Datenerhebung

Folgen der autofreien Friedrichstraße werden untersucht

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Norman Börner
Fußgänger auf der Friedrichstraße.

Fußgänger auf der Friedrichstraße.

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE Foto Services

Ein Unternehmen vergleicht Passantenzahlen auf Einkaufsstraßen. So schlägt sich die Friedrichstraße im Vergleich mit Kudamm und Co.

Berlin.  Das auf die digitale Messung von Passantenfrequenzen spezialisierte Kölner Unternehmen hystreet.com hat erstmals auch Daten zur autofreien Friedrichstraße erhoben. So wurden im Februar in der Friedrichstraße rund 317.000 Passanten gemessen. Zum Vergleich: Die Tauentzienstraße (West) verzeichnete im selben Zeitraum 1,04 Millionen Besucher. Auf der Südseite des Kurfürstendamms wurden im Februar knapp 429.823 Besucher gezählt. Auf der Nordseite des Luxusboulevards waren es 272.629 Menschen.

Neu sind auch die Sensoren an der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg sowie am Hackeschen Markt in Mitte. Am Hackeschen Markt waren laut der Zählung im Februar 560.636 Besucher unterwegs. Die Wilmersdorfer Straße springt mit knapp 865.000 gemessenen Passanten im Februar auf Anhieb auf den zweiten Platz und zählt damit zu den am stärksten frequentierten Einkaufslagen in Berlin. Das ist insofern bemerkenswert, da im Zusammenhang mit der ältesten Fußgängerzone Berlins zuletzt vor allem über den geplanten Abriss des Karstadtgebäudes, Brachflächen und die Zukunft der Einkaufsstraße diskutiert wurde.

Friedrichstraße eher Verkehrsknotenpunkt statt Einkaufsstraße

Allerdings stellen die Datenspezialisten auch fest: Die Standorte Hackescher Markt, Friedrichstraße und Wilmersdorfer Straße sind von montags bis sonnabends recht gleichmäßig stark besucht. Die typische Spitzenfrequenz am Sonnabend, in der Regel der mit Abstand am besten besuchte Tag, wie zum Beispiel an der Tauentzienstraße, zeigt sich nicht. Das spreche dafür, dass es sich um Nahversorgungsstandorte oder Verkehrsknotenpunkte handelt, die gleichmäßig stark von der Bevölkerung frequentiert werden.

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In der Friedrichstraße zeigt sich sogar, dass die Sonnabende im Februar nach den Sonntagen die Tage mit den jeweils wenigsten Passanten auf der Straße darstellten. Die Autoren der Studie sehen darin allerdings noch keinen Hinweis darauf, dass die Fußgängerzone in der Friedrichstraße gescheitert sei. Hystreet-Geschäftsführer Nico Schröder verweist mit Blick auf die Auswirkungen verkehrlicher Maßnahmen auf eine neuere Untersuchung in der Kölner Einkaufsmeile Ehrenstraße. Dort habe man mit Hilfe der erhobenen Daten einen deutlich positiven Effekt der Verkehrsberuhigung auf die Besucherfrequenz nachgewiesen.

Einzelhandelsverband: Politik hätte früher valide Datenbasis in Auftrag geben müssen

Für Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Berliner Einzelhandelsverbandes, sind solche Passanten-Daten, die es zum Teil auch von anderen Anbietern gibt, überaus wertvoll, um beispielsweise die Auswirkungen der autofreien Friedrichstraße auf den Einzelhandel methodisch zu untersuchen. „Allerdings wäre es die Aufgabe der Politik gewesen, vor dem ersten Verkehrsversuch in der Friedrichstraße valide Ausgangsdaten zu liefern.“ Es wäre leicht gewesen, diese selbst über einen längeren Zeitraum zu erfassen.

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Das Unternehmen Hystreet teilt mit, es messe die Passanten mit einem fest installierten Laserscanner, der rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, mit 99-prozentiger Genauigkeit zählen könnte. Ihre Daten seien „exakt und unangreifbar“ und könnten in den kommenden Monaten eine objektive und sachliche Bewertung der verkehrsberuhigenden Maßnahme möglich machen. „Wie sich die autofreie Zone auf der Friedrichstraße in Berlin auf Dauer auswirkt, werden wir genau analysieren“, sagt Hystreet-Geschäftsführer Nico Schröder.

Mehr Passanten auf Tauentzienstraße, Kudamm und Rosenthaler Straße unterwegs

In der Vergangenheit war immer wieder darauf verwiesen worden, dass sich die Friedrichstraße nach den Lockdowns in der Pandemie schlechter erholt hatte als andere Einkaufsstraßen. Insgesamt zeigt sich, dass sich die Passantenfrequenz gegenüber dem Februar 2022 in den meisten Einkaufsstraßen verbessert hat. Die Tauentzienstraße (West) verzeichnete vergangenes Jahr 801.903 Besucher und knackte in diesem Jahr wieder die Millionenmarke. Die Rosenthaler Straße steigerte sich von 552.092 auf 747.904 Passanten.

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„Wir merken auch, dass die Frequenzen wieder angezogen haben“, sagt Einzelhandelverbandschef Busch-Petersen. Aber das sei zu erwarten gewesen, da es im vergangenen Jahr zu diesem Zeitpunkt noch Corona-Einschränkungen gab. Die Zahlen seien zwar ein starkes Indiz für die Erholung, dennoch seien die Umsätze der Einzelhändler immer noch weit vom Vor-Corona-Niveau entfernt. Für die Friedrichstraße erhoffe er sich vom neuen Senat, eine größere Bürgerbeteiligung sowie eine stärker auf Fakten ausgerichtete Diskussion. Aber Berlins historische Mitte bräuchte ein größeres Konzept als nur eine auf 500 Metern autofreie Straße.