Silvester 2022

Urteil zu Silvesterkrawallen: Acht Monate auf Bewährung

| Lesedauer: 4 Minuten
Der 23-jährige Angeklagte ist wegen des tätlichen Angriffs auf einen Vollstreckungsbeamtem und versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden.

Der 23-jährige Angeklagte ist wegen des tätlichen Angriffs auf einen Vollstreckungsbeamtem und versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden.

Foto: Fabian Sommer / dpa

Zum ersten Mal wurde ein Erwachsener wegen des Angriffs auf einen Polizisten an Silvester verurteilt. Warum die Strafe so milde ist.

Berlin.  Seiner Meinung nach sollte mit diesem Urteil lediglich ein Exempel statuiert werden, so der Verteidiger von Nasser W. nach der Entscheidung des vorsitzenden Richters Stephan Markmiller. Auch wenn sich der Fall seines Mandanten eigentlich kaum als sinnvolles Exempel für die teils brutalen Vorkommnisse des 31. Dezember 2022 eigne.

Knapp fünf Monate nach den so genannten Silvesterkrawallen, die vor allem in Berlin zum Jahreswechsel 2023 für Diskussionen und Entsetzen gesorgt hatten, ist der 23-jährige W. am Dienstag vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen des tätlichen Angriffs auf einen Vollstreckungsbeamtem und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Richter Markmiller folgte damit in Gänze dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Angeklagter will Böller nicht mit Absicht geworfen haben

Es ist das erste Urteil gegen einen Erwachsenen, der sich an den Attacken gegen Polizei und Feuerwehrleute beteiligt haben soll. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der junge Mann in der Silvesternacht in Gesundbrunnen absichtlich einen Böller in Richtung eines Polizisten geworfen hat.

Sowohl Richter als auch Staatsanwalt betonten dabei allerdings die Milde der Strafe, die auch damit zusammenhänge, dass der Verurteilte die Tat sofort eingeräumt und sich mehrfach auch noch vor Ort für sie entschuldigt habe.

Dennoch hatte W.’s Verteidiger auf Freispruch plädiert, da sein Mandant den Böller nicht mit Absicht in Richtung des Polizisten, sondern im allgemeinen Silvestertrubel nur gemeinsam mit seiner Familie auf die Straße geworfen habe. Es sei ein Versehen gewesen, dass der Knallkörper sich dann von der Straße zwischen die Beine des Polizisten bewegt habe. „Außer dem subjektiven Empfinden des betroffenen Beamten selbst gibt es keine objektiven Beweise, dass mein Mandant die Polizei gezielt angreifen wollte“, erklärte der Verteidiger.

Zeuge: Der Angeklagte habe „ertappt“ gewirkt

Dem 36-jährigen Polizisten, der am Dienstag auch als Zeuge vernommen wurde, ist bei dem Angriff kein Schaden entstanden. Er konnte den Böller rechtzeitig wegtreten, hieß es. Trotzdem hielt er den Wurf für die Absicht des Angeklagten. Er habe ihm bei dem Stoß in seine Richtung auf Hüfthöhe direkt in die Augen gesehen und W. habe „ertappt“ gewirkt, so der Polizist. Eine Entschuldigung des Angeklagten im Gerichtssaal nahm er nicht an.

Die Staatsanwaltschaft gab indes zwar zu, dass hier letztlich Aussage gegen Aussage stünde. Doch würden allein die Umstände des Wurfs und die Umgebung gegen den Angeklagten sprechen. Die Polizeieinheit des betroffenen Beamten war zu Silvester in W.’s Wohnstraße eingerückt, um einen Funkwagen zu verteidigen, der zuvor von Unbekannten mutmaßlich mit Raketen und Pyrotechnik zerstört worden war.

Staatsanwaltschaft Berlin: Mehr als 110 Ermittlungsverfahren zu Silvesterkrawallen

Der Wagen wiederum war anfangs in die Straße gekommen, um die Feuerwehr bei der Bekämpfung eines Balkonbrandes vor den Feuerwerkskörpern randalierender Partygänger zu schützen. Von mehreren Seiten war die Polizei darauf gezielt beworfen worden – und anderem auch mit Böllern. „In einer solchen Situation wirft man nichts einfach so in diese Richtung“, meinte der Staatsanwalt. Doch blieb die Verteidigung trotz dessen bei ihrem Standpunkt: „Anderswo in der Stadt wurde mit Schreckschusspistolen geschossen, hier ging es um einen harmlosen und verirrten Böllerwurf ohne Auswirkungen.“

An Silvester 2022 war es in vielen deutschen Städten zu Angriffen auf Polizisten und Feuerwehrleute gekommen. Besonders betroffen war Berlin, wo der Staatsanwaltschaft inzwischen mehr als 110 Ermittlungsverfahren vorliegen. Bislang hat sie in 18 Fällen Anklage erhoben. Zudem habe sie sechs Strafbefehle beantragt, zwei davon seien rechtskräftig. Zahlreiche Fälle werden noch von der Polizei bearbeitet. Im Juni und August sind mindestens fünf weitere Prozesse geplant – darunter zwei, die aufgrund des geringen Alters der Täter außerhalb der Öffentlichkeit stattfinden.