Berlin. Die Oppositionsparteien sehen in der Herabsetzung der Tagessätze für arme Menschen eine Schwächung des Rechtsstaats. Es werde „auf unzulässige Weise in die richterliche Unabhängigkeit eingegriffen“, so der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus Alexander Herrmann. Die Pläne seien „haarsträubend“ und „skandalös“.
Hintergrund ist eine bereits im Dezember von Generalstaatsanwältin Margarete Koppers angekündigte Verfügung. Die Staatsanwaltschaft soll demnach für Personen, deren Einkommen am Existenzminimum liegt, nicht mehr Tagessätze von 15 sondern nur noch von fünf Euro beantragen.
Die Gesamtgeldstrafe bemisst sich nach Tagessätzen. Während sich die Zahl im Wesentlichen an der Schwere des Vergehens bemisst, ist für die Höhe das Nettoeinkommen maßgeblich. Würden die bei 15 Euro liegen, sei das für viele Menschen bereits jetzt nicht leistbar, sagte Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) am Dienstag.
Kreck: Folge zu oft eine Ersatzfreiheitsstrafe
Die Höhe der Tagessätze bemisst sich am Nettoeinkommen. Wird ein Angeklagter zu 30 Tagessätze verurteilt, soll das einem Monatseinkommen entsprechen. Bei 15 Euro würde eine Gesamtstrafe von 450 Euro herauskommen. Bei einem Bürgergeld von 500 Euro würde der oder die Verurteilte mit dem Rest „von knapp 50 Euro nicht über den Monat kommen“, so Kreck weiter. „Die Folge ist zu oft eine Ersatzfreiheitsstrafe.“
Kreck verwies darauf, dass man den Urteilen nicht vorgreifen wolle. „Die Staatsanwaltschaft beantragt eine Strafe, am Ende entscheiden die Gerichte.“ Diese würden bereits jetzt nicht zwingend der Auffassung der der Anklagebehörde folgen.
Kritiker wie Unionspolitiker Herrmann sehen den Eingriff mittelbar über die Strafbefehle. Dieses Instrument soll Arbeit erleichtern, sodass nicht bei jeder Bagatelle zwangsweise eine Gerichtsverfahren eröffnet werden muss, was bei der schieren Zahl etwa der Ladendiebstähle oder Verkehrsvergehen schlechterdings nicht möglich wäre. Stattdessen macht die Staatsanwaltschaft einen Vorschlag, dem das Gericht in der Regel folgt. Künftig gelte es also, Tagessätze von fünf Euro zu akzeptieren oder eine Verhandlung zu eröffnen.
Straftäter können in Berlin „mildere Folgen“ erwarten
„Gleichzeitig wird damit ein fatales Signal für diese Straftäter gesetzt, dass sie in Berlin mildere Folgen erwarten können als in anderen Bundesländern“, so Herrmann weiter. Von einem „falschen Schwerpunkt“ spricht auch der Berliner FDP-Generalsekretär Lars Lindemann. „Anstatt sich endlich um einen funktionierenden Rechtsstaat zu kümmern, wurden hier eher punktuelle Lieblingsprojekte von Rot-Grün-Rot forciert.“
Dadurch werde die Präventivwirkung stark herabgesetzt, so Lindemann weiter. „Um endlich die Kriminalität der Stadt in den Griff zu bekommen, muss Berlin Gesetze auch umsetzen und nicht an ihnen herumdoktern, bis sie für jeden erträglich sind.“
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