Berlin. Die Rechnungshöfe der Länder Berlin und Brandenburg haben in ihrer Prüfung dem Rundfunk Berlin-Brandenburg ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. „Der RBB hat lange über seine Verhältnisse gelebt“, stellte Berlins Rechnungshofpräsidentin Karin Klingen fest. Sehenden Auges habe sich der Sender seit Beginn des Prüfungszeitraums 2017 „zusätzliche Ausgaben geleistet“, ohne dass dem ausreichende Einnahmen gegenübergestanden hätten.
Dennoch habe es lange „keine Einsparentscheidungen“ gegeben und wenn, dann seien solche Maßnahmen „nicht umgesetzt worden“. Erst unter der Interims-Intendantin Katrin Vernau konnte die „mittelfristig drohende Zahlungsunfähigkeit abgewendet werden“, sagte Klingen. Vernau hatte dem Sender für dieses und das kommende Jahr Einsparungen von 49 Millionen Euro verordnet.
Bei Vergaben kein Preisvergleich, keine Leistungsbeschreibung, kein Vier-Augen-Prinzip
Die Prüfungen der Rechnungshöfe sind eine Folge der Affäre um die Ex-Intendantin Patricia Schlesinger und den früheren Chef des Verwaltungsrates Wolf-Dieter Wolf. Teure Privateinladungen, fragwürdige Dienstreisen, eine luxuriöse Ausstattung der Chefetage und die hohen Gehälter der Führungsriege hatten für öffentliche Empörung gesorgt und das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland insgesamt erschüttert.
Die Prüfer haben auch stichprobenartig das Verhalten des RBB auf seine Wirtschaftlichkeit untersucht und dabei gravierende „systemische Mängel“ festgestellt. Sie nahmen 18 Fälle unter die Lupe, bei denen es um Beratungsleistungen unterhalb der Schwelle des EU-Vergaberechts ging. Diese liegt bei 215.000 Euro. Insgesamt wurde in den geprüften Vorgängen zwei Millionen Euro ausgegeben, für die letztlich die Gebührenzahler aufkommen. Der RBB bekommt pro Jahr 435 Millionen Euro aus den Rundfunkgebühren, die jeder bezahlen muss.
Stichprobe zeigte gravierende Mängel. Das deutet auf weitergehende Probleme hin
Leistungen seien „ohne Wettbewerb und ohne Preisvergleich“ vergeben worden, das vorgeschriebene Vier-Augen-Prinzip sei ausgehebelt worden. Die verlangten Leistungen seien „unkonkret“ festgelegt und die Abrechnungen kaum kontrolliert worden, hieß es, Insgesamt gebe es im Sender eine „unzureichende Aktenführung, es fehle ein Finanzcontrolling. „Dass es bei einer so kleinen Stichprobe derart gravierende Mängel“ gezeigt habe, sei der Punkt, der ihr am meisten Sorgen mache, sagte Klingen. Soll heißen: In anderen Bereichen könnte es ähnlich aussehen. Ob es sich um strafrechtlich relevantes Verhalten, also etwa Untreue, handeln könnte, untersucht derzeit die Staatsanwaltschaft.
Auch bei großen Projekten ging es ähnlich lax zu beim RBB. So habe es für die geplante Aufnahme eines Kredits über 185 Millionen Euro für das inzwischen beerdigte Projekt eines digitalen Medienhauses nicht mal eine Modellrechnung mit Zins- und Tilgung gegeben. So seien die finanziellen Folgen des Projektes unklar geblieben. Eine Erklärung der RBB-Spitze will Klingen nicht gelten lassen: „Rundfunkfreiheit bedeutet nicht, dass der RBB in seinem Gesamtverhalten nicht auch wirtschaftlich sein muss“; so die Präsidentin.
Rechnungshöfe: Intendant soll nicht mehr als 180.000 Euro im Jahr bekommen
Neben der allgemeinen Wirtschaftlichkeit hat der Berliner Rechnungshof auch die Gehaltsstruktur der Führung geprüft. Hier dränge sich eine Orientierung am Tarifgefüge des öffentlichen Dienstes auf, weil die Manager anders als in der Privatwirtschaft keinem Wettbewerb ausgesetzt seien und keine Kündigungen zu befürchten hätten. 180.000 Euro für die Intendanz seien demnach angemessen, finden die Rechnungshöfe. Das wäre gut die Hälfte von dem, als was Schlesinger bekommen hat.
Entsprechend niedriger müssten die darunter angesiedelten Direktoren bezahlt werden. Insgesamt seien die Gehälter im RBB zu hoch, wie der Rechnungshof schon 2018 festgestellt hatte. Passiert sei aber seitdem nichts. Sollten die Vorschläge umgesetzt werden, hätte das massive Folgen für die anderen ARD-Anstalten.
Auch die Aufsichtsgremien beim RBB haben ihre Pflichten verletzt
Der Brandenburger Rechnungshof hat sich um die Aufsichtsgremien gekümmert. Auch in Rundfunk- und Verwaltungsrat stellten sie erhebliche Pflichtverletzungen fest. Der für ökonomische und finanzielle Themen zuständige Verwaltungsrat habe zu selten getagt. Den Sitzungen des Rundfunkrates seien viele Mitglieder immer wieder unentschuldigt ferngeblieben. „Es hat an Ernsthaftigkeit und Sorgfalt gefehlt“, sagte der Brandenburger Rechnungshof-Präsident Christoph Weiser.
Für den neuen Rundfunkstaatsvertrag, an dem die Staatskanzlei in Potsdam und die Senatskanzlei in Berlin derzeit arbeiten, schlagen die Prüfer deutliche Änderungen für die Aufsicht vor. „Die Rechte und Pflichten der Aufsicht sollten stärker festgelegt werden“, sagte Weiser. So soll es unterbunden werden, dass wie im Falle Schlesinger die Intendanz von bestimmten internen Regel ausgenommen bleibt.
Politiker in herausgehobener Position wie Saleh sollte nicht in Rundfunkräten sitzen
Das Gremium sollte auch die Abschlussprüfer auswählen. Um das leisten zu können, sollten die Verwaltungsräte aus ihren nur mit einer Aufwandsentschädigung vergüteten Ehrenamt ein Nebenamt machen. Für einen Aufwand von 40 Stunden im Monat sei eine Bezahlung von 2000 oder 3000 Euro monatlich angemessen.
Auch für die Rundfunkräte schlagen die Rechnungshöfe Veränderungen vor. Aus Gründen der Staatsferne sollten keine Personen dort Mitglied sein, die eine „herausgehobene Position in einer politischen Partei bekleiden“. Das gilt in Berlin zum Beispiel für den SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh. Auch das Rundfunkratsmitglied Erik Stohn hätte danach zu seiner Zeit als SPD-Fraktionsvorsitzender im Brandenburger Landtag nicht Mitglied im Rundfunkrat sein können.