Mitten in der Krise

Technologiepark Adlershof: Rekordwachstum bei Beschäftigten

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Joachim Fahrun
 Science at Work, Wissenschaft bei der Arbeit, steht in großen Lettern vor dem Technologiepark Adlershof. In Adlershof. Der Technologiepark in Berlins Südosten verzeichnete 2022 ein Rekordwachstum.

Science at Work, Wissenschaft bei der Arbeit, steht in großen Lettern vor dem Technologiepark Adlershof. In Adlershof. Der Technologiepark in Berlins Südosten verzeichnete 2022 ein Rekordwachstum.

Foto: Annette Riedl / dpa

Deutschlands größter Technologiepark im Südosten Berlins verzeichnet mitten in der Krise ein Rekordwachstum bei den Beschäftigten.

Berlin. 14 Prozent plus bei der Mitarbeiterzahl, 13 Prozent mehr Umsatz und Budgets: Wachstumszahlen wie in Berlins wichtigstem Wissenschafts- und Technologiepark in Adlershof gibt es inzwischen nicht mal mehr in China. „Dass auch das Personal sich so stark entwickelt hat, zeigt, dass es sich nicht nur um Inflationswachstum handelt“, sagte Ronald Sillmann, Chef der landeseigenen Standortmanagement-Gesellschaft Wista am Montag bei der Präsentation der Zahlen für 2022.

3500 zusätzliche Beschäftigte sorgen dafür, dass inzwischen 28.000 Menschen im eigentlichen Technologiepark, der benachbarten Medienstadt und bei den im Gebiet ansässigen Dienstleistern tätig sind. „Die Unternehmen haben es geschafft, die vielen neuen Stellen auch zu besetzen“, hob Sillmann hervor, „obwohl sie mehr dafür tun müssen als vor fünf Jahren.“

Seit Jahren ist Adlerhof einer der dynamischsten Standorte in Berlin

Spannender als das Wachstum an einem der seit Jahren dynamischsten Berliner Standorte für Wissenschaft, High-Tech-Wirtschaft und Medienindustrie sei ohnehin die Frage, wie diese Entwicklung gemanagt werde, findet Sillmann. Es gelinge den Firmen und Instituten trotz der überall hohen Nachfrage nach Talenten, die besonders technikaffinen Leute anzuziehen. Es gebe eben Arbeitsfelder, die ließen sich neben Adlershof nur an ganz wenigen Orten der Welt bearbeiten.

„Wir haben hier die beste digitale Infrastruktur im Umkreis von 1000 Kilometern“, sagt Sillmann unter Bezug auf das 5-G-Campus-Netz, das viele Internet-Anwendungen in Echtzeit möglich macht. Und Adlershof gelinge es zudem, die so genannten „impact-orientierten“ Menschen zu gewinnen. Also solche jungen Leute, denen es bei ihrer Arbeit weniger ums große Geld gehe als um die Möglichkeit, wirklich eine Veränderung oder einen Fortschritt zu erzielen. Weil mittlerweile die Qualität des Standortes durch neue Restaurants, Cafés, Spas und andere Dienstleister zugenommen habe, ließen sich die Beschäftigten auch halten, wenn sie älter würden, so der Befund des obersten Standortmanagers.

Technologiepark möchte sich noch stärker der Lösung großer Weltprobleme widmen

Diese inhaltsgetriebenen Menschen möchte die Wista noch stärker an den Standort binden. Man plant den Aufbau eines Grand Challenges Zentrums für 100 Millionen Euro, wo interdisziplinär die wichtigsten Zukunftsfragen des Planeten bearbeitet werden sollen. Der Bau wird aktuell noch geplant, aber das Konzept, verschiedene Akteure zu vernetzen, werde bereits jetzt angegangen. Mit Arbeitspsychologen bereits auf anderen Flächen getestet, wie man eine fruchtbare Zusammenarbeit am besten organisieren kann.

Dass die meisten Unternehmen so gut durch die Krise kommen, liege an den besonderen Profilen. Viele stellten hochtechnisierte Spezialprodukte her, auf die die Kunden auf der ganzen Welt angewiesen seien. Sie griffen dabei auf Vorprodukte aus ihren Netzwerken in der Region zurück und seien deshalb weniger anfällig für die weltweiten Lieferketten-Probleme in der Folge von Corona und dem Ukraine-Krieg. „Wir setzen hier stark auf regionale Wertschöpfungsketten“, sagte Sillmann.

Die Firmen sind nicht auf maximale Effizienz getrimmt und deshalb sehr flexibel

In Adlershof sei kaum ein Unternehmen auf maximale Effizienz getrimmt, statt Just-in-Time-Lieferung hätten viele eben noch echte Lagerbestände. Die daraus entstehende Flexibilität habe es manchen Firmen ermöglicht, an neue Kunden heranzukommen, deren alte Lieferanten ausgefallen seien. Zudem seien viele Forscher und Entwickler in den wichtigen globalen Themen Erneuerbare Energien und Bio-Tech unterwegs, die von den aktuellen Krisen sogar profitiert hätten.

Als Highlights des abgelaufenen Jahres gelte die Entscheidung von Siemens Mobility, sich in Adlershof anzusiedeln. Auch der Erfolg der Firma Home Power Solutions, das mit einer Kombination aus Solarzellen und Wasserstoffspeichern Sonnenenergie rund ums Jahr zum Heizen von Gebäuden zur Verfügung stellt, wird genannt sowie der Weltrekord beim Wirkungsgrad von Solarzellen mit 32 Prozent, der Forschern des Helmholtz-Zentrums gelungen ist.

Ein großes Thema für Firmen, Institute und Standortmanager ist die Frage, wie sich der Trend zum Homeoffice mit dem Geist des Technologieparks verhält. Denn in Adlershof ist der persönliche Austausch, das auch zufällige Aufspüren gemeinsamer Ideen und Ansätze, Teil der DNA. Die Gründerzentren und anderen Gebäude sind so konzipiert, dass sich die Menschen dort begegnen können. Zwar müssen viele Entwickler in ihre Labors kommen und auch das 5-G-Campus-Netz ist eben von zu Hause aus nicht nutzbar. Aber dennoch bedroht die Vereinzelung im Homeoffice die Innovationsfähigkeit. „Neue Ideen werden nicht in Videokonferenzen entwickelt“, ist Standortmanager Sillmann überzeugt.

Die Ressource Büroraum soll in Adlershof intensiver genutzt werden

Dass so viele zusätzliche Jobs in Adlershof entstanden sind und die Menschen untergebracht werden konnten, ohne dass auf dem Campus ein neues Hochhaus entstanden wäre, liegt auch an den neuen Arbeitsformen. Die Wista ist bestrebt, in den von ihr betrieben Zentren Büros und Besprechungsräume auch alternierend zu vermieten. Montags an die eine, Dienstags an die andere Firma.

So könnte die im Regelfall nur zu zehn Prozent der Zeit belegte „Ressource Büroraum“ intensiver genutzt werden. „Wir haben weiterhin kaum Leerstand in unseren Zentren und sind dabei, in den Gebäuden zu verdichten, ohne die Attraktivität der Arbeitsplätze zu mindern“, beschreibt der Wista-Chef die Aufgabe. Denn er weiß: Wenn das Ambiente nicht stimmt, kehren die Menschen ihren Arbeitgebern inzwischen eher den Rücken und wandern ab. Auch aus Adlershof.

Hälfte der Firmen erwartet 2023 bessere Geschäfte, nur jede zehnte befürchtet ein Minus

Dabei gibt es keine Anzeichen, dass die Entwicklung von Berlins ökonomischem Motor abbrechen könnte. Die Hälfte der Unternehmen rechnet für 2023 mit besseren Geschäften, 41 Prozent gehen von gleichbleibenden Umsätzen aus. Nur knapp jede zehnte der mehr als 1000 Firmen rechnet mit einer Verschlechterung der eigenen Lage. Das freut den Wirtschaftssenator: „Adlershof ist ein exzellentes Beispiel für Berlins wirtschaftlichen Erfolg“, sagte Stephan Schwarz (parteilos, für SPD). Hier werde „die Power“ sichtbar, die aus der Verzahnung von wissenschaftlichen Einrichtungen und Wirtschaft entstehe. „Hier sehen wir, wie der Transfer von Forschung in innovative Produkte gelingt und aus Wissen Weltmarkführer werden. Zukunftsorte wie Adlershof sind die wesentlichen Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung in Berlin und der ganzen Metropolregion“, so Schwarz.