Berlin. Bei dem Berliner Start-up Cellbricks geht es um Zellbausteine, um menschliches Gewebe – und vor allem um Technik. Um Biotechnologie, oder anders formuliert: um Tech-Bio. Maschinenbauingenieur Joachim von Arnim ist motiviert und selbstbewusst: Mit ihrer weltweit patentierten Technik will seine junge Firma „die Welt revolutionieren“, so der 36-Jährige. Können er und seine Kollegen aus Berlin-Mitte eines Tages einmal menschliche Organe wie etwa Leber, Niere oder Bauchspeicheldrüse mit einem 3D-Drucker herstellen? Das ist die Vision, genannt 3D-Bioprinting. Auf jeden Fall sind sie heute schon erfolgreich darin, menschliches Gewebe zu replizieren.
„Wenn wir die Chance dazu haben, müssen wir es versuchen“, sagte von Arnim beim Unternehmertreffen des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), zu dem der Verein in Kooperation mit der Berliner Morgenpost eingeladen hatte. Morgenpost-Redakteurin Jessica Hanack moderierte den Talk im Ludwig-Erhard-Haus an der Fasanenstraße. Klar ist: Die Technik ist höchstspannend, doch es ist noch ein langer Weg bis zu einer möglichen kompletten Organ-Herstellung per 3D-Drucker. Aber von Arnim und die Co-Chefs Lutz Kloke und Alexander Leutner arbeiten daran in ihrer Firma, die es seit 2016 gibt und die mittlerweile 25 Mitarbeiter zählt – ein wachsendes und interdisziplinäres Team, vor allem bestehend aus „Biotech-Enthusiasten, Wissenschaftlern, Ingenieuren, Chemikern“, so von Arnim.
Forschungskooperationen mit Charité, TU Berlin und Bayer
Ihre Arbeit besteht darin, im 3D-Druckverfahren Implantate aus echten Zellen zu produzieren. Von Arnim ist überzeugt: „3D-Bioprinting ist eine Schlüsseltechnologie zur Lösung einer Vielzahl medizinischer Herausforderungen.“ 3D-gedruckte Zellstrukturen, die menschliche Gewebe und Organe simulieren, würden die Arzneimittelentwicklung und die Grundlagenforschung verändern, erklärte er. „Wir stellen diese Technologie bereits Forschern und Biologen zur Verfügung und machen die Herstellung physiologischer Gewebe einfach und zugänglich.“ Mit hochrangigen Institutionen hat Cellbricks Forschungskooperationen im Bereich der Biofabrikationstechnologie geschlossen – zu nennen ist allen voran die Berliner Charité, oder auch die Technische Universität Berlin (TU) und der Pharmakonzern Bayer.
Das Start-up will im 3D-Druckverfahren Implantate aus echten Zellen produzieren. Mit ihrer Vision hat das Cellbricks-Team vor Kurzem den ersten Platz beim Digitalpreis „The Spark“ belegt. Die Jury bezeichnete das Verfahren bei der Preisverleihung als einen „Quantensprung in der Medizin“. Es geht dabei um nichts weniger als einen Milliardenmarkt. Wie die Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“ berichtete, lag im Jahr 2021 das Marktvolumen für Bioprinting bei 1,7 Milliarden US-Dollar – bis 2030 soll es auf über fünf Milliarden US-Dollar ansteigen, habe das US-Marktforschungsinstitut Grand View Research prognostiziert.
Dass die Reproduktion von Zellen mittels Druckverfahren klappt, hat das Team in ersten Forschungsprojekten bewiesen. Mit Wissenschaftlern des Berlin Institute of Health in der Charité hat das Start-up etwa einen biologischen Wundverschluss gedruckt: Aus Gelatine und Hautzellen stellte der Drucker ein Pflaster her, das auch großflächige Wunden verschließt.
Biologische Brustimplantate in den menschlichen Körper einsetzen
Aktuell beschäftigt sich Cellbricks viel mit Brustgewebe, mit medizinischem Brustersatz. Das kann für Krebspatientinnen wichtig sein. Jede achte Frau in Deutschland erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Neben Chemo- und Strahlentherapie wird der Tumor oft per Operation entfernt, manchmal entnehmen die Ärzte die gesamte Brust. Meistens werden zur Rekonstruktion der Brust dann Implantate aus Silikon eingesetzt. Doch das muss nach einigen Jahren ausgetauscht werden. „Die Lösungen, die es gibt, sind weit davon entfernt, gut zu sein“, so von Arnim. Cellbricks will das Verfahren in den kommenden Jahren so weit entwickeln, dass biologische Brustimplantate in den menschlichen Körper eingesetzt werden können.
Cellbricks ist eine Ausgründung der TU Berlin, die Idee entwickelte Gründer Lutz Kloke – er ist Pharmazeut – während seiner Doktorarbeit, die schließlich in der Gründung des Start-ups gipfelte. Es gebe nur ein paar Tausend Leute weltweit, die lebendes Gewebe drucken, sagte von Arnim. In Deutschland seien es eine Handvoll. „Noch sind wir klein“, sagte er über Cellbricks. „Aber wir wollen einen europäischen Champion bauen.“