Berlin. Er habe viel gelacht und sei beinahe kindlich gewesen: So beschrieb Mutombo Mansamba am Montag seinen Bruder Kupa Ilunga Medard Mutombo. „Von ihm ist nie Aggressivität ausgegangen.“ Trotz seiner schweren Krankheit habe er versucht, ein eigenes Leben zu führen. Das Leben des 64-Jährigen endete nach einem Einsatz der Berliner Polizei vor knapp vier Wochen.
Der Bruder des Verstorbenen forderte auf nun auf einer Pressekonferenz der Berliner Opferberatungsstelle Reachout, dass der Fall aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Kupa Ilunga Medard Mutombo litt an Schizophrenie und lebte in einem Heim für psychisch Kranke im Spandauer Ortsteil Falkenhagener Feld. Am Vormittag des 14. September sollte er in ein Krankenhaus gebracht werden, wobei auch Einsatzkräfte der Polizei anwesend waren.
Laut Mansamba, der sich in seinen Aussagen auf die Angaben des bei dem Vorfall anwesenden Betreuers des Verstorbenen stützte, hätten die Beamten „massive brutale Gewalt“ angewendet. Der 64-Jährige starb am Donnerstagmorgen in der Charité. Der Betreuer habe den Vorfall ihm gegenüber mit dem Tod des schwarzen US-Amerikaners George Floyd im Mai 2020 vergleichen. Damals kniete der Polizist Derek Chauvin fast neuneinhalb Minuten mit vollem Körpergewicht auf dem Hals des 46-Jährigen. Der Vorfall hatte weltweit Proteste ausgelöst.
Betreuer: Polizist soll auf dem Hals des Kranken gekniet haben
Dem Betreuer zufolge hat auch im vorliegenden Fall ein Polizist auf dem Hals des Kranken gekniet, der bereits zuvor blutete, so schilderte Mansamba die Vorfälle mit ruhiger und sachlicher Stimme weiter. Schließlich sei aus dem Zimmer gerufen worden: „Er atmet nicht mehr.“ Er sei dann nach draußen gebracht worden, wo 20 Minuten versucht worden sei, ihn zu reanimieren. „Das ist nicht normal“, sagte Mansamba, bevor seine Stimme stockte und er die Brille abnahm, um sich die Tränen aus den Augen zu wischen.
Nach Darstellung der Polizei soll sich der Mann sich heftig gewehrt, geschlagen und getreten und sogar noch mit Handschellen „massiv Widerstand“ geleistet haben, bevor er kollabiert sei. Nach seinem Tod am Donnerstag wurde die Leiche von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und soll nun obduziert werden. Außerdem ermittelt die Polizei gegen die beteiligten Beamten.
Der Aussage der Polizei, dass sein Bruder aggressiv war, widersprach Mutombo Mansamba entschieden. Er sei aufgrund seines Geisteszustands in Panik geraten, als der die Uniformen sah, und habe seine Zimmertür wieder geschlossen. Dass habe den drei Beamten ausgereicht, Gewalt anzuwenden. Auch das Heimpersonal und Nachbarn hätten seinen Bruder, der starker Raucher wer, stets als freundlich und voller Lebensfreude beschreiben.
Drei Polizisten konnten „alten, kranken und dünnen Mann“ nicht fixieren
Mansamba, der aus dem Kongo stammt, erfuhr erst eine Woche nach dem Vorfall, dass sein jüngerer Bruder in der Charité im Koma liegt. Und bis heute bleiben viele Fragen offen. So sprach die Polizei von einem Gerichtsbeschluss, wonach Kupa Ilunga Medard Mutombo am 14. September in ein Krankenhaus verlegt werden sollte. Seinem Bruder war davon nach eigenen Angaben nichts bekannt.
Ihm wiederum sei gesagt worden, sein Bruder hätte zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden sollen, weil er möglicherweise seine Medikamente abgesetzt habe. Warum dabei erst drei Polizisten anwesend sein und 13 weitere als Verstärkung gerufen werden mussten, könne er nicht erklären. „Warum es drei Polizisten nicht geschafft, einen alten, kranken und dünnen Mann zu fixieren und nach draußen zu bringen, weiß ich auch nicht“, so der Bruder.
Laut Reachout handelt es sich bei dem Tod von Kupa Ilunga Medard Mutombo nicht um einen Einzelfall. Psychisch Kranke würden als entrechtet und vogelfrei betrachtet. Angriffe auf sie würde die Polizei im Nachhinein damit begründen, dass sie aggressiv gewesen seien. „Diese Lüge können wir nicht stehen lassen“, sagte Reachout-Sprecher Biplab Basu. Die Beratungsstelle spricht von einer „Tötung“ und von „Mord“ und warf der Polizei bereits in der vergangenen Woche Rassismus vor.
„Die Polizei als Ganzes soll nicht rassistisch dargestellt werden“
Konkrete Hinweise auf rassistische Motive bei den handelnden Beamten gibt es bislang nicht. Wenn die Polizei auf diese Art mit schwarzen Menschen umgehe, sei das immer rassistisch, sagte Basu. „Wir gehen erst einmal davon aus und werden später sehen, ob es so ist oder nicht.“ In jedem Fall sei es legitim, Widerstand zu leisten, wenn einen Polizisten so behandeln würden. Von der Polizei habe er bisher kein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung gehört.
Mansamba hingegen ließ offen, ob er Rassismus hinter dem Tod seines Bruders vermutet. „So will ich das nicht kolorieren.“ Und auch „die Polizei als Ganzes soll nicht rassistisch dargestellt werden“. Es könnte auch schlicht eine Panne gewesen sein, für die die Verursacher allerdings bestraft werden müssten.
„Wir müssen den Bericht abwarten“, sagte Mansambas Anwältin Regina Götz. Auch das Obduktionsergebnis liege noch nicht vor. „Wir hoffen, dass es lückenlos aufgeklärt wird. Allerdings wäre es besser, wenn eine unabhängige Institution und nicht die Polizei selbst das Ereignis untersuchen würde.