes – für ihren eigenen Song erarbeitet. „Wir sind eine Klasse mit verschiedenen Nationen / Wir sind alle Menschen und verschiedene Personen“, ruft Strauß die Zeilen in Erinnerung. Diesmal sollen einzelne Strophen geschrieben werden.
Um an ihrer persönlichen Sprachkunst zu feilen, dürfen sich die Schüler ein Rapper-Pseudonym geben und es charakterisieren. „Mir ist wichtig, dass die Schüler unterschiedliche Seiten von Rap sehen, nicht nur die Gangster-Sprache, sondern auch, dass man das, was einen beschäftigt über verschiedene Facetten ausdrücken kann“, erklärt Strauß. Nabil – oder besser gesagt King47 – gefällt das. „Ich möchte mehr auf gute Reime setzen als auf Beleidigungen“, sagt er. Die 47 steht bei Nabil für die Nummer der Provinz Mardin, der Stadt aus Kurdistan, aus der er kommt.
Idee hinter dem Rap-Workshop: Schüler sollen sich mit Sprache auseinandersetzen
Während Abdullah am Klassen-PC etwas zu Capital Bra googelt, fragt eine Schülerin Strauß: „Was reimt sich auf Anime? Hast du eine Idee?“ „Na da hast du es ja fast schon“, gibt dieser zurück und weist auf den bereits in der Frage enthaltenen Reim hin, gleichwohl der Tatsache, dass Idee auf Anime phonetisch ein unsauberer Reim ist. Vielmehr geht es aber ohnehin um die Motivation, sich mit Sprache auseinanderzusetzen und in die Praxis zu kommen.
Aus der Sicht von Darkwa müsse das nicht zwangsläufig über Rap passieren. Ein Gefühl für die Lebenswelt der Schüler sei wichtig. „Ich bin davon überzeugt, dass ich an einem Modellbauprojekt, wo eine Stadt gebaut wird, viel besser Mathematik erklären kann“, veranschaulicht er. Weniger graue Theorie, mehr Praxis also.
Klassenlehrerin Visan hält das auch für richtig. „Rap ist nicht unbedingt meine Musik, aber Musik war schon in meiner Jugend sehr wichtig. Musik trifft Gefühle und transportiert sehr viel.“ Gerade sei die Theodor-Storm-Grundschule dabei, eine eigene Schul-Hymne zu etablieren. „Die Idee ist, dass ein Teil des Songs gerappt wird“, verrät Visan. Die Experten dafür sitzen in der 6b.
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