- In Berlin fand heute eine Friedens-Demo statt. Die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Feministin Alice Schwarzer hatten dazu aufgerufen.
- Die Polizei sprach von 13.000 Teilnehmern.
- In der Nähe der Kundgebung gab es auch Gegen-Demos.
- Offenbar waren auch viele AfD-Mitglieder vor Ort.
Berlin. Am Brandenburger Tor in Berlin haben sich am Samstag mehrere Tausend Menschen zu einer Kundgebung für Verhandlungen mit Russland im Ukraine-Krieg versammelt. Zu der Demonstration hatten die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer aufgerufen.
Die Polizei, die mit 1400 Kräften im Einsatz war, hatte für die Demo Beschränkungen erlassen. "Insbesondere ist das Tragen von militärischen Uniformen, Abzeichen, St-Georgs-Bändern, den Buchstaben Z & V und anderen kriegsverherrlichenden Symboliken untersagt", teilte die Polizei auf Twitter mit. Die Veranstalterinnen und Veranstalter der Demo hatten im Vorfeld darum gebeten, auf das Mitbringen von Parteifahnen und Nationalfahnen jeder Art zu verzichten.
Demo in Berlin: Polizei spricht von 13.000 Teilnehmern
Die Zahl der Teilnehmer bei der Kundgebung wurde von der Polizei auf mindestens 13.000 geschätzt. Das sagte ein Sprecher am Samstag. Eine Sprecherin der Veranstalter sprach unterdessen von rund 50.000 Teilnehmern, es seien sehr viele Menschen gekommen.
"Es ist bereits sehr voll auf dem Platz des 18. März und es strömen weiter Menschen zur Kundgebung", twitterte die Polizei am frühen Nachmittag. Die Züge an den Bahnhöfen Brandenburger Tor und Unter den Linden fuhren ohne Halt durch. Das betraf die Linien S1, S2, S25 und S26 sowie die U-Bahn-Linie U5.
Außerdem baute die Polizei in Höhe des Hotels Adlon ein Gitter zwischen der Straße Unter den Linden und dem Pariser Platz auf. Demo-Teilnehmer sollten um das Brandenburger Tor herum gehen, um zum Kundgebungsplatz "Platz des 18. März" zu gelangen. Es gab hitzige Debatten. Ein Mann von etwa 60 Jahren wurde an der Sperre festgenommen. Er soll Beamte beleidigt haben, berichtete ein Morgenpost-Reporter.
Polizei Berlin: Kleinere Handgreiflichkeiten am Rande der Kundgebung
Es habe am Rande der Veranstaltung am Brandenburger Tor kleinere Handgreiflichkeiten gegeben, erklärte ein Polizeisprecher. Zudem lieferte sich laut Polizei eine Gruppe linker Gegendemonstranten eine lautstarke Auseinandersetzung mit dem Herausgeber des „Compact-Magazins“, Jürgen Elsässer. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft das Magazin als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung ein.
Nach den Rede-Beiträgen u.a. von Wagenknecht und Schwarzer löste sich die Demo gegen 16 Uhr auf. Die Polizei erklärte auf Twitter nach dem Ende der Kundgebung, diese sei störungsfrei verlaufen. Gegenüber der US-Botschaft standen einige Dutzend Gegendemonstranten - geschützt von Polizisten. Sie wendeten sich gegen den „Putin-Faschismus“, der nicht siegen dürfe.
Auch zahlreiche AfD-Mitglieder sollen laut Parteiangaben bei der Demo vor Ort gewesen sein. Auch der AfD-Landesvorsitzende aus Sachsen, Jörg Urban, sei zu der Veranstaltung am Brandenburger Tor gekommen, schrieb die Bundespartei am Samstag auf Twitter. Dazu postete sie ein Foto von Urban mit einem Schild mit einer Friedenstaube. „Ein Jahr nach Beginn des Krieges brauchen wir endlich ernsthafte Bemühungen um Friedensverhandlungen statt noch mehr Eskalation!“, schrieb die AfD mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Es sei alarmierend, dass man inzwischen diskreditiert und als Verräter beschimpft werde, wenn man sich für den Frieden einsetzte.
Die Polizei hatte unterdessen keine Kenntnisse von Teilnehmern aus dem rechtsextremen Spektrum. Ein Polizei-Sprecher konnte am Samstag nach Ende der Kundgebung auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur lediglich bestätigen, dass sich Menschen aus dem rechten Spektrum unter die Teilnehmer gemischt hätten.
Augenzeugen hatten während der Kundgebung mehrere Anhänger rechter Gruppierungen gesichtet. Die Polizei berichtete, dass sich eine Gruppe linker Gegendemonstranten eine lautstarke Auseinandersetzung mit dem Herausgeber des „Compact-Magazins“, Jürgen Elsässer, geliefert habe. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft das Magazin als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung ein.
Berlin-Mitte: Russische Fahne am Panzer-Mahnmal
Bereits kurz vor Start der Kundgebung war es zu einem Vorfall vor der russischen Botschaft an der Straße Unter den Linden gekommen. An dem Panzer-Mahnmal hängten zwei Demonstranten eine russische Fahne an den Panzer-Turm. „Nehmt die Fahne runter“, riefen einige. Ein Polizist kletterte hoch, holte die Demonstranten und die Russen-Fahne herunter. „Faschisten“, schimpften einige Leute in der Menge.
- Demo in Berlin: Rechte Gruppen bewerben Schwarzer-Wagenknecht-Kundgebung
- Wagenknecht und Schwarzer starten "Manifest für Frieden"
- "Wollen nur Unfrieden stiften": Kabarettist Schröder kritisiert Wagenknecht und Schwarzer
Das fordern Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht
Mit der Kundgebung wollten Wagenknecht und Schwarzer ihre Forderungen zum Umgang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine untermauern. Sie hatten vor zwei Wochen ein „Manifest für Frieden“ veröffentlicht, in dem sie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auffordern, „die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen“.
Die Frauenrechtlerin und die Linken-Politikerin riefen darin zu einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen mit Russland auf. Kritiker hatten Wagenknecht und Schwarzer vorgeworfen, ihr Text sei „naiv“.
Umstrittene Friedens-Demo in Berlin: Viel Kritik aus der Politik
Außerdem wurde Wagenknecht und Schwarzer im Vorfeld vorgehalten, sich bei ihrem Friedensmanifest und dem Protesttag nicht eindeutig gegen Rechts und die AfD abzugrenzen. Deswegen hat auch die Parteispitze der Linken den Aufruf zur Demonstration kritisiert. So hatte etwa AfD-Chef Tino Chrupalla das Manifest unterzeichnet, an der Kundgebung in Berlin wolle er aber nicht teilnehmen, hieß es.
Das Bundesinnenministerium beobachtet eigenen Angaben zufolge verstärkte Mobilisierungsversuche von Extremisten infolge des Kriegs. „Rechtsextremisten gelingt es immer wieder, Versammlungen, die von einem heterogenen Spektrum besucht werden, sichtbar zu beeinflussen“, erklärte das Ministerium.
Robert Habeck kritisiert die Demonstration
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kritisierte die Demonstration. „Jeder, der bei Sinnen und Verstand ist, wünscht sich Frieden“, sagte der Bundeswirtschaftsminister in einem ARD-„Brennpunkt“. Wagenknecht und die ihr folgenden Leute wollten aber etwas als Frieden verkaufen, das ein „imperialistischer Diktator“ Europa aufzwinge. Wenn sich das durchsetze, wäre das eine Einladung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, die nächsten Länder zu überfallen.
Auch Olaf Scholz hatte gesagt, er teile die Überzeugung des Manifestes nicht. Man müsse verstehen, „dass der russische Präsident gegenwärtig nur eine Form von Verhandlungen akzeptiert, nämlich dass irgendjemand bedingungslos kapituliert und er alle seine Ziele durchsetzt“, sagte der Kanzler in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“.
Alice Schwarzer sagte dazu: „Wir sind also auf dem besten Weg, eine richtige Bürgerbewegung zu werden. Da überrascht und enttäuscht es mich doch sehr, dass der Kanzler nicht mehr sagt, als dass ihn der Appell nicht überzeugt.“ Eigentlich schätze sie Scholz, insbesondere seine vorsichtige Haltung im Ukraine-Krieg. Umso mehr erstaune es sie, dass er die Bedenken so vieler Menschen offenbar nicht ernst nehme. „Es geht hier um das Überleben der Menschheit“, sagte Schwarzer. „Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat gesagt, wir gingen mit offenen Augen in den Weltkrieg.“
Linke-Parteichefin Janine Wissler: „Da hat der Aufruf eine Leerstelle“
Wie Habeck und Scholz grenzten sich die Linke und führende Politiker von SPD ebenfalls ab. Linke-Parteichefin Janine Wissler kritisierte den Aufruf zur Veranstaltung. Der Umgang mit der Mobilisierung in rechten Kreisen mache ihr Sorgen. „Da hat der Aufruf eine Leerstelle“, sagte Wissler unserer Redaktion.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sagte der „Rheinischen Post“: „Die Sichtweise von Frau Wagenknecht ist nicht meine.“ Es wäre aus seiner Sicht gut gewesen, wenn der Aufruf eine stärkere Abgrenzung gegenüber radikalen Strömungen gehabt hätte. Mützenich sagte aber auch, man müsse anerkennen, dass Teile der Bevölkerung eine noch stärkere Orientierung auf Friedensgespräche wünsche.
„Putins Aggression verharmlosen, Waffenlieferungen ablehnen. Keine Hilfen - nur Forderungen nach diplomatischen Lösungen“, schrieb der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf Twitter. Der Protestaktion müsse man „deutlich entgegnen: Wer der Ukraine nicht zur Seite steht, steht auf der falschen Seite der Geschichte“.
Alice Schwarzer bestreitet mangelnde Abgrenzung gegen Rechte
Unterdessen wies Schwarzer den Vorwurf einer unzureichenden Abgrenzung gegenüber Rechtsextremen zurück. „Selbstverständlich werden wir gegen jede Art von rechtsextremer Propaganda auf dem Platz angehen“, versicherte die Frauenrechtlerin. Sowohl Wagenknecht als auch sie stünden für das Gegenteil von rechter Politik. Sie engagierten sich für soziale Gerechtigkeit, für Frieden und gegen Gewalt.
Die 80 Jahre alte Herausgeberin des Magazins „Emma“ bestritt auch, dass sie generell gegen Waffenlieferungen an die Ukraine sei. „Die Waffenlieferungen müssen aber einhergehen mit diplomatischen Bemühungen“, betonte sie. „Selbst führende Militärs sagen, dass wir eine Pattsituation haben und dieser Krieg von keiner Seite klar zu gewinnen sein wird. Dann ist es doch ein Gebot der Menschlichkeit, den Krieg nicht immer weiter zu verlängern.“ Es stimme absolut nicht, dass Sahra Wagenknecht und sie eine Kapitulation der Ukraine in Kauf nehmen wollten. „Aber nach einem Jahr Tod und Zerstörung frage ich auch: Was hält uns davon ab, jetzt schon Verhandlungen zu beginnen anstatt noch drei Jahre damit zu warten?“
Gysi fordert sofortigen Waffenstillstand und Diplomatie
Der Linke-Politiker Gregor Gysi forderte einen sofortigen Waffenstillstand. Jeder weitere Tag Krieg koste Menschen das Leben, sagte Gysi in einem Interview im Deutschlandfunk. „Und deshalb sind wir eben für einen sofortigen Waffenstillstand.“ Das bedeute aber nicht, dass man etwa den russischen Forderungen nachgeben wolle. „Wir müssen raus aus der Kriegslogik, rein in Verhandlungen und Gespräche.“
Mit Blick auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin sagte Gysi, er glaube, dass dieser mitmachen werde. „Weil ihm klar geworden ist: Die ganze Ukraine kriegt er nicht - das kann er einfach vergessen. Das lässt der Westen niemals zu. Es wird eine souveräne Ukraine geben.“ (mit dpa)
Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt
- Historie: Liegt der Grund für den Ukraine-Krieg in der Geschichte?
- Putins Ziele: Warum Russland die Ukraine angegriffen hat
- Präsident: Wolodymyr Selenskyj ist Putins Feind Nr. 1
- Verteidigungsbündnis: Die Nato einfach erklärt – Warum sie für Putin ein Ärgernis ist