Berlin/Dresden. In der Nacht zu Sonnabend kam es zu einer völlig überraschenden Wende bei der Suche nach der millionenschweren Beute aus dem Einbruch in das Historische Grüne Gewölbe in Dresden. Neben den intensiven und mehr als dreijährigen Ermittlungen der Dresdner Polizei und der Sonderkommission Epaulette, waren es offenbar Absprachen zwischen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft, durch die 31 Einzelteile der millionenschweren Beute zurück nach Dresden gebracht werden konnten. Seit Anfang des Jahres läuft in Dresden der Prozess gegen sechs Tatverdächtige des Remmo-Clans wegen schweren Bandendiebstahls, Brandstiftung und besonders schwerer Brandstiftung. Er wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.
Der Druck der Ermittler auf die Beschuldigten des polizeibekannten arabischstämmigen Remmo-Clans soll im Laufe des Gerichtsverfahrens weiter zugenommen haben, heißt es aus Dresdner Sicherheitskreisen gegenüber unserer Redaktion. Vor allem aber soll auch die Lage in den sächsischen Gefängnissen die Clan-Mitglieder unerwartet hart getroffen haben, etwa den 29 Jahre alten Beschuldigten Rabieh Remmo, dessen Anwälte nun einen Teil des wertvollen Schmucks an die Strafverfolger zurückgegeben haben.
„Hier gibt es keine anderen Familienmitglieder in Haft, hier sind sie allein, es ist nicht Berlin“, sagt ein Beamter, der mit dem Fall betraut ist. Derzeit sind alle Beschuldigten in Sachsen inhaftiert. Nun würden die Angeklagten und deren Familie auf Strafmilderung hoffen. So berichten es auch andere Medien über die Motivation der Rückgabe. Über den Deal der Rückgabe zwischen Clan-Anwälten und Sicherheitsbehörden berichten Sicherheitskreise von einem Treffen in einer Berlin Anwaltskanzlei. „Ziemlich pompös“ soll es dort zugegangen sein, heißt es. Details sind nicht bekannt. Der Austausch der Juwelen sei in Vorgesprächen zwischen Anwälten und Justiz vorbereitet worden.
Verfahren abkürzen, um Kosten zu sparen
Der Berliner Strafrechtler Frank Scherf will nicht darüber spekulieren, wie es zu dieser Verfahrensabsprache gekommen ist. Besonders vor dem Hintergrund, dass Clanmitglieder für ihre Verschwiegenheit gegenüber Polizei und Justiz bekannt seien. Ansonsten aber sieht der Rechtsanwalt in einer formellen Verfahrensabsprache zwischen allen Beteiligten, im Volksmund auch gern „einen Deal machen“ genannt, nicht Besonderes. „Um ein Verfahren abzukürzen und damit auch Kosten zu sparen, haben Gerichte ein Interesse daran, Verfahren abzukürzen“, sagt Scherf der Berliner Morgenpost. Das käme relativ häufig vor und sei ein Verfahren, das durch den Paragrafen 257 c Strafprozessordnung normiert sei.
„Kommt es beispielsweise zu einer sehr komplizierten Beweisführung oder müssen noch möglicherweise 30 Zeugen gehört werden, kann so ein Verfahren verkürzt werden“, sagt Scherf. „In diesem Fall vermute ich, dass die Rückführung der Beute, die ja ein sehr wichtiger Teil der Staatlichen Kunstsammlung ist, ebenfalls von großer Bedeutung für die Verfahrensabsprachen waren.“
Scherf betont aber, dass den Angeklagten kein konkretes Strafmaß in Aussicht gestellt werden darf. „Den Angeklagten darf lediglich eine Strafspanne angeboten werden“, erklärt er. „Also beispielsweise nicht sechs Jahre Haft, sondern vier bis sieben Jahre. Ich vermute aber, dass in diesem Fall ein relativ hoher Strafrabatt eine Rolle gespielt hat.“
Spezialkräfte der Polizei bringen Beute zurück nach Dresden
Die in Berlin gesicherten Stücke wurden in Begleitung von Spezialkräften der Polizei nach Dresden gebracht. In der sächsischen Landeshauptstadt wurden sie zunächst kriminaltechnisch untersucht. Nach der Rückkehr eines großen Teils der Beute aus dem Grünen Gewölbe beginnen Fachleute der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) nun mit der Begutachtung des Schmucks. Das werde einige Zeit in Anspruch nehmen, sagt SKD-Sprecher Holger Liebs am Sonntag.
„Das Klauen ist leichter als das Absetzen“
Der Kunstdiebstahl-Experte Willi Korte sagt: „Ich bin überrascht, dass die Sachen noch in Berlin aufgefunden worden sind. Ich hätte gedacht, dass sie Deutschland schon längst verlassen hätten.“ Nach seiner Einschätzung sollte die Beute die Zeit seit dem Diebstahl gut überstanden haben. „Da es ja überwiegend Edelmetall und Steine sind, muss man nicht so sehr auf die Temperatur achten“, sagt Korte. „Ich denke, dass die Sachen noch in einem relativ guten Zustand sein dürften.“ Beim Kunstraub gebe es eine alte Regel, sagt Korte. „Das Klauen ist leichter als das Absetzen.“ Er habe den Einbruch immer eher als Juwelen-, statt als Kunstraub gesehen. „Ich dachte, dass sie die Juwelen rausbrechen und einzeln verkaufen werden, nicht die Kunst als Ganzes.“
Der Einbruch am frühen Morgen des 25. November 2019 war einer der spektakulärsten Kunstdiebstähle in Deutschland. Die Täter stahlen Schmuckstücke mit insgesamt 4300 Diamanten und Brillanten im Gesamtwert von über 113 Millionen Euro. (mit dpa)
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