Wirtschaft

Flaute in den Zukunftsberufen

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Jens Anker
Auszubildende in den Zukunftsberufen, wie hier bei den Wasserbetrieben zur Betriebsanlagen-Elektronikerin, sind Mangelware. Das soll ein Runder Tisch aller Beteiligten ändern.

Auszubildende in den Zukunftsberufen, wie hier bei den Wasserbetrieben zur Betriebsanlagen-Elektronikerin, sind Mangelware. Das soll ein Runder Tisch aller Beteiligten ändern.

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE Foto Services

Trotz aller Bemühungen stagniert die Zahl der Auszubildenden in Klimaschutzbranchen. Viele junge Leute brechen ihre Ausbildung ab

Berlin.  Wer sein Haus dämmen will, oder eine Wärmepumpe installieren möchte, muss sich derzeit auf lange Wartezeiten einstellen. Dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert, ist nicht in Sicht. Obwohl Senat, Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer seit Jahren versuchen, die Ausbildungszahlen in den Zukunftsberufen zu erhöhen, ist das bislang nicht gelungen.

In den sogenannten grünen Berufen stagniert die Zahl der Ausbildungsverträge, die Abbrecherquoten sind hoch. „Bislang war bekannt, dass es vor allem in Branchen wie der Gastronomie und Hotellerie hohe Abbrecherquoten gibt. Dass das auch bei den Zukunftsberufen der Fall ist, erstaunt mich“, sagt der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Grünen, Christoph Wapler.

Kein einziger Auszubildender in manchen Branchen

Zusammen mit der Ausbildungsexpertin der Fraktion, Klara Schedlich, hat Wapler eine Anfrage an die Arbeitsverwaltung gestellt - mit ernüchternden Ergebnissen. So hat es für den Ausbildungsberuf Fachkraft für Kreislaufwirtschaft seit zwei Jahren keinen einzigen neuen Ausbildungsvertrag gegeben, seit 2017 hat niemand einen Abschluss in dieser Ausbildung erreicht.

Ín anderen Berufszweigen ist die Abbrecherquote enorm. So gab es im vergangenen Jahr zwar 315 neue Ausbildungsverträge für Elektriker in der Energie- und Gebäudetechnik. Gleichzeitig brachen aber 138 Azubis die Ausbildung wieder ab - mehr, als einen Abschluss erreicht haben (126). Mit 40 Prozent ähnlich hoch ist die Abbrecherquote bei Auszubildenden zur energietechnischen Assistenz mit Schwerpunkt erneuerbarer Energien (40 Prozent). Bei Biologie-Laboranten sinkt die Zahl der Auszubildenden seit Jahren. Zuletzt waren es noch neun abgeschlossene Ausbildungsverträge. Vor zehn Jahren waren es 39.

„In einigen Berufen ist die Situation ziemlich dramatisch“, sagt Wapler. Die Grünen setzen daher große Hoffnungen in den Runden Tisch für klimarelevante Berufe, den der Senat im Juni eingesetzt hat. Der Runde Tisch soll die Ursachen für die schlechte Ausgangssituation ergründen und Abhilfe schaffen.

Ein Runder Tisch soll Abhilfe schaffen

Beteiligt sind neben der Arbeits- und Wirtschaftsverwaltung auch die Handwerks- und die Industrie- und Handelskammer, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und die Bundesagentur für Arbeit. Allerdings hat sie noch keine Ergebnisse präsentiert. „Die inhaltliche Agenda des Runden Tisches wird derzeit weiter abgestimmt“, heißt es in der Antwort der Arbeitsverwaltung auf die Anfrage der Grünen. „Grundsätzliches Ziel des Gremiums ist es, die Fachkräftesicherung im Bereich der Energie- und Klimaberufe zu unterstützen und dafür abgestimmte Maßnahmen zu entwickeln und zu implementieren.“

Aus Sicht der Grünen muss das Expertengremium sein Arbeitstempo erhöhen. „Die Zahlen zeigen, wir drängend das Thema ist“, sagt Ausbildungsexpertin Klara Schedlich. Vor allem die Berufsberatung an den Schulen sollte ausgebaut werden, um mehr Interessierte für die zukunftsträchtigen Ausbildungswege zu gewinnen.

Noch immer ist es so, dass sich junge Schulabsolventen vor allem für die klassischen Handwerksberufe entscheiden, wie Kfz-Mechatroniker oder das Friseurhandwerk. Auch sollte es mehr Bemühungen geben, mehr Frauen für die Zukunftsberufe zu gewinnen. Hier ist der Anteil weiblicher Auszubildenden deutlich unterdurchschnittlich.

Schlechte Ausbildungsquoten in Berlin

Die Ausbildungsquoten in Berlin sind seit Jahren ein Streitthema zwischen Politik und Wirtschaft. Berliner Unternehmen bilden deutlich weniger aus+ als Firmen im Bundesdurchschnitt. Insgesamt waren zuletzt von 15.000 angebotenen Ausbildungsplätzen in den Betrieben der Handwerks- und der Handelskammer noch fast die Hälfte nicht besetzt. Die Ausbildungsplatzbörse der Handwerkskammer zeigt aktuell fast 500 offene Ausbildungsstellen. Viele Betriebe stellen derzeit noch junge Nachwuchskräfte ein, auch wenn das Ausbildungsjahr offiziell schon begonnen hat.

Um die Ausbildungsquote in den Betrieben zu erhöhen, plant Arbeitssenatorin Katja Kipping (Linke) die Einführung einer Ausbildungsabgabe. Unternehmen, die nicht oder nicht ihrer Größe entsprechend ausbilden, sollen eine Abgabe zahlen, um die außerbetriebliche Ausbildung zu finanzieren. Derzeit prüft die Verwaltung dafür die rechtlichen Möglichkeiten.

Auch die hohen Abbrecherquoten sind seit Jahren ein Thema. In Berlin wird jede dritte Ausbildung ohne Abschluss vorzeitig abgebrochen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine bessere Bezahlung und ein besseres Arbeitsklima könnten helfen, die Abbrecherquoten zu senken, sind sich die beiden Grünen-Politiker Schedlich und Wapler sicher.