Berlin. „55!“… „55!“… „55!“ – gelangweilt und gleichzeitig fast mantraartig wiederholte der Rapper Shindy diese Zahl am Montag im Zeugenstand des Berliner Landgerichts. Die Kammer wollte von dem 33-Jährigen wissen, woher er Anis Ferchichi, besser bekannt als Bushido, und Arafat Abou-Chaker kenne, ob Gewalt zwischen beiden mitbekommen habe, schon einmal in den Geschäftsräumen der beiden in der Treptower Puderstraße war oder sich selbst einmal bedroht gefühlt habe. Die Antwort lautete immer gleich.
Auf Anraten seines Anwalts Benedikt Stehle berief sich Michael Schindler, so Shindys bürgerlicher Name, nämlich auf Paragraf 55 der Strafprozessordnung. Demnach kann ein Zeuge vor Gericht die Antwort verweigern, wenn er sich dadurch selbst einer Straftat bezichtigt. „Gegen meinen Mandanten läuft ein Steuerstrafverfahren, in dem es auch um die Beziehungen zu Herrn Abou-Chaker und Herrn Ferchichi geht“, sagte Stehle.
Jede Frage, die Rückschluss über diese Beziehung geben würde, werde er daher nicht beantworten. Ob er also einmal von Arafat Abou-Chaker in der Schweiz angegriffen wurde, wollte der Vorsitzende Richter Martin Mrosk wissen. Antwort: „55… auch in der Schweiz.“
Arafat Abou-Chaker soll Bushido bedroht und geschlagen haben
Zu grotesken Szenen kam es in Prozess gegen den vermeintlichen Clanchef Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder bereits immer wieder. Seit zwei Jahren müssen sich die vier Männer vor der 38. Strafkammer des Landgerichts unter anderem wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Nötigung und Beleidigung verantworten.
Sie sollen Bushido unter anderem am 18. Januar 2018 eingesperrt, bedroht und geschlagen haben. Nachdem sein ehemaliger Geschäftspartner sich von ihm gelöst hatte, habe Arafat Abou-Chaker so eine Abfindung erpressen wollen, so die Anklagte. Die beruft sich auf Bushidos Aussage, der im Prozess als Nebenkläger auftritt.
Shindy reiht sich dabei in eine ganze Reihe prominenter Zeugen aus dem Rapmusikszene. Heute zählt der Baden-Württemberger zu den erfolgreichsten Rappern Deutschlands. Seine ersten Erfolge feierte er, nachdem ihn Bushido bei seinem Label „Ersguterjunge“ unter Vertrag nahm. Dass Shindys Anwalt am Montag am liebsten offen ließ, ob sein Mandant Bushido überhaupt kenne, stieß im Gerichtssaal auf Unverständnis. „Dies ist doch nun hinlänglich bekannt“, so der der Vorsitzende Richter Martin Mroz.
Shindy soll 1000 Euro Ordnungsgeld zahlen oder ersatzweise in Haft
Die Kammer war ferner nicht der Meinung, dass sich Shindy auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen kann. Entsprechend verhängte es auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Ordnungsgeld von 1000 Euro oder ersatzweise acht Tage Haft. Ein weiterer Antrag auf sechs Monate Beugehaft, um die Aussage zu erzwingen, wurde zunächst ausgesetzt. Shindys Anwalt Stehle kündigte an, Einspruch dagegen einlegen zu wollen und dann die Entscheidung des Kammergerichts abzuwarten. Kommt das zu demselben Schluss wie die 38. Kammer, werde sein Mandant die Fragen beantworten.
Wann das soweit ist, bleibt zunächst unklar. Als nächstes dürfte sich der Fokus wieder auf Bushido legen. Dieser bot am Montag an, ab dem 15. August wieder als Zeuge Rede und Antwort zu stehen.
Zwar sagte der Rapper bereits zu Prozessbeginn über 25 Verhandlungstage umfassend aus. Allerdings tauchte vor einigen Monaten ein Audiomitschnitt auf, der die Ereignisse am 18. Januar 2018 deutlich anders wiedergeben soll als von Bushido beschrieben. Sein Anwalt hingegen geht von einer Fälschung der Aufnahme aus.
Ein Urteil in dem Prozess, der am 17. August 2020 begann, ist derzeit für den 26. Oktober vorgesehen.