Berlin-Wahl 2023

CDU sagt Ja zur SPD: „Eine Koalition der Vernunft“

| Lesedauer: 8 Minuten
Glückwunsch vom letzten Regierenden Bürgermeister der CDU: Eberhard Diepgen (l.) gratuliert Spitzenkandidat Kai Wegner.

Glückwunsch vom letzten Regierenden Bürgermeister der CDU: Eberhard Diepgen (l.) gratuliert Spitzenkandidat Kai Wegner.

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE Foto Services

Seit etwa sechs Jahren wird Berlin von einer Koalition aus SPD, Grünen und Linken regiert. Nun steht ein Wechsel bevor.

  • CDU und SPD verhandeln nach der Berlin-Wahl 2023 über eine Große Koalition.
  • Der Koalitionsvertrag soll bis Ende März ausgearbeitet sein.
  • Mit Kai Wegner bekommt Berlin einen neuen Bürgermeister. Franziska Giffey erklärte ihre Bereitschaft, in der neuen Landesregierung als Senatorin zu arbeiten.

Berlin. CDU und SPD wollen in Berlin über die Bildung einer gemeinsamen Regierung verhandeln. Nach dem SPD-Landesvorstand sprach sich am Donnerstag auch die CDU für entsprechende Gespräche aus. Der Landesvorstand votierte einstimmig dafür, wie ein CDU-Sprecher am Donnerstag mitteilte. Damit deutet sich in der seit 2016 von SPD, Grünen und Linken regierten Hauptstadt ein Machtwechsel an, obwohl auch das bisherige Dreierbündnis im neuen Parlament eine Mehrheit hätte. Einen Regierungschef in Berlin stellte die CDU zuletzt mit Eberhard Diepgen, der von 1984 bis 1989 und von 1991 bis 2001 amtierte.

Die Koalitionsverhandlungen sollen nächste Woche bereits aufgenommen werden. Am Montag sei geplant, die Arbeitsgruppen für die Verhandlungen einzusetzen. In den Tagen darauf werde die Dachgruppe mit dem Spitzenvertretern der Parteien zum ersten Mal zusammenkommen und das weitere Prozedere beraten.

„Wir haben uns einen sehr straffen Zeitrahmen gesetzt. Wir haben gesagt, wir wollen in vier Wochen fertig sein“, sagte der CDU-Landeschef Kai Wegner im Fernsehsender „Welt“. „Also Ende März soll der Koalitionsvertrag stehen.“ Dann folge die Mitgliederbefragung der SPD zu den Vereinbarungen. Aus Wegners Sicht ist es realistisch, dass der Senat Ende April oder Anfang Mai starten könne. Lesen Sie dazu auch: Wie die Posten im neuen Senat verteilt werden könnten

Kai Wegner sieht mehr Schnittmengen mit SPD als mit Grünen

Wegner bedankte sich bei den Sondierungspartnern, für "gute, offene und vertrauensvolle" Gespräche. Dabei wurden zwischen seiner Partei und den Grünen jedoch große Gräben festgestellt. "Wir haben ein neues Verhältnis und Vertrauen zwischen der CDU und den Grünen aufgebaut." Deutlich mehr Schnittmengen gebe es jedoch mit der SPD. Der Grund für seine Überzeugung: "Wir wollen eine Koalition, die auf Vernunft basiert."

Auf den Widerstand der Jusos angesprochen entgegnete Wegner: "Das ist ihr gutes Recht." Wichtig sei ihm, dass die Koalition auf Augenhöhe miteinander umgehe und Streit nicht auf offener Bühne austrägt - ein Seitenhieb gegen die zerstrittene und bisherige Rot-Grün-Rote-Koalition.

Kai Wegner: "Berlin soll an allen Stellen wieder funktionieren"

Der CDU-Landesvorsitzende machte deutlich, welche Themen ihm wichtig sind. „Wir haben eine ganz klare Prämisse. Wir wollen, dass Berlin Berlin bleibt. Aber Berlin an allen Stellen wieder funktioniert“, so Wegner. „Wir wollen nicht, dass Berlin sich tagtäglich neu erfindet, sondern dass wir dafür sorgen, dass die Basics in unserer Stadt wirklich funktionieren.“

Wichtig seien eine funktionierende Verwaltung, eine sichere und saubere Stadt und eine gut ausgestattete Polizei, die jene Unterstützung bekommen, die sie brauche. Wegner kündigte zudem Lösungen an, um dem „Mietennotstand“ Herr zu werden. Der Mieterschutz müsse auf neue Beine gestellt werden.

„Wir wollen den Wohnungsneubau voranbringen und das Angebot hochfahren“, so Wegner. In der Mobilitätspolitik sei das Ziel, die Interessen von Radfahrern, Fußgängern, ÖPNV-Nutzern und Autofahrern gleichermaßen zu berücksichtigen. Ein weiterer Schwerpunkt werde der Klimaschutz sein. Beim Thema Klimaschutz soll es laut Wegner einen "neuen Schub" geben. "Wir wollen in den nächsten drei Jahren schnell zu Ergebnissen kommen", sagte der CDU-Chef mit Blick auf den Rest der Legislatur-Periode.

Er stellte aber auch klar: Als Regierender Bürgermeister will er nicht nur mit der SPD, sondern auch mit allen "demokratischen Parteien" zusammenarbeiten, um beispielsweise die Verwaltungsreform durchzusetzen.

Franziska Giffey: Gleichberechtigte Partnerschaft in Koalition mit CDU

Ungeachtet der deutlichen Niederlage ihrer Partei strebt die SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey eine gleichberechtigte Partnerschaft in einer möglichen Koalition mit der CDU an. "Wenn man eine Landesregierung mit zwei Partnern führt, ist es wichtig, dass man es schafft, auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten", sagte Giffey dem "Tagesspiegel". Die Signale seien so.

Von einem schwarz-roten Bündnis verspricht sich die noch amtierende Regierende Bürgermeisterin Giffey in Zukunft Fortschritte in den Bereichen Wohnungsbau, funktionierende Stadt, Verkehrspolitik und innere Sicherheit. „Wir haben sehr ernsthaft abgewogen, mit welchem Partner das am besten gelingen kann“, sagte Giffey. „Und wir haben festgestellt, dass die Aussichten auf Umsetzung mit der CDU besser sind.“ Giffey zeigte in dem Interview Verständnis für Widerstände in ihrer eigenen Partei gegen ein schwarz-rotes Bündnis. Sie sei aber überzeugt, dass man mit der CDU mehr umsetzen könne als mit Grünen und Linken.

Kritik aus der CDU an Koalitionsverhandlungen mit der SPD

Aus den Reihen der CDU gibt es Kritik an den Plänen für Koalitionsverhandlungen mit der SPD. „Ich werbe ausdrücklich für eine progressive Koalition zwischen CDU und Grünen“, sagte Christian Gräff dem "Tagesspiegel". Der Wirtschaftsexperte der CDU-Fraktion wies darauf hin, dass in vielen Ämtern und Verwaltungen seit Jahren sozialdemokratische Funktionäre das Sagen hätten – auch weil die SPD in Berlin seit der Wiedervereinigung ununterbrochen am Senat beteiligt gewesen sei. „Die Stadt braucht neue Ideen, frischen Wind“, sagte Gräff. „Die Berliner SPD muss sich in der Opposition erneuern. Sie ist in Berlin vorerst nicht regierungsfähig.“

„Allein angesichts der anstehenden Neuwahl in den Bezirken zeigt sich doch, dass wir in der Union auf den Subsidiaritätsgedanken setzen: Was man an der Basis – also in den Bezirken – lösen kann, sollte man auch dort lösen“, sagte Gräff, der auch Landesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Berlin (MIT) ist. „Eine Verwaltungsmodernisierung nach diesem Prinzip ist mit der Berliner SPD aber nicht zu machen.“ Die SPD stehe für eine inflexible, zentralistische Verwaltungsführung.

Sondierungsgesprächen: CDU traf sich mehrmals mit SPD und Grünen

Die CDU hatte die Wiederholungswahl am 12. Februar mit 28,2 Prozent gewonnen. SPD und Grüne bekamen beide 18,4 Prozent. Die Sozialdemokraten haben mit 53 Stimmen nur einen hauchdünnen Vorsprung vor den Grünen. Sie schnitten so schlecht ab wie noch nie bei einer Abgeordnetenhauswahl. Die Linke kam auf 12,2 Prozent, die AfD auf 9,1. Die FDP flog mit 4,6 Prozent aus dem Parlament.

Seit 17. Februar hatten die Parteien in Sondierungsgesprächen ausgelotet, ob es eine gemeinsame Basis für Koalitionsverhandlungen und für eine Regierungsbildung gibt. Die CDU sprach je dreimal mit SPD und Grünen. SPD, Grüne und Linke kamen ebenfalls dreimal zusammen.

Die SPD-Landesvorsitzende Giffey hatte den Schwenk von Rot-Grün-Rot zur CDU unter anderem mit „Respekt vor dem Wahlergebnis“ begründet. Mit den bisherigen Partnern Grüne und Linke sei kein Neubeginn möglich. Sollte Schwarz-Rot klappen, müsste die erst seit Dezember 2021 als Regierungschefin amtierende Giffey das Rathaus verlassen. Sie hat ihre Bereitschaft erklärt, in der neuen Landesregierung als Senatorin zu arbeiten.

Berlin-Wahl 2021 wurde für ungültig erklärt

Die Wahl am 26. September 2021 hatte der Berliner Verfassungsgerichtshof wegen „schwerer systemischer Mängel“ und zahlreicher Wahlfehler für ungültig erklärt. Das Gericht ordnete eine komplette Wiederholung an. An der Dauer der fünfjährigen Legislaturperiode ändert sich nichts. Sie endet also 2026.

( aro/JP/dpa )