Berlin. In der kommenden Woche wollen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die umfassende Sanierung der U6 im Norden Berlins starten, die weit über zwei Jahren in Anspruch nehmen wird. Wie eine aktuelle Anfrage des Abgeordneten Kristian Ronneburg (Linke) nun aufzeigt, wird das Projekt in näherer Zukunft aber nicht das einzige Großvorhaben auf den U-Bahnstrecken der Hauptstadt bleiben. So teilt die BVG in ihrer Antwort mit, dass auf Basis der aktuellen Vorhabenplanung der Sanierungsbedarf im Berliner U-Bahnnetz und für die U-Bahnhöfe von 2023 bis 2035 auf gut 3,5 Milliarden Euro geschätzt wird.
Knapp zwei Milliarden Euro an Kosten entfallen demnach auf bautechnische Anlagen wie Tunnel, Gleise oder Brücken, der Rest auf elektrotechnische Maßnahmen, beispielsweise an der Stromversorgung oder den Signalanlagen. Die Investitionen könnten dabei am Ende durchaus noch teurer ausfallen. „Risikozuschläge für noch nicht kalkulierbare Baupreissteigerungen“ seien in den Angaben noch nicht enthalten, heißt es.
Kosten für Sanierungsarbeiten an U6 auf 470 Millionen Euro geschätzt
Der Sanierungsbedarf betrifft dabei alle U-Bahnlinien. Besonders groß ist er laut BVG altersbedingt im Kleinprofilnetz der Linien U1 bis U4 sowie auf den Altbauabschnitten der Großprofillinien U5 bis U8, die bereits in den Vorkriegsjahren entstanden. Der höchste Bedarf besteht den Angaben nach auf der Linie U6, wo mit einer Summe von rund 470 Millionen Euro kalkuliert wird. Die demnächst startende Damm- und Brückensanierung auf dem Reinickendorfer Abschnitt der Linie zählt der BVG zufolge auch zu den Maßnahmen, die derzeit die höchste Priorität haben.
Auf mehr als 330 Millionen Euro werden die Kosten für nötige Sanierungen bei der U2 geschätzt, bei der U7 sind es mehr als 320 Millionen Euro. Den geringsten Bedarf gibt die BVG mit knapp 23 Millionen für die U4 an – mit nur fünf Stationen ist sie aber auch die mit Abstand kürzeste U-Bahn-Linie in Berlin.
Neben den Arbeiten am nördlichen Abschnitt der U6 haben laut BVG auch der Neubau des Waisentunnels unter der Spree in der Nähe der Jannowitzbrücke sowie mehrere Tunnelsanierungen die höchste Priorität. Diese betreffen den Abschnitt zwischen Karl-Marx-Straße und Hermannplatz, die Chausseestraße und das Teilstück zwischen Wittenbergplatz und Nollendorfplatz. Der Waisentunnel ist bereits seit 2018 nicht mehr in Betrieb, weil er die notwendigen Anforderungen, etwa mit Blick auf die Standsicherheit, nicht mehr erfüllt. Der Tunnelbereich wurde zuvor für Betriebsfahrten genutzt; er ist die einzige Verbindungsstelle der U5 zum restlichen Großprofilnetz und daher beispielsweise bedeutsam, um U-Bahn-Fahrzeuge zu Untersuchungen in eine Werkstatt zu überführen.
Senat sieht Priorität bei laufenden Instandsetzungen von U-Bahnhöfen
Wie Verkehrsstaatssekretärin Meike Niedbal ergänzt, sieht der Senat außerdem höchste Priorität bei den aktuellen Grundinstandsetzungen von U-Bahnhöfen, die bereits seit längerer Zeit laufen und „die Bahnhöfe gegenwärtig in einem unansehnlichen Zustand präsentieren“. Als Beispiele nennt sie die Stationen Grenzallee und die Yorckstraße. Bei der Yorckstraße hatte sich die geplante Fertigstellung zuletzt von Ende 2022 auf 2023 verschoben, spätestens im kommenden Herbst will die BVG dann fertig sein. Mit der Instandsetzung des Bahnhofs wurde bereits Ende Anfang 2020 begonnen; noch drei Jahre vorher musste eine als nicht mehr standsicher beurteilte Fliesenverkleidung kurzfristig entfernt werden.
Über die aktuellen Prioritäten hinaus benennt die BVG weitere Projekte, die mittelfristig erfolgen sollen. Erwähnt wird unter anderem der Neubau der Brücke über den Gleisdreieckpark, außerdem stehen weitere Tunnelsanierungen etwa zwischen den Stationen Platz der Luftbrücke und Tempelhof, zwischen Wedding und Seestraße oder im Bereich Spittelmarkt an. Welche Projekte langfristig umgesetzt sollen, wird dem Verkehrsunternehmen zufolge nach der Auswertung der Bauwerksprüfung in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre festgelegt.
Fachkräftemangel trifft auch die Sanierung des Berliner U-Bahnnetzes
Zugleich stellt die BVG aber klar: Ein Ziel, wann sämtliche notwendigen Sanierungen erfolgt sein werden, gibt es nicht. Da das Berliner U-Bahnnetz über 100 Jahre alt sei, würden auch in den kommenden Jahren neuer Bedarf auf anderen Abschnitten hinzukommen. Bauvorhaben vorzuziehen und damit Sanierungen schneller abzuarbeiten, ist laut BVG aber eher nicht möglich. Ein Problem ist auch hier der Fachkräftemangel. So könnten aktuell nicht alle vorhandenen Stellen wie gewünscht besetzt werden, schreibt das Verkehrsunternehmen. „Das Grundgeschäft der Bauwerkssanierung ist derzeit noch gesichert, eine Ausweitung der Maßnahmen jedoch nur bedingt möglich.“
Neben den fehlenden Fachkräften wird die Sanierung des U-Bahnnetzes auch durch weitere Punkte beeinflusst. Die BVG benennt hier beispielsweise Materiallieferungen, die Verfügbarkeit externer Baufirmen und die Personalsituation in beteiligten Verwaltungen. Zumindest die Kosten können den Prognosen nach aber gestemmt werden: „Die Finanzierung der Maßnahmen in Höhe von rund 3,5 Milliarden Euro ist durch Vereinbarungen mit dem Land Berlin sowie durch Fördermöglichkeiten des Bundes weitgehend gesichert“, heißt es.
Mit Blick auf die vielen anstehenden Sanierungsprojekte bei der U-Bahn fordert die FDP vom Senat, hier zu handeln. „Anstatt jetzt 500 Millionen Euro in noch günstigere Tickets zu stecken, muss der Senat den Investitionsmotor hochfahren", sagt der verkehrspolitische Sprecher Felix Reifschneider, etwa mit Blick auf die Verlängerung des 29-Euro-Tickets, die der Senat gerade erst beschlossen hat. Die U-Bahn stellt aus Sicht von Reifschneider zudem das einzige Verkehrsmittel dar, das in der wachsenden Stadt genügend Kapazitäten im öffentlichen Nahverkehr schaffen kann, weshalb die Partei auch auf den Ausbau des Netzes drängt. Wir brauchen in der Stadt eine Bau-Offensive für neue und längere U-Bahnlinien bis in die Außenbezirke“, so Reifschneider.