Berlin. Zum zweiten Mal überhaupt und zum ersten Mal im Plenarsaal des Berliner Abgeordnetenhauses tagte das Berliner Behindertenparlament am Sonnabend, dem internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen. Christian Specht, Aktivist und Vorstand des Lebenshilfe Berlin e.V., hatte das Parlament initiiert.
In Berlin leben 600.000 Menschen mit Behinderung, knapp 340.000 von ihnen sind schwerbehindert. Oft sind Behinderungen nicht auf den ersten Blick zu erkennen und beeinträchtigen dennoch den Alltag – insbesondere, wenn Städtebau, Bildungssystem und Arbeitsmarkt ausschließend gestaltet sind.
Jetzt haben 100 Berliner und Berlinerinnen mit Behinderung über insgesamt 17 Anträge an den Senat abgestimmt. Im nächsten Jahr will das Behindertenparlament erneut tagen und und deren Umsetzung prüfen. Das sind sechs ihrer Forderungen an die Berliner Politik:
1. Inklusionspolitik muss Querschnittsaufgabe sein
„Disability Mainstreaming“ meint die Integration der Perspektive von Menschen mit Behinderung in alle Bereiche. Dementsprechend waren viele Ressorts vor Ort: Senatorin Bettina Jarasch für die Mobilität, Ulrike Gote als Senatorin für Gesundheit und Sozialsenatorin Katja Kipping. Aus den Senatsverwaltungen Wirtschaft und Bildung waren ebenfalls Vertreter da.
2. Berlin braucht 120.000 barrierefreie Wohnungen
Schätzungen zufolge fehlen in Berlin knapp 120.000 barrierefreie Wohnungen. Zunächst soll der Senat den genauen Bedarf ermitteln. Außerdem soll die Förderung für den Neubau rollstuhlgerechter Wohnungen erhöht werden, 15.000 Euro seien nicht ausreichend.
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3. Bedarfsgerechte Frauenarztpraxen
Arztpraxen aller Fachrichtungen, aber insbesondere gynäkologische Praxen, sind nur selten für die Bedarfe von Menschen mit Behinderung ausgestattet. Los geht es bei baulichen Mängeln, über die Geräte hin zu mangelndem Wissen. Das Behindertenparlament kritisiert die Kriterien der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), da diese nicht die Bandbreite an Barrierefreiheit abdeckten. Berlin solle mit einem Team aus Experten und Peers Daten zur Barrierefreiheit von Facharztpraxen erheben.
4. Berlin braucht eine unabhängige Teilhabe-Akademie
Damit Menschen mit Behinderung ihr Recht auf Teilhabe am politischen und zivilgesellschaftlichen Leben ausüben können, braucht es Wissen. Wie man mit Senatoren verhandelt, aber auch, welche Rechte und Leistungsansprüche man hat und wie diese durchzusetzen sind. All das soll eine „Berliner Teilhabe-Akademie“ vermitteln. Teilnehmer der Akademie sollten – wie für Gewerkschaftsarbeit – von der Arbeit freigestellt werden. Anteilig könnte die Akademie aus dem Partizipationsfonds des Landes finanziert werden.
5. Ein Aktionsplan „Medien, Kunst und Kultur“ bis 2026
Das Behindertenparlament fordert den Senat auf, in dieser Legislaturperiode einen Aktionsplan „Medien, Kunst und Kultur“ zu entwickeln, um den Zugang zu Kultureinrichtungen zu garantieren. Barrierefreiheit ist komplex: Es geht um Rollstuhlrampen und breite Türen, aber auch um Informationen in leichter Sprache, Piktogramme, Audiodeskriptionen, Tastobjekte und Blindenleitsysteme. Das Land Berlin soll Planstellen für einen Pool von Dolmetschern in Gebärdensprache, leichter Sprache und Schriftsprache schaffen. Menschen mit Behinderung sollen einen festen Sitz im rbb-Rundfunkrat erhalten.
6. Behinderten-Werkstätten sollen Inklusionsbetriebe werden
Werkstätten für Menschen mit Behinderung sind eigentlich dafür da, ihre Mitarbeiter in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Doch die Vermittlungsquote ist fatal schlecht: Seit Jahren stagniert sie bei einem Prozent. Das Behindertenparlament schlägt vor, dass Fachbetriebe mit Werkstätten fusionieren. So kämen Menschen mit Behinderung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, die Betriebe könnten ihren Fachkräftemangel beheben. Der Senat soll zur Umsetzung der Idee in einem Berliner Modellprojekt ein Förderprogramm mit finanziellem Anreiz auflegen.
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