Berlin. Ein großes Arsenal an Protest-Aktionen hatte die Klimaschutzgruppe angekündigt. Schon am Morgen stoppte die Polizei Aktivisten.
Mitglieder der Klimaschutz-Gruppe Extinction Rebellion (XR) haben mit einem Zug vom Invalidenpark zum Brandenburger Tor am Donnerstagnachmittag in Berlin gegen Umweltzerstörung demonstriert. Aktivisten drangen dabei in das Hotel Adlon ein und entrollten ein Transparent aus den oberen Etagen des Luxushotels. Auf Deutsch übersetzt stand dort: „Wir können uns die Superreichen nicht leisten.“
Bereits am Morgen waren Fenster von Konzernen, Parteien und Lobby-Organisationen mit Kunstöl beschmiert worden. In den kommenden Tagen können weitere angemeldete und unangemeldete Aktionen für Behinderungen in der Hauptstadt sorgen. Geplant ist unter anderem eine Fahrrad-Demonstration am Sonnabend über die Avus.
Zuvor zogen nach vorläufigen Polizeiangaben knapp 300 Teilnehmer verkleidet als Superreiche in Anzug und mit schwerem CO2-Koffer, flankiert von der Fossilindustrie-Lobby mit Dino-Masken und gefolgt von „Fußvolk“ mit Schaufel und Besen durch Berlin. Extinction Rebellion wollte mit dem kapitalismuskritischen Protestzug den starken Einfluss des reichsten Prozents der Weltbevölkerung verdeutlichen.
„Wir wollen die Ernsthaftigkeit der Lage unterstreichen und die Superreichen aufwecken“, sagte Kristina Preuß von der Klimaschutz-Gruppe. „Es gibt keinen Planeten B! Es ist an der Zeit, dass auch die Superreichen das erkennen und für die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zur Rechenschaft gezogen werden. Wir wollen ihnen sagen: Wir haben euch im Auge!“

Bei Aktionen des zivilen Ungehorsams kam es laut Polizei zu mehr als 60 „freiheitsbeschränkenden Maßnahmen“, unter anderem wegen Sachbeschädigung. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte, alle Proteste, die sich im Rahmen von Meinungs- und Versammlungsfreiheit bewegten, würden gestützt und nötigenfalls auch geschützt.

„Blinde Schädigungswut, Nötigungen, Gefährdungen anderer verlassen aber diesen Rahmen, den wir uns als Gesellschaft gegeben haben“, sagte die Senatorin. „Wird diese Grenze überschritten, wird der Rechtsstaat sich dem entschlossen entgegenstellen.“ Bei dem Ziel, mehr Klimaschutz umzusetzen, sei man sich einig. Der gewählte Weg der Aktivisten dorthin sei aber falsch und führe keinen Schritt näher an das eigentliche Ziel.
Bereits am frühen Morgen hatten Mitglieder von Extinction Rebellion unter anderem die Fenster des Firmensitzes von Coca-Cola in Friedrichshain mit Kunstöl beschmiert und Plakate aufgehängt. Die Aktion richtet sich gegen Firmen, die die „Lebensgrundlagen der Menschheit“ zerstört, behauptete eine Teilnehmerin. Der Konzern sei mitverantwortlich für ein riesiges Plastikmüllaufkommen in den Meeren und die weltweite Privatisierung von Grundwasser, hieß es aus dem Aktivistenkreis.

Die Aktionen bildeten den Startschuss zu einer Reihe von Protesten in Berlin, die die Klimaaktivisten in den nächsten Tagen unter dem Titel „Frühlings-Rebellion“ geplant haben. Nach eigenen Angaben, um die Regierenden dadurch zu mehr Tempo im Kampf gegen die globale Erwärmung anzutreiben und speziell auf das Artensterben hinzuweisen. Bürgerinnen und Bürger müssen sich demnach auch am Freitag, Sonnabend und Sonntag auf weitere Störungen im Verkehr einstellen.
Offiziell setzt sich das Demonstrationsprogramm am Sonnabend fort. Extinction Rebellion plant zuerst eine Fahrrad-Demo. Startpunkt ist um 9 Uhr die Glienicker Brücke, um 11 Uhr wollen die Aktivisten am Bahnhof Wannsee sein, von wo aus sie über die Avus zum Funkturm fahren (gegen 12 Uhr) und von dort weiter zur Bayer-Zentrale in Wedding. Treffpunkt dort ist um 13 Uhr für eine gemeinsame Demonstration zum Thema „Notstand Biodiversität“ gemeinsam mit Greenpeace und dem Naturschutzbund Nabu vor der Bayer-Zentrale. Von dort geht es zu Fuß zum Sitz des Bundesumweltministeriums in der Stresemannstraße.

"Extinction Rebellion" verkündet Startschuss für "Frühlings-Rebellion"
„Wir versuchen, die Menschen abzuholen“, sagte Aktivisten-Sprecher Florian Zander bereits im Vorfeld. Nötig sei Protestvielfalt, und dafür gebe es seiner Auffassung nach auch Verständnis. Das „störende Element“ solle zum Nachdenken anregen. Nächste Woche will dann ab Mittwoch, 19. April, die Gruppe Letzte Generation nachlegen. „Wir kommen nach Berlin, bringen die Stadt zum Stillstand, um die Regierung zum Aufbruch zu bewegen“, schreibt die Gruppe auf ihrer Webseite.

Mit Blick auf Straßenblockaden von Klimaaktivisten will die Berliner FDP den Weg zu Schadenersatz erleichtern. Am Donnerstag wurde die Partei selbst Opfer der Kunstöl-Aktion. „Wir brauchen unverzüglich eine zentrale Plattform bei der Innenverwaltung, damit Geschädigte ihre Ansprüche wegen einer Blockade – zum Beispiel wegen Arbeitszeitausfall, Betreuungsmehrkosten oder Ertragseinbußen – zentral anmelden können“, erklärte der Berliner FDP-Generalsekretär Lars Lindemann am Donnerstag. Diese Ansprüche könnten ähnlich wie bei Fluggastrechten gegen Gebühr an Anwälte abgetreten und durchgesetzt werden.
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