Wirtschaft

Was die Unternehmensverbände für das Jahr 2023 erwarten

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Den „Tesla-Effekt“ nennen die UVB als einen der Gründe, warum Brandenburg in den Prognosen seit langer Zeit mal wieder vor Berlin liegt (Archivbild).

Den „Tesla-Effekt“ nennen die UVB als einen der Gründe, warum Brandenburg in den Prognosen seit langer Zeit mal wieder vor Berlin liegt (Archivbild).

Foto: Patrick Pleul / dpa

Wird es dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum geben? Diese Prognose geben die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg.

Berlin.  Wegen der Inflation und der Krise in Folge des Ukrainekrieges erwarten die Unternehmen in Berlin und Brandenburg für das Jahr 2023 kaum ein Wirtschaftswachstum. „Es wird kein einfaches Jahr“, betont Christian Amsinck, der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) gleich mehrfach bei dem Pressegespräch zum Jahresauftakt am Mittwoch.

Der Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 sei eine Zäsur gewesen, infolgedessen ein enormes Volumen an Geld bewegt worden sei, um die Folgen abzufedern. Dies hätte Wirkung gezeigt. Dennoch hat die Industrie in Folge des Krieges und der Krise mit der Stornierung von Aufträgen zu kämpfen und auf dem Bau zeichnen sich die Auswirkungen noch deutlicher ab, so der Hauptgeschäftsführer. Die steigenden Baupreise hätten zu einem massiven Auftragseinbruch von zeitweise minus 45 Prozent geführt. Neben dem Zinsniveau sei dies mit Problemen bei der Materialverfügbarkeit und der politischen Diskussion zu der Enteignungsthematik begründbar.

Der Handel stehe vergleichsweise gut da. Dies führt Amsinck auf den Schutz des privaten Konsums durch die Politik zurück. „Das Weihnachtsgeschäft 2022 war besser als erwartet“, so Amsinck. Auch die Zahlen im Tourismus stiegen weiter und nähern sich dem Vor-Corona-Niveau an.

Wirtschaftswachstum: Brandenburg liegt in den Prognosen vor Berlin

Während Berlin im kommenden Jahr nicht über eine Stagnation herauskommen wird, rechnen die UVB mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent in Brandenburg. Dort hätte Tesla für einen Wachstumsschub gesorgt. „Tesla hat Brandenburg verändert“, betont der Hauptgeschäftsführer. Bei den UVB spricht man von dem sogenannten „Tesla-Effekt“ der zur Folge hätte, dass sich vermehrt Zulieferer aus der E-Mobilität in Brandenburg ansiedeln und weitere Investitionen getätigt würden. Tesla selbst hat 8500 neue Arbeitsplätze abgewickelt und ist der größte Industriearbeitgeber und Ausbildungsbetrieb in Brandenburg, so Amsinck. Hinzu kommt der Aufwind, welchen der Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) erfährt. Dass Brandenburg in Bezug auf das Wirtschaftswachstum vor Berlin liegt, sei das letzte Mal 2014 und in den 1990er-Jahren nach der Wiedervereinigung der Fall gewesen.

Auf Grund des demografischen Wandels erwartet die UVB für 2023, dass, so wie im letzten Jahr, sich die Konjunktur vom Arbeitsmarkt entkoppelt. „Selbst in schwierigen Zeiten bauen die Firmen kaum noch stellen ab. Der Mangel an Arbeits- und Fachkräften ist zu einem ihrer größten Probleme geworden.“ Unternehmen hätten aktuell einen Wiederbesetzungswert freier Stellen von 127 Tagen in Berlin und von 203 Tagen in Brandenburg. „Der Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel ist ein Thema, dass großer Aufmerksamkeit bedarf,“ betont Amsinck. Für 2023 erwartet man 25.000 zusätzliche Arbeitsplätze für Berlin und 10.000 zusätzliche für Brandenburg.

Kritik an Kippings Ausbildungsumlage

Den Lösungsvorschlag der Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Katja Kipping (Die Linke) kritisiert die UVB jedoch scharf. „Wir finden es sehr ärgerlich, dass Katja Kipping in dieser Phase die Eckpunkte ihrer Ausbildungsumlage vorgestellt hat, die deutlich über das bisher Gehörte hinausgeht; die Firmen deutlich stärker treffen würden“, so Amsinck. Die Ausbildungsumlage sieht vor, dass alle Berliner Unternehmen in einen Fonds einzahlen, aus dem Mittel an Ausbildungsunternehmen pro Auszubildenden ausgezahlt werden.

Oft scheitere es jedoch nicht am Willen der Unternehmen auszubilden, sondern am Fehlen passender Bewerber. Unternehmen dafür zu bestrafen, sei ungerecht. Außerdem richtet sich die Umlage gegen Berlins Start-Up-Szene und Firmen aus Forschung und Hightech, die keine klassischen Ausbildungsbetriebe sind, sondern hauptsächlich den Nachwuchs aus dem akademischen Bereich rekrutieren, so Amsinck. Ein weiterer Kritikpunkt der UVB ist, dass neben Soloselbständigen öffentliche Unternehmen von der Umlage ausgeschlossen sind.

Die Abgabe ist teuer für die Firmen und greift deren Liquidität an, so Amsinck. Die vorgesehen 0,47 Prozent Abgabe würden dazu führen, dass bis zu 230 Millionen Euro in Umlauf kämen. Dies wiederum bringe einen großen bürokratischen Aufwand mit sich. Die UVB sieht die Lösung wo anders: „Der Schlüssel für einen guten Berufsweg liegt in der Schule“, betont Amsinck und fordert eine frühere Berufsbildung schon ab der siebten Klasse.

UVB: Volksentscheid Klimaneutralität sei Irreführung der Bevölkerung

Die Berliner Grünen kritisiert Amsinck für ihre Haltung zum Thema Enteignung. „Mit dem Instrument Enteignung spielt man nicht“, so der Hauptgeschäftsführer der UVB. Er erinnert daran, dass sich Bettina Jarasch in der Vergangenheit für die Umsetzung des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ ausgesprochen hat. „Die inhaltliche Ausrichtung der Berliner Grünen unterscheidet sich deutlich von der auf Bundesebene oder anderer Länder“, sagt Amsinck.

Als eine Irreführung der Berlinerinnen und Berliner bezeichnen die UVB den Volksentscheid Klimaneutralität 2023. „Die Ziele des Volksentscheids sind unrealistisch“, so der Hauptgeschäftsführer. Klimaneutralität 2030 sei schlicht nicht erreichbar. Noch heute sei 91 Prozent der Berliner Energie fossil. Hochrechnungen der UVB zur Folge bräuchte es unter anderem eine Verfünffachung der E-Auto-Ladesäulen und das Tempo der Sanierung von Gebäuden müsste sich verzehnfachen, um die Ziele zu erreichen. „Wir müssen den Klimaschutz vorantreiben, dürfen aber nicht den Wohlstand und Arbeitsplätze aufs Spiel setzen“, fordert Amsinck.

Wenn die Weichen richtig gestellt werden, sieht Amsinck die Krise als Chance. Wichtige Kräfte sind die Hochschulen, in Hinblick auf den Arbeitsmarkt, die Start-Up-Szene und der Tourismus, betont der Hauptgeschäftsführer. Doch: „Wir können nicht die großen Veränderungen im letzten Jahr ausblenden“, sagt Amsinck. Der neue Koalitionsvertrag müsse an die finanziellen und sonstigen veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden.

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