Berlin. Nach drei Jahren coronabedingter Pause findet am Wochenende des 28. Mai 2023 der Karneval der Kulturen wieder statt. Zum 25. Mal sollen am Pfingstwochenende die bunten Umzugswagen rollen, die Künstlerinnen und Künstler durch die Straßen von Kreuzberg ziehen. „Nach einem Vierteljahrhundert kann man von einer Tradition sprechen“, findet Geraldine Hepp aus dem Leitungsteam des Karnevals der Kulturen.
Allerdings hat sich einiges geändert seitdem der Karneval zum letzten Mal stattgefunden hat. „Die größte Veränderung besteht darin, dass wir sparen müssen“, sagt Hepp. Die Kosten im Veranstaltungswesen seien um 40 Prozent gestiegen. Dies sei zum einen mit der Inflation und zum anderen mit dem Fachkräftemangel, besonders im Sicherheits- und Produktionsbereich, zu erklären.
Der Umzug wird auf Höhe Mehringdamm beginnen
Um Kosten einzusparen wird, anders als gewohnt, der diesjährige Umzug nicht in der Yorkstraße, Ecke Großbeerenstraße beginnen, sondern auf Höhe Mehringdamm. Von dort aus soll der Zug, wie üblich, über die Gneisenaustraße und die Hasenheide führen und am Hermannplatz enden. „Wir freuen uns, dass wir überhaupt auf die Straße zurückkommen können“, betont Hepp.
Durch die Streckenkürzung will das Leitungsteam die Produktions- und Sicherheitskosten minimieren. Doch Hepp versichert, dass trotz der Streckenkürzung der Umzug den ganzen Nachmittag über dauern wird, von Mittag bis abends 19 Uhr, sodass die Schausteller genügend Zeit haben ihre Kunst zu präsentieren.
Begrenzungen bei Schaustellergruppen
Durch die angepasste Route verändere sich der Aufstellungsbereich der Künstler. Er befindet sich für die kommende Parade zwischen Mehringdamm und Zossener Straße. Die Größe des Aufstellungsbereichs wiederum sei entscheidend, wie viele Schausteller teilnehmen können. Laut Hepp gibt es aktuell noch keine endgültigen Zahlen, wie viele Künstlergruppen zugelassen werden können. „Das hängt von der Gruppengröße ab und davon, wie viele sich mit Wagen anmelden,“ erklärt Hepp.
Dass man eine Auswahl treffen müsse, sei jedoch nicht erfreulich: „Der Karneval soll eigentlich für alle offen sein – ausgenommen extremistischer Gruppen. Der Fakt, dass wir es begrenzen müssen, tut weh.“ Beschränkungen, was die Besucherzahl betrifft, solle es jedoch keine geben. „Unsere Partner aus Sicherheit und Produktion sagen – auch aus den Erfahrungen der letzten Jahre – dass es vielmehr ein Sicherheitsrisiko darstellt, den Karneval künstlich kleiner zu halten als er gewachsen ist“, sagt Hepp.
Für die Zukunft würde man über eine Publikumsstrategie nachdenken, die über Sicherheit und Hygienekonzept hinausginge und den Austausch zwischen Publikum und Schaustellern fördere. Denn: „Der Karneval ist nicht nur eine Darbietung, sondern lädt Besucherinnen und Besucher ein, sich selbst künstlerisch auszuprobieren.“
Ein Paradebeispiel für kulturelle Demokratie
Doch sei man für diese Weiterentwicklung auf ausreichend finanzielle Mittel angewiesen. „Es ist fantastisch, dass der Senat Haushaltsmittel für den Karneval zur Verfügung stellt. Das ist besonders. Und es ist eine Planungssicherheit,“ so Hepp. „Aber es sieht nicht so aus, als könnten die gestiegenen Kosten damit aufgefangen werden.“
Deswegen appelliert Hepp an den politischen Willen: „Berlin muss sich überlegen, ob es dieses Paradebeispiel für kulturelle Demokratie weiterentwickeln und behalten möchte.“ Doch sei man nicht nur auf öffentliches Geld angewiesen, sondern auch auf die Zusammenarbeit mit den Unternehmen aus der Stadt und würde sich um weitere Finanzierungsmöglichkeiten bemühen.
Ein Raum für Austausch, Begegnung und friedliches Miteinander
Besonders am Karneval ist, dass er sehr niedrigschwellig Kultur anbietet, dadurch dass er öffentlich zugänglich ist, so Hepp. Häufig seien Kulturangebote für die Besucherinnen und Besucher mit Kosten verbunden und somit exklusiv. „Der Karneval ist eine Demokratisierung von Kultur“, so Hepp.
In den letzten Jahren sei der Karneval oft als rauschendes Fest missverstanden worden, aber er sei viel mehr. Er bringe ein großes zusammenhaltstiftendes Potenzial für die Stadtgesellschaft mit. „Vor dem Hintergrund der zwei großen Krisen, die wir gerade erleben, dem Krieg und der Polarisierung der Gesellschaft, ist es wichtig, dass es öffentliche Räume gibt zum Austausch, für Begegnungen und für ein friedliches Miteinander.“ Man könne sich fragen, ob man in Anbetracht der aktuellen Situation überhaupt feiern solle, doch sei Feiern auch ein Akt von Resilienz. „Wir müssen zusammenkommen. Wir müssen Räume schaffen, in denen wir das Gute am Menschen zelebrieren können. Und dazu lädt der Karneval ein.“
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