Naturschutz

Suche nach Sicherheit für Berlins Kleingärten

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Joachim Fahrun
Bedrohte Kleingärten: Diese Parzellen müssen dem Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke weichen.

Bedrohte Kleingärten: Diese Parzellen müssen dem Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke weichen.

Foto: Reto Klar / FUNKE Foto Services

Alle Parteien sind sich einig: Die Laubenkolonien sind wichtig und sollen erhalten bleiben. Nur wie das gehen soll, ist noch umstritten

Berlin.  So viel Harmonie ist selten zwischen den Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus. Aber wenn es um Kleingärten geht, kennen die Vertreter aller Parteien im Umweltausschuss nur ein Ziel: Die Gärten sollen erhalten bleiben, auch in der Innenstadt. „Wir sind uns einig, dass Kleingärten wichtig sind“, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Julia Schneider. „Wir wollen Kleingärten sichern, weil die Stadt von der zunehmenden Hitze betroffen ist“, sekundierte ihre Kollegin Linda Vierecke. Auch die Linke ist dafür und sogar die AfD, die ja sonst gerne mal Dinge anders sieht als alle anderen.

Danny Freymark (CDU) beschrieb die Aufgabe: „Wir wollen alle die Sicherung der Kleingärten in den Mittelpunkt stellen.“ Wie das geschehen solle, dafür sei er offen, ließ der Umweltexperte der größten Regierungspartei bei einer Anhörung im Umweltausschuss mit Vertretern der Kleingärtner wisse: „Aber wir müssen diese Gespräche bis Ende der Legislatur abschließen.“

Seit 1992 sind in Berlin Tausende Kleingärten verloren gegangen

So ganz trauen die Gartenfreunde dem Frieden aber nicht. Schon frühere Politiker-Generationen hatten den Schutz der Parzellen versprochen. Dennoch gingen seit 1992 12.000 Parzellen und mehr als 500 Hektar Kleingartenfläche verloren, vor allem für Großprojekte und Wohnungsbau, wie Nina Feyh von der Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz sagte. Nur zehn Prozent der landeseigenen Kleingartenflächen genössen wirksamen Schutz: „Das ist unbefriedigend“, so die Ökologin, die den Wert der Kolonien für die Artenvielfalt und das Stadtklima hervorhob. Zudem gelten Kolonieflächen mit weniger als drei Hektar generell als Bauland.

Der Präsident des Landesverbandes der Gartenfreunde, Gert Schoppa, sagte, Berlin erlebe seit 15 Jahren eine Renaissance der Kleingärten, die sich in der Corona-Pandemie verstärkt habe. Derzeit warteten 20.000 Interessenten auf eine der 71.000 Parzellen, von denen 15.000 auf privaten Flächen liegen. Die jährliche Fluktuation läge bei 3.300, entsprechend lang seien die Wartezeiten.

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In neuen Wohnvierteln müssen Kleingärten mitgeplant werden, so die Gartenfreunde

Die Gartenfreunde drängen seit Jahren auf eine verbindliche Vereinbarung für eine dauerhafte Nutzung der Gärten. Das Land müsse sich verpflichten, auf eine Nutzung der Flächen als Bauland zu verzichten, forderte Schoppa, außer für Aufgaben der Daseinsvorsorge wie Schulen, Kitas oder Verkehr. In großen neuen Wohnquartieren sollten Kleingärten mit geplant werden. Zudem solle der Senat über seinen Bodenfonds auch zusätzliche Flächen für die Grünnutzung ankaufen. „Die wachsende Stadt benötigt auch kleingärtnerische Infrastruktur“, sagte der oberste Kleingärtner Berlins. Gemeinsam mit Kleingärten müsse auch über offene „urbane Gärten“ gesprochen werden.

Holger Thymian, Vorstand im Bezirksverband der Kleingärtner in Weißensee, kritisierte, dass Berlins geltender Kleingartensicherungsplan unverbindlich sei. „Hamburgs Innenstadt ist inzwischen kleingartenfrei, sagte Thymian, das sollte in Berlin nicht so kommen. Positiv bewertete er, dass in Berlin inzwischen über Flächen gesprochen werde und nicht um Parzellen.

Ersatzflächen müssen Qualität haben, das müsste im Kleingartensicherungsgesetz stehen

Viele Gärten sind in Berlin aus historischen Gründen ziemlich groß. Nun wird angestrebt, die Parzellen auf maximal 250 Quadratmeter zu begrenzen. Für zugebaute Kleingartenflächen müsse es einen qualitativ gleichwertigen Ersatz geben. Als positives Beispiel nannte Thymian die „hervorragende Kooperation“ zwischen Gärtnern und dem Bezirk Pankow beim Aufbau einer Ersatzanlage für jene Flächen, die dem Ausbau der Kunsthochschule in Weißensee weichen müssen.

Die Gartenfreunde mahnten zunächst ein möglichst einfaches Gesetz zur Sicherung der Flächen an, auf das sich alle verständigen könnten und was nicht mit dem bundesweit geltenden Kleingartengesetz kollidiere. Die CDU hat das Modell einer Stiftung ins Gespräch gebracht, die mit dem Land verhandeln und die Flächen dann an die Vereine weitergeben könnte. Dagegen spricht aus Sicht mancher Abgeordneter, dass die demokratisch legitimierten Politiker dann keinen Einfluss mehr auf das Geschehen hätten. Als ersten Schritt könnten sich die Gärtner auch eine kleinere Lösung vorstellen: „Ändern sie den Flächennutzungsplan“, lautet der Appell an die Abgeordneten. Der Weißenseer Kleingärtner Thymian nannte den Umgang mit den Kleingärten in Berlin die „Nagelprobe, ob wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz“.