- In Berlin muss die Wahl zum Abgeordnetenhaus wiederholt werden.
- Die neue Berlin-Wahl soll im Februar 2023 stattfinden.
- Im Abgeordnetenhaus wurde am Donnerstag über das Urteil des Verfassungsgerichts zur Wiederholungswahl gestritten.
- Senator Andreas Geisel lehnte neue Rücktrittsforderungen ab.
- CDU-Chef Wegner sagte: „Was für eine Blamage. Die SPD trägt dafür die allergrößte Verantwortung."
- Berlins Regierende Bürgermeisterin versprach eine ordnungsgemäße Wiederholungswahl.
Berlin. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat in ihrer Regierungserklärung vor dem Abgeordnetenhaus den Berlinerinnen und Berlinern eine ordnungsgemäße Wiederholungswahl im kommenden Februar versprochen. „Dass Wahlen reibungslos ablaufen, dürfen die Menschen überall in Berlin erwarten“, sagte Giffey: Dass dies nicht so gewesen sei, habe großen Schaden angerichtet. „Es sind Fehler passiert, die nicht hätten passieren dürfen“, räumte die Sozialdemokratin ein. Sie schmerze, dass die Wahl bestehende „Klischees über Berlin“ bestätigt habe.
Giffey vermied es aber, dem seinerzeit zuständigen Innensenator Andreas Geisel (SPD), der links neben ihr als Bausenator auf der Regierungsbank saß, die Verantwortung zuzuweisen. „Die Verantwortung liegt auf vielen Schultern“, sagte die Regierende Bürgermeisterin: Alle sind gefragt es besser zu machen. Die Wahlen seien eine „gemeinsame Verantwortung“ des Senats und der Bezirke: „Wir bereiten uns gemeinsam vor, um es besser zu machen. Das erwarte ich als Regierende Bürgermeisterin“, sagte Giffey.
Berlin-Wahl: Giffey verweist auf eigene Leistung
Sie versicherte, dass der Senat weiter daran arbeiten werde, die Dreifachkrise aus Pandemie, Flüchtlingszahlen und Energiepreisexplosion zu bewältigen. Giffey verwies auf die Vorreiterrolle Berlins bei billigen Fahrscheinen für den Nahverkehr mit dem 29-Euro-Ticket und die Pläne für einen Härtefallfonds für Menschen, die ihre Energiekosten nicht mehr bezahlen können.
„Dieser Senat lässt die Berlinerinnen und Berliner nicht alleine, er packt an, er liefert und bringt Berlin gut durch die Krise“, sagte Giffey. Aber die Regierung müsse Berlin auch als die „Zukunftshauptstadt“ voranbringen, die man den Menschen versprochen haben. „Es geht um Krisenbewältigung und Zukunftsgestaltung. Wir müssen Krisen- und Zukunftspolitik zusammenbringen.“
Giffey nannte viele Themen, die die rot-grün-rote Koalition angegangen habe. Energiewende, Ausbau des Nahverkehrs, auch der Wohnungsbau laufe trotz aller Schwierigkeiten. Sie bekannte sich zum Ziel, die Stadt vor 2045 klimaneutral zu machen und bekräftigte die Absicht, die Gasag-Anteile und die Fernwärme gemeinsam mit industriellen Partnern von Vattenfall zu kaufen.
Giffey betonte die Kürze ihrer bisherigen Amtszeit. „Heute ist der 332. Tag“, sagte die Sozialdemokratin. Deshalb könne sie noch keine „komplette Ergebnisliste“ vorlegen, die sich die Koalition für fünf Jahre vorgenommen habe. „Aber wir können nach elf Monaten Erfolge vorweisen, wir haben einen klaren Kurs für unsere Stadt.“
CDU-Chef Wegner: "Die Berliner haben eine Entschuldigung verdient"
CDU-Fraktionschef Kai Wegner reagierte auf Giffeys Rede. "Wir haben gehört, dass eigentlich alles gut sei, es funktioniere doch. Aber die Berliner haben ein anderes Gefühl“, sagte der Oppositionsführer. „Ich hätte nach dem gestrigen Tag mehr Demut erwartet. Die Berliner hätten eine Entschuldigung verdient. Der Senat sei noch nicht mal in der Lage, eine demokratische Wahl ordentlich zu organisieren. „Was für eine Blamage. Die SPD trägt dafür die allergrößte Verantwortung."
Wegner forderte den früheren Innensenator Geisel auf, Verantwortung zu übernehmen. „Sie haben alle Warnungen in den Wind geschlagen“, sagte Wegner an den derzeitigen Bausenator gerichtet. „Herr Geisel, treten sie zurück“, so der Christdemokrat. Und an Giffey: „Jeder Tag, den Herr Geisel im Amt bleibt, ist ein Tag, an dem Giffey beschädigt wird.“ Das Gute sei, dass die Berliner nun eine neue Wahl bekommen.
Saleh distanziert sich von Wegner
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh ließ in seiner Rede große Zweifel daran aufkommen, dass Sozialdemokraten und CDU womöglich nach der Wahl in einer Koalition zusammenfinden. Mehrfach griff er den CDU-Chef persönlich an. "Wir haben eine Regierende Bürgermeisterin erlebt, dann kam der Herr Wegner von der CDU“, sagte Saleh. Er dankte der gesamten Koalition von Rot-Grün-Rot für die vielen Beschlüsse, die die Situation vieler Menschen verbessert habe.
Berlin brauche keine unsicheren politischen Verhältnisse. „Sie spielen im Wahlkampf mit den Sorgen und Nöten der Menschen“, sagte Saleh. „Dafür sollten Sie sich schämen, Herr Wegner.“ Was die Berlinerinnen und Berliner nicht wollten, „ist Ihr Verhalten“. Es gehe nicht um das Wohl von 33 CDU-Abgeordneten, sagte Saleh an Wegner gewandt: „Sie verstehen Berlin nicht. Sie sind keine Hilfe.“
Bausenator Geisel lehnt Rücktritt wegen Wahlpannen ab
In der Fragestunde des Abgeordnetenhauses antwortete Geisel auf Rücktrittsforderungen des CDU-Abgeordneten Stefan Evers. Geisel dankte dem CDU-Politiker für die Frage. „Sie gibt mir die Gelegenheit, mein Bedauern auszudrücken“, sagte Geisel. Er habe die Berliner bereits bei verschiedenen Gelegenheiten um Entschuldigung gebe. Aber die Frage hänge nicht an einer einzelnen Person. „Die rechtlichen Voraussetzungen reichten in Berlin offenbar nicht aus“, sagte der Senator. Die Hoffnung der Opposition, „die Schuld bei mir abzuladen und sich dadurch zu exkulpieren“, werde nicht aufgehen.
„Ich bin nicht frei von Verantwortung“, sagte der frühere Innensenator, in dessen Amtszeit die Pannenwahl fiel. Man könne als Politiker in einer solchen Lage „nach Hause gehen oder man kann arbeiten“, sagte Geisel: „In der Situation, in der wir gerade sind, nehme ich Verantwortung wahr, indem ich arbeite. Den Druck halte ich aus.“
Rückblickend könne man sagen, dass es besser gewesen wäre, die Wahlen zum Bundestag und zum Abgeordnetenhaus zu trennen. Es wäre dann aber die Frage gewesen, ob Berlin an zwei Wochenenden hintereinander in der Lage gewesen wäre, 37.000 Wahlhelfer aufzubieten, sagte Geisel: „Hinterher ist man immer schlauer.“
Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) stärkte dem Senator den Rücken. „Der beste Beweis, den man erbringen kann, dass man diese Situation ernst nimmt, ist, dass wir unsere Arbeit machen“, sagte Giffey: „Wir haben eine Wahl seriös vorzubereiten und wir haben eine Krise zu managen. Dazu brauchen wir Menschen, die das machen.“