Berlin. Das Land will Kraftwerke und Leitungen von Vattenfall erwerben und bietet parallel dazu auch an, den Anteil der Gasag zu kaufen.
Ungeachtet aller Kritik der Opposition an den Rekommunalisierungsplänen in der Berliner Energieversorgung schafft der rot-grün-rote Senat einen Monat vor den Wahlen Fakten. Die Senatswirtschaftsverwaltung habe beim schwedischen Energiekonzern Vattenfall offiziell Interesse bekundet, das in den 1990er Jahren privatisierte Berliner Fernwärmesystem mit seinen elf Heizkraftwerken und 2000 Kilometer Rohrleitungen zu übernehmen. Ein entsprechendes Schreiben ist vergangene Woche an Vattenfall verschickt worden, wie die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) in einem Nebensatz während der SPD-Fraktionsklausur in Nauen bestätigte.
In dem kurzen Brief wird kein Preisangebot unterbreitet. Das Land hat aber sein Konzept für die Zukunft des Fernwärmenetz dargestellt, das für 1,3 Millionen Kunden in der Stadt für warme Räume sorgt. Berlin plant einen Ausstieg aus den nach wie vor dominierten fossilen Energieträgern Erdgas und Steinkohle und einen Umbau hin zu erneuerbaren Energien wie etwa grünen Wasserstoff, großen Wärmepumpen, Geothermie und Power-to-Heat, wo aus zeitweise überschüssigen Ökostrom Wasser erhitzt wird.
Senat möchte als Mehrheitseigentümer den Umbau der Energieversorgung koordinieren
Der Senat strebt zudem eine gemeinsame Koordination mit dem bereits rekommunalisierten Stromnetz und dem Gasnetz an. Dazu bietet Berlin Vattenfall an, gemeinsam mit seinen industriellen Partnern Eon und Engie auch die Mehrheit am Berliner Gasversorger Gasag zu übernehmen, an dem die Schweden knapp ein Drittel halten. Die Gasag steht zwar offiziell noch nicht zum Verkauf und Vattenfall hat stets verneint, das Thema Gasag mit der Fernwärme vermengen zu wollen. Aus Sicht des Landes handelt es sich um eine Art Zusatzangebot.
Aber für den Senat ist eine Integration wichtig, um ohne jeweilige Eigeninteressen der Konzerne entscheiden zu können, wie die Wärmeversorgung in einzelnen Stadtteilen am sinnvollsten gestaltet wird. Gegebenenfalls bietet es sich an, in einigen Kiezen etwa das Gasnetz zurückzubauen und durch Fernwärme zu ersetzen oder dezentrale Lösungen zu schaffen.
Die Konzerne Eon und Engie sind als Partner des Landes mit an Bord
Vattenfall hatte im Mai vergangenen Jahres angekündigt, einen Verkauf der Fernwärme prüfen zu wollen. Dahinter sehen Kenner der Energiebranche den Versuch, den eigenen CO2-Fußabdruck zu verringern. Außerdem brächte ein Verkauf Geld, das in den Ausbau etwa von Windparks auf See gesteckt werden könnte. Wie viel das Fernwärmenetz angesichts der aktuellen Turbulenzen auf den Energiemärkten und den erheblichen Investitionsnotwendigkeiten wert ist, gilt als schwer einzuschätzen. In Berlin geht man von weniger als einer Milliarde Euro aus, hinzu kämen die Kosten für die Mehrheit an der Gasag.
Im Dezember hatte Vattenfall mitgeteilt, das Verkaufsverfahren offiziell eröffnet zu haben. Dem Vernehmen nach haben die Schweden rund 40 potenzielle Interessenten angeschrieben. Es wird damit gerechnet, dass sich aus diesem Kreis vier bis fünf für eine genauere Prüfung qualifizieren. Im Senat ist man optimistisch, dass es sich private Investoren zweimal überlegen, ob sie wirklich gegen das Land, das in vielen Zukunftsfragen Planungs- und Genehmigungsbehörde ist, auf einen Bieterwettstreit um die Fernwärme einlassen. Das nötige Know-how für eine Bewertung des Netzes einen späteren Betrieb hat sich Berlin durch die Partnerschaft mit Eon und dem französischen Konzern Engie gesichert.