Schlesinger-Krise

RBB-Interims-Intendantin Vernau im zweiten Anlauf gewählt

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Joachim Fahrun
So funktioniert die ARD

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Katrin Vernau ist die neue Interims-Intendantin des RBB. Doch das gelang ihr erst im zweiten Versuch.

Berlin. Als die Neue um kurz vor vier am Nachmittag das RBB-Gelände in Potsdam-Babelsberg betrat, wurde sie schon erwartet. Mitarbeiter des Rundfunks Berlin-Brandenburg machten ihrem Unmut über die Personalauswahl der Findungskommission Luft. „Das ist keine Wahl“, stand auf Zetteln. Viele im Haus sind nicht einverstanden damit, dass die bisherige Verwaltungschefin des WDR, Katrin Vernau, als Interimsintendantin den Sender aus der Krise führen soll.

Dass die ehemalige Roland-Berger-Beraterin, die in einer an die „Bild“ geleakten Online-Runde der Rundfunkräte den Personalabbau beim WDR als einen ihrer Erfolge bezeichnete, kam auch im Rundfunkrat nicht bei allen gut an. Manche Brandenburger störte, dass Vernau keine Ost-Biografie mitbringt.

Im ersten Wahlgang kassierte die Kandidatin aber einen Denkzettel. Sie verfehlte die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit. Eine gute halbe Stunde lang drohte dem RBB der Super-Gau und eine Führungslosigkeit. Schließlich fügte sich eine Mehrheit des Gremiums aber doch. Mit 16 von 20 Stimmen bekam die 49-Jährige im zweiten Anlauf den nötigen Rückhalt. Für ein Jahr soll sie die Nachfolge der fristlos entlassenen Patricia Schlesinger werden.

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RBB-Krise: Interimsintendantin kommt für ein Jahr nach Berlin

Von ihrem Job in Köln lässt sie sich beurlauben, eine Rückkehr auf den gut dotierten Posten ist also möglich, obwohl Vernau sich dem Vernehmen nach auch Chancen ausrechnet, in einem regulären Auswahlverfahren eine Chance auf den Intendantinnen-Posten zu haben. Sie könne sich auch vorstellen, länger als ein Jahr beim RBB zu bleiben, wenn der Rundfunkrat das wolle. Zunächst denke sie aber nur an die nächsten 12 Monate.

Der Rundfunkratsvorsitzende Dieter Pienkny sprach von einigen „Irrungen und Wirrungen“, er sei froh, dass die Hängepartie im RBB vorbei sei. Vernau habe „ausgezeichnete, exzellente Managementqualitäten“. Er sei sicher, dass auch die wunde Seele der Belegschaft geheilt werde.

Die neu gewählte Senderchefin sagte, sie freue sich, dass es im zweiten Wahlgang dann doch ein klares Signal gegeben habe. Sie wolle vor allen Dingen auf die beschäftigten zugehen und „die Menschen wieder hinter den RBB zu bringen. Inhaltlich werde es darum gehen, die „Wirksamkeit der Gremien wieder herzustellen in ihrer Aufsicht“ und ein Team in der Geschäftsleitung zu formieren. „Wir werden alle Aufklärungsarbeiten so schnell wie möglich beenden“, sagte Vernau. Sie müsse auch einen Kassensturz machen, um sicher zu sein, wo RBB stehe.

Früher am Tag hatten die Verwaltungsratsvorsitzende Dorette König, der am Morgen noch amtierende Senderchef Jan Schulte-Kellinghaus sowie für die Belegschaft der Freien-Vertreter Christoph Reinhardt und Journalistenverbands-Chef Stefan Grimberg vor den Abgeordneten des Medienausschusses im Abgeordnetenhaus die strukturellen Mängel im RBB deutlich gemacht.

Die Landesparlamente haben eine Novelle des Rundfunkstaatsvertrages auf dem Zettel. Dabei dürfte es vor allem um eine Korrektur der allmächtigen Stellung der Intendanz und Kompetenzanforderungen für Rundfunkräte gehen. So wie es unter Schlesinger war, soll es jedenfalls nicht bleiben.

Eine total auf die Intendanz zugeschnittene Hierarchie, fehlende interne „Checks and Balances“, zahnlose Kontrollgremien, keine Augenhöhe mit den Beschäftigten sowie allein zwischen Schlesinger und dem zurückgetretenen Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf ausgehandelte Entscheidungen.

Luxusdienstwagen, dubiose Berater-Verträge: Verwaltungsrätin weist Schlesinger die Schuld zu

Verwaltungsrätin König räumte zwar eine Mitverantwortung für die Vorgänge beim RBB ein, die in den vergangenen Wochen Schlagzeilen ausgelöst hatten über abgerechnete private Essen, Luxusdienstwagen, teure Umbauten der Chefetage, enorme Kostensteigerungen beim geplanten digitalen Medienhaus und dubiose Beraterverträge. Letztlich wies König die aber Schuld Schlesinger und Wolf zu.

Der Immobilienunternehmer Wolf sei im Verwaltungsrat zuständig gewesen für den Intendantenvertrag und das digitale Medienhaus. Wolf und Schlesinger, von deren privaten Verbindungen sie nichts gewusst habe, hätten die Verwaltungsräte „unzureichend in die Lage versetzt“, Fragen zu stellen, sagte König. Für sie seien „keine Sachverhalte erkennbar“ gewesen, die „unangemessene Ausgaben und Pflichtverstöße erkennen ließen“.

Als Konsequenz sollen jetzt mehr Verwaltungsräte an wichtigen Beschlüssen beteiligt werden. Zudem brauche der Verwaltungsrat professionelle Unterstützung durch ein Büro mit juristischem und wirtschaftlichem Sachverstand.

Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus verwies auf die bereits gezogenen Konsequenzen. So sei das umstrittene System der Bonuszahlungen für Führungskräfte für Neuverträge abgeschafft. Die Personalabteilung prüfe, wie man, mit bestehenden Verträgen umgehen kann. Der Wirtschaftsplan für 2022 werde nicht bestätigt, solange die Prüfungen der Generalstaatsanwaltschaft, einer Anwaltskanzlei sowie der Rechnungshöfe beider Länder andauerten.

Journalistenverband fordert eine Ombudsstelle für den RBB

Christoph Reinhardt sagte, das Vertrauen der Belegschaft zur gesamten Führungsriege sei „zerbrochen“. Der RBB leide unter einer Zweiteilung, so der Inforadio-Journalist und Sprecher der Freien Mitarbeiter. „Wir haben Redaktion und Programm, und dann gibt es eine Behörde“, sagte Reinhardt. Das sorge für eine „Trennung zwischen oben und unten“.

1500 arbeitnehmerähnlichen Freien stünden 2000 Angestellte gegenüber. Es müssten mehr Beschäftigtenvertreter in den Rundfunkrat, auch im Verwaltungsrat brauche es ein „Korrektiv“ durch die Belegschaft. Stefan Grimberg vom Journalistenverband sagte, die Aufsichtsgremien bräuchten eine größere professionelle Distanz zum Sender.

( mit epd )