Berlin. Einmal im Jahr sieht die Ordnungsstadträtin in Berlin-Mitte persönlich nach dem Rechten: Almut Neumann (Grüne) war am Montag mit drei Mitarbeitern des Ordnungsamtes am Hauptbahnhof unterwegs, um unter den parkenden Fahrrädern Schrottfahrräder und „aufgegebene“ Fahrräder herauszufischen. „Neujahrsputz“ nannte sie die Aktion. „Der Hauptbahnhof ist leider ein Hotspot für Schrottfahrräder in Mitte“, begründete Neumann ihren Einsatz. „Das ist ärgerlich, weil viele Fahrradstellplätze dauerhaft blockiert sind.“
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Entdeckt wurden tatsächlich Fahrräder, die zwar noch nicht unter das Kriterium „Schrott“, doch unter „aufgegeben“ fallen: 41 – so viele, dass ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes ins Amt zurück musste, um Nachschub an Banderolen zu besorgen. Die Banderolen wurden an jenen Fahrrädern befestigt, von denen angenommen wurde, dass sie wochenlang nicht bewegt wurden. Auf ihnen wird angekündigt, wann das Fahrrad abgeräumt wird.
Kontinuierliche Steigerung beim Einsammeln von Fahrradleichen
Mitte hat sich, was das Einsammeln von Fahrradleichen angeht, seit Jahren kontinuierlich gesteigert. 2019 meldete das Ordnungsamt 499 Räder, die entsorgt werden sollten, 2020 waren es 755, 2021 bereits 896. Im Jahr 2022 war die Zahl erstmals vierstellig: 1076.
Das Bezirksamt unterscheidet zwischen „Schrott“ und „aufgegeben“ Rädern. Aufgegebene Fahrräder sind nach Definition des Bezirksamts fahrbereite Räder, die „den Anschein erwecken“, dass sie seit längerer Zeit nicht mehr bewegt wurden. „Laub im Fahrradkorb“, „vermooster Sattel“ nannte Almut Neumann beim Rundgang ein paar Kriterien. Kaputte Reifen, Felgen. Ist die Banderole des Ordnungsamts erst einmal angebracht, hat der Besitzer vier Wochen Zeit, sein Fahrrad zu entfernen. Wird es nicht abgeholt, wird es entfernt. Das Rad wird dann noch zwei weitere Monate eingelagert. Der Besitzer könnte sich ja doch noch melden.
Schrottfahrräder bekommen den gelben Punkt
„Schrottfahrräder sehen wir nicht so häufig. Das sind eigentlich nur Gerippe“, erzählte eine Mitarbeiterin des Ordnungsamts. Zwei dieser Leichen wurden beim Neujahrsputz gefunden, sie erhielten einen gelben Punkt, auf dem einen möglichen Besitzer eine Drei-Wochen-Frist gestellt wird. Danach wird das Fahrrad entsorgt – ohne Schonfrist.
Das Besondere in Mitte: Die Fahrräder werden konsequent wiederverwertet. Seit 2019 arbeitet das Ordnungsamt mit dem Verein Goldnetz zusammen. Die Goldnetz-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sollen dann Mitte Februar zum Einsatz an den Hauptbahnhof kommen, sie sammeln die Fahrräder ein, bei denen die Frist überschritten ist. Goldnetz kümmert sich darum, dass die Fahrradrudimente entweder in Einzelteile zerlegt beim Wertstoffhof ankommen oder – im vergangenen Jahr war dies jedes zehnte Rad – zu neuen Fahrrädern werden. Der Verein hat angekündigt, dass aktuell neu zusammengebaute Fahrräder in die Ukraine gebracht werden.
Alle zwei Monate finden Kontrollen an Bahnhöfen und im Umfeld größerer Betriebe statt
Alle zwei Monate macht das Ordnungsamt einen Inspiziergang am Hauptbahnhof, so heißt es im Bezirksamt. Weitere Hotspots, an denen häufiger kontrolliert werde, seien andere Bahnhöfe in Mitte, ebenso das Umfeld größerer Betriebe wie die Bundesdruckerei und das Axel-Springer-Haus. Ist das Ordnungsamt schon mal in der Gegend, arbeite es die Straßen in der Umgebung ab, an denen Bürger ihnen Fahrradleichen gemeldet haben. Ordnungsstadträtin Neumann freut sich über Unterstützung: „Wenn Bürger uns die melden, hat das Ordnungsamt es leichter.“
Auf Fahrradgerippe stößt das Grüppchen bei diesem Neujahrsputz nicht. Dabei findet man so manches echte Schrottrad am Hauptbahnhof, teils sogar mit rot-weißem Absperrband für den Abtransport markiert. Das muss eine Weile her sein, das Absperrband ist bereits zerfleddert. Diese Räder liegen nicht auf öffentlichem Grund, sondern auf dem Gelände der Deutschen Bahn. „Da haben wir keine Handhabe“, sagt die Mitarbeiterin des Ordnungsamtes.
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