Berlin. Lange Zeit, über das Drama vom Vortag nachzudenken, hatte der neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nicht. Erst am späten Abend war er nach Hause gekommen, um zehn Uhr an diesem Morgen ging es schon weiter. Der Senat traf sich zu einer ersten Arbeitssitzung im Roten Rathaus. Ab 11 Uhr begann die Ernennung der Staatssekretäre und die Verabschiedung der aus dem Amt scheidenden Kolleginnen und Kollegen. Er selbst hatte die Amtsübergabe mit Franziska Giffey (SPD) schon unmittelbar nach seiner Wahl am Donnerstagabend vollzogen, kurz bevor Wegner die zehn Senatoren ernannte.
Nach der Ernennung der Staatssekretäre löste sich die Runde im Roten Rathaus schnell auf, und die neuen Verwaltungschefs fuhren mit ihren Staatssekretären an ihre neuen Wirkungsstätten. Dort fanden dann gegen Mittag die jeweiligen Amtsübergaben statt.
Nur in der Innenverwaltung bleibt alles beim Alten
Es habe einen warmen und herzlichen Empfang gegeben, hieß es in der Justizverwaltung im Nordsternhaus in Schöneberg, wo Lena Kreck (Linke) ihre Nachfolgerin Felor Badenberg (CDU) begrüßte und durch das Haus schräg hinter dem Rathaus Schöneberg liegende Gebäude führte. Badenberg wird erfreut sein, arbeitet sie doch künftig in einem der schönsten Senatorinnenbüros der Berliner Verwaltung, zusammen mit den Büros des Regierenden Bürgermeisters und der Innensenatorin Iris Spranger (SPD).
Spranger war am Freitag das einzige Senatsmitglied, das einem regulären Arbeitstag nachging. Sie ist die einzige Senatorin, die ihr Amt behält und wo daher kein Personalkarussell stattfand. Sie widmete sich der Vorbereitung des 1. Mai – traditionell ein Großkampftag für die Sicherheitsbehörden.
Giffey übernimmt von Schwarz
Auch Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) übergab die Wirtschaftsverwaltung an die nun ehemalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Es war kurz nach 13 Uhr, als Franziska Giffey ihren neuen Arbeitsplatz in Schöneberg erreichte. „Melde mich zum Dienst“, sagte sie mit einem Lächeln in Richtung des bisherigen Wirtschaftssenators, der sie vor dem Verwaltungsgebäude an der Martin-Luther-Straße erwartete und mit einer Umarmung begrüßte. Rund 370 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Schwarz sagte, er habe sich mit einem tränenden Auge von ihnen verabschiedet.
Eigentlich habe er für Donnerstagnachmittag, 16 Uhr, Kuchen für die Kolleginnen und Kollegen organisiert gehabt, erzählte der bisherige Senator, der aus persönlichen Gründen sein Amt nicht weiter ausüben wollte. Aber dann kam bekanntermaßen etwas dazwischen: die Wahl des Regierenden Bürgermeisters, die länger dauerte als gedacht. „Da wollte ich dann natürlich dabei sein, bei der Wahl der neuen Regierung, also haben wir das auf Freitag Morgen verschoben. Es war ein Kommen und Gehen und ein sehr herzliches Abschiednehmen“, so Schwarz.
Am Freitagnachmittag hat der 57-Jährige sein Amt offiziell an Giffey übergeben und der SPD-Politikerin ihr neues Dienstzimmer gezeigt – inklusive kleiner, höher liegender Kammern, die sich hinter unscheinbaren Fenstern verstecken. Der frühere Senator Elmar Pieroth (CDU) habe Anekdoten zufolge dort nach anstrengenden Sitzungen seine Nachmittagsschläfchen gehalten, erzählte Schwarz, bevor er mit Giffey prompt über eine schmale Stiege in eine Kammer kletterte.
Zum Einstieg in Giffeys neue Aufgabe gab es am Donnerstagnachmittag zunächst eine Runde mit den Staatssekretären Michael Biel und Severin Fischer, danach noch eine Personalversammlung. Giffey nannte es ihr erstes Anliegen, die Mitarbeitenden der Wirtschaftsverwaltung kennenzulernen und mit den Leuten zu sprechen. „Das habe ich im Rathaus auch so gemacht“, sagte Giffey, die ihr neues Amtszimmer erst einmal nicht verändern will. „Das Büro ist gut, wie es ist, und jetzt fangen wir mal an zu arbeiten.“
Joe Chialo kam bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gut an
Der Amtsübergabe war in den vergangenen Wochen ein Personalgerangel im Hintergrund vorausgegangen. Lange war unklar, welches Senatsressort Giffey im künftigen Senat übernehmen würde. In der Partei wurde sie in Richtung Stadtentwicklung und Bau gedrängt. Schon als Regierungschefin hatte sie ja den Wohnungsbau zur Chefinnensache erklärt. In dem wichtigen Ressort hätte sie zeigen können, wie sie in der neuen Regierungskonstellation das Thema voranbringt.
Gleichzeitig sollte Wirtschaftssenator Schwarz im Amt bleiben, sowohl die SPD, aber auch der neue Koalitionspartner CDU hätten den Quereinsteiger aus der Wirtschaft gern weiter als Senator gesehen. Aber Schwarz entschloss sich nach eineinhalb Jahren zum Rückzug – so dass das Ressort frei für Giffey wurde - und in die weniger konfliktreiche Wirtschaftsverwaltung wechselt.
Etwas später wurde auch in der Kulturverwaltung der Staffelstab von Kultursenator Klaus Lederer (Linke) an Joe Chialo (CDU) übergeben. Lederer richtete sich mit einer kurzen Abschiedsrede an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Chialo stellte sich und die beiden neuen Staatssekretärinnen der Belegschaft vor. Der erste Eindruck vom neuen Amtschef, so hört man, sei exzellent. Der Musikmanager aus Spandau hinterließ einen guten Eindruck.
Erster öffentlicher Termin für Wegner
Nach der Ernennung der Staatssekretäre gab es für Wegner einen kurzen Moment des Innehaltens. Erst um 15 Uhr stand sein erster Amtstermin außerhalb des Abgeordnetenhauses und des Roten Rathauses statt. Er hielt ein Grußwort auf dem Israeltag der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg auf dem Wittenbergplatz in Charlottenburg-Wilmersdorf.
Mit Regierender Bürgermeister angesprochen zu werden, ist für den Neuen im Roten Rathaus noch aufregend. „Als ob so ein Blitz durch den Körper geht.“ Eine Stunde später, er hat gerade seinen ersten öffentlichen Auftritt absolviert, klingt das schon anders: „Ich muss mich noch ein bisschen daran gewöhnen, aber es fühlt sich verdammt gut an.“
Sein erster öffentlicher Auftritt führt ihn zur Geburtstagsfeier für Israel auf dem Wittenbergplatz, 75 Jahre sind seit der Staatsgründung vergangen, die Deutsch-Israelische Gesellschaft Berlin und Brandenburg macht sie auf dem Wittenbergplatz. Kai Wegner macht keinen Hehl daraus, dass er sich besonders darüber gefreut hat, dass die Feier der Unabhängigkeitserklärung Israels für ihn ein ganz besonderer Termin ist. Die Existenz Israels sei unverhandelbar. Jüdisches Leben in Berlin sei ein großes Geschenk und auch eine große Verpflichtung – auch für ihn.
Am Abend empfing Wegner Gewerkschafter
In der Zwischenzeit begrüßte auch die ehemalige Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) ihre Nachfolgerin Manja Schreiner (CDU) in ihrem Amtssitz. Beide sprachen zwei Stunden lang, die formelle Amtsübergabe erfolgt dann am Dienstag.
Am frühen Abend ging es für Wegner dann zurück ins Rote Rathaus. Traditionell veranstaltet der Regierende Bürgermeister oder die Regierende Bürgermeisterin vor dem 1. Mai einen Arbeitnehmerempfang. Wegner wird Gewerkschaftsvertreter und Betriebsräte aus den Berliner Unternehmen in seinem neuen Amtssitz begrüßen. Beide Termine hat Wegner noch von seiner Vorgängerin geerbt.