Berlin. Die Grafik sieht aus wie Querschnitt durch ein Hochgebirge. Lange lag der Preis für Erdgas bei rund 20 Euro pro Megawattstunde, ehe er Ende 2021 die 50-Euro-Marke überschritt und zur kalten Weihnacht fast die 150 Euro erreichte. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wuchs der Gipfel auf über 300 Euro. Seitdem geht es stetig abwärts und zwar sowohl für die Preise, mit denen Energieversorger die Mengen für das kommende Jahr einkaufen als auch für solche, die für sofortigen Bezug von Gas fällig werden. Inzwischen ist die 50-Euro-Marke wieder erreicht.
Gasag-Chef Georg Friedrichs erklärte am Dienstag anhand dieser verrückten Kurve die Herausforderungen, vor denen sein Unternehmen als Grundversorger in den letzten Monaten gestanden hat. Denn die Gasag muss Gas und die damit verbundene Wärme an alle liefern, auch wenn sie keinen eigenen Liefervertrag mit einem Versorger abgeschlossen haben. Nicht zu kaufen, weil die Preise zu hoch sind, war also keine Option. „Unsere Beschaffungsstrategien haben sich geändert“, sagte Friedrichs: „Wir haben uns an volatile Märkte angepasst. Aber Grundversorger sind da weiterhin in einem Dilemma: Wir müssen irgendwann kaufen, um die Versorgung unserer Kunden sicherzustellen. Die Gasag zockt auch künftig nicht.“
Zum 1. Mai sinken die Gaspreise der Gasag – nach vier Erhöhungen in Folge
Letztlich mündeten die Bemühungen in die erste Preissenkung zum 1. Mai nach vier Erhöhungen in Folge. Denn die Gasag-Einkäufer um Beschaffungs-Chef Sascha Bühring schlugen für einen Großteil der für 2023 benötigten Mengen erst dann zu, als die Preise auf dem Rückzug waren. Das ist einigermaßen gelungen, so dass die Gasag jetzt für ihre halbe Million Kunden, was rund einer Million Menschen in der Region entspricht, die Preise auf unter 12 Cent pro Kilowattstunde senken kann. Die Gaspreisbremse spielt also künftig keine Rolle mehr für die Kunden in der Grundversorgung. Die Gasag versprach aber, auch die Preise für die Bestandskunden mit zeitlich festgelegten Tarifen entsprechend zu reduzieren.
Bewohner einer Durchschnittswohnung in der Grundversorgung sparen so bei einem Arbeitspreis von 11,8 Cent 220 Euro pro Jahr gegenüber dem durch die Gaspreisbremse der Bundesregierung bereits abgesenkten Niveau. 1519 Euro werden inklusive des konstanten Grundpreises von 8,56 Euro bei einem Jahresverbrauch von 12.000 Kilowattstunden fällig.
Kunden sparen je nach Verbrauch zwischen 200 und mehr als 400 Euro pro Jahr
Wer im eigenen Haus 20.000 Kilowattstunden Gas für Heizung und Warmwasser verfeuert, muss bei höherem Grundpreis von 13,91 mit Kosten von 2441 Euro rechnen, 434 Euro weniger als unter den bisherigen Bedingungen inklusive der Gaspreisbremse. „Wir reden jetzt über die Preise der kommenden Heizsaison“, sagte der Gasag-Chef: „Mit Blick auf den nächsten Winter können wir mit einem Teil der beschafften Mengen auf niedrigere Preise zurückgreifen.“
Neben den stark schwankenden Einkaufspreisen für den Brennstoff machte auch der bisweilen hektische Kampf der Bundesregierung gegen die Energiepreisexplosion den Versorgern zu schaffen. Im Monatsrhythmus wurden neue Gesetze und Verordnungen erlassen, die sich auf die Preise auswirkten. Manchmal war der Inhalt der Informationsbriefe an Hunderttausende Kunden über Preiserhöhungen, die sechs Wochen vor dem Termin versandt werden müssen, schon überholt, als die Schreiben die Menschen erreichten.
Die Gsasag versichert, dass in den Endabrechnungen niemand zu viel bezahlen wird
Eine 150-köpfige Taskforce war bei der Gasag beschäftigt, um die stets wechselnden Informationen in Tarifkalkulationen einzuhegen und Abschlagszahlungen zu berechnen. 1800 Personen-Tage wurden eingesetzt, 400.000 Euro für externe Software-Spezialisten ausgegeben. Gleichzeitig schwoll die Zahl der Nachfragen der Kunden auf das doppelte auf bis zu 5000 pro Tag an, die Wartezeiten in der Telefon-Hotline stiegen auf unverträgliche 38 Minuten im Durchschnitt an.
Dafür baten die Manager um Verständnis. „Wir werden alle Kunden korrekt abrechnen“, versicherte Vertriebs-Vorstand Matthias Trunk: „Auch wenn gerade nicht alle Abschläge nachvollziehbar sind, versprechen wir, das für die Endabrechnung so sortiert zu haben, dass am Ende niemand zu viel bezahlt.“
Für die nächste Zeit zeigten sich die Manager vorsichtig optimistisch, dass sich der Gaspreis in etwa auf dem derzeitigen Niveau einpendelt, was für 2024 zu weiteren Preissenkungen für die Kunden führen könnte. Weil aber mehr Flüssiggas benötigt werde, hänge Deutschland stärker an den Weltmarktpreisen, die sich etwa auch an der Nachfrage aus Asien herausbilde.