Berlin. Vermüllung, Lärmbelästigung, „wildes Urinieren“, wiederholte Polizeieinsätze und eine erhebliche Einschränkung der „Erholungsfunktion und des ökologischen Werts der Grünanlage“: Das soll es in Zukunft nicht mehr geben. Da der Alkoholkonsum nach Ansicht des Bezirksamts Mitte „als Hauptkatalysator für solches Fehlverhalten“ im James-Simon- und im Monbijoupark gilt, ist das Trinken und Mitführen entsprechender Getränke seit Freitag in der Zeit von 22 bis 6 Uhr verboten. Die Verfügung des Bezirks Mitte soll zunächst bis 11. September gelten. Eine Entscheidung, die nicht überall auf Zustimmung stößt und viele Fragen aufwirft.
Alkoholverbot in Parks: Was ist genau verboten?
Nicht erlaubt ist der Konsum und das Mitführen alkoholischer Getränke. Nicht verboten ist hingegen, vorher zu trinken und unter Alkoholeinfluss in die Parks zu gehen. Wer mit Bier, Wein oder Schnaps in der Tasche die Parks nur durchqueren will, darf das. Die Flasche dabei aber herausholen und daraus zu trinken, ist verboten.
Wie wird das Alkoholverbot kontrolliert?
Das war am Freitag noch unklar. „Die genaue Ausgestaltung der Kontrollen wird sich lageabhängig zeigen“, hieß es vom Bezirksamt Mitte auf Anfrage. Für die Behörden gebe es mit dem Verbot nun eine niedrigschwelligere Handhabe, für Ordnung zu sorgen. An der östlichen Seite der James-Simon-Parks wurden bereits vor einigen Wochen provisorische Zäune aufgestellt. Weitere seien aber nicht geplant, heißt es.
Wer kontrolliert das Alkoholverbot?
In erster Linie ist das Ordnungsamt des Bezirks Mitte zuständig. Das ist zwischen Sonntag und Donnerstag allerdings nur bis 22 Uhr sowie freitags und sonnabends bis 24 Uhr im Dienst. Danach ist die Kontrolle Sache der Polizei. „Der Bezirk hat ein entsprechendes Amtshilfeersuchen an die Berliner Landespolizei gestellt“, heißt es aus dem Rathaus Mitte. Ab kommender Woche werde der Ordnungsdienst die Polizei freitags und sonnabends unterstützen. An diesem Wochenende seien die Kräfte zu sehr durch den Christopher Street Day (CSD) gebunden, der zum großen Teil ebenfalls durch Mitte zieht.
Was droht bei Verstoß gegen das Alkoholverbot?
Ein Verstoß gegen die Allgemeinverfügung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Dabei kann ein Verwarngeld in Höhe von 50 Euro oder ein Bußgeld verhängt werden. Bei Letzterem liegt der Rahmen zwischen 100 und 3000 Euro.
Gilt das Alkoholverbot auch für die Außenbereiche der Bars im S-Bahn-Aquädukt?
Nein. Wer im „Palladium“ oder in der „Mokka Mitte Bar“ draußen nach 22 Uhr noch etwas trinken will, darf das. Denn die Außenbereiche liegen nicht in der Grünanlage, für die das Verbot gilt, sondern auf dem Gelände der Deutschen Bahn. „Für genehmigte Freischankflächen sieht die Allgemeinverfügung eine Ausnahme vor“, heißt es vom Bezirksamt.
Gibt es noch andere Orte in Mitte, an denen ein Alkoholverbot gilt?
Medienberichten zufolge soll für den Alexanderplatz bereits 2009 eine entsprechende Verfügung erlassen worden sein. Der Bezirk bestätigte das auf Nachfrage nicht. „Bislang gibt es keine weiteren Orte in Mitte, an denen ein Alkoholverbot gilt“, heißt es. Ausgenommen seien Kinderspielplätze.
Welche Kritik gibt es an der Verfügung?
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Berlin geht nicht davon aus, dass sich durch das Alkoholverbot etwas ändern wird. Es sei vielmehr „der hilflose Versuch, sich hier wieder aus der Verantwortung zu ziehen“, sagt Sprecher Benjamin Jendro. Die GdP befürchtet, dass die Durchsetzung am Ende an der Polizei hängen bleibt, da die bezirklichen Ordnungsämter in der betreffenden Zeit normalerweise nicht arbeiten. „Es kann nicht sein, dass alle in den Sommerurlaub fahren und darauf vertrauen, dass Polizei und Feuerwehr wie immer in dieser Stadt alle Probleme lösen“, so Jendro weiter.
Und auch im Bezirksamt selbst gibt es kritische Stimmen. „Ich halte das Verbot für extrem schwierig umsetzbar“, sagte ein Mitarbeiter der Berliner Morgenpost. Wie wolle man kontrollieren, ob wirklich niemand Alkohol dabeihat? Und wo werde die Grenze zwischen denen, die sich im Park aufhalten, und denen, die ihn nur durchqueren und entsprechende Getränke mitführen dürfen, gezogen? „Es ist alles sehr schwammig“, so der Mitarbeiter weiter. Das Verbot werde außerdem höchstens dazu führen, dass sich die Partys in andere Parks verlagern, wie es bereits im vergangenen Sommer zu beobachten war.
Wohin verlagert sich das Problem?
In den Mauerpark an der Grenze zu Prenzlauer Berg und Wedding. Dorthin wanderte die Partyszene bereits im August 2021 ab, nachdem der James-Simon-Park nachts geschlossen wurde. Im Mauerpark verzichtete das Bezirksamt Pankow allerdings auf Restriktionen – auch wenn sich die Probleme in beiden Grünanlagen ähneln. Weder ein Alkohol-Bann noch eine nächtliche Schließung kämen derzeit als Lösung infrage, betont Ordnungsstadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) auf Morgenpost-Anfrage. Solche Einschränkungen dürften nur „das letzte Mittel“ sein. Die ungehinderte Parknutzung gelte in Pankow zum Beispiel auch beim Streit um Regelbrüche am Weißen See als wichtiges Gut.
Warum bleibt Alkoholgenuss im Mauerpark auch nachts erlaubt?
Im Bezirksamt Pankow kommt man bei ähnlichen Problemen zu ganz anderen Schlussfolgerungen als in Mitte. Es überwiegen rechtliche und praktische Zweifel an der Umsetzbarkeit eines nächtlichen Alkoholverbots. Der Grundsatz lautet: Wenn ein Alkoholverbot greifen soll, dann ausnahmslos. Doch gerade dies scheint aus Sicht des Bezirks „im Hinblick auf völlig friedfertige Personen oder Personengruppen, die bei einem Becher Wein oder Radler den Nachmittag im Park verbringen, vollkommen unverhältnismäßig“, so Anders-Granitzki weiter. Erhebliche Zweifel hegt das Bezirksamt auch an der Durchsetzbarkeit und daran, ob das Verbot im Zweifel vor Gericht bestehen würde. Ähnlich wie die Mitarbeiter des Bezirksamts Mitte sieht auch Pankows Ordnungsstadträtin zu viele offene Fragen, bei denen nicht anhand objektiver Kriterien entschieden werden könne.
Was tut der Bezirk Pankow stattdessen?
Nach Corona-Partys im Bürgerpark Pankow in den Jahren 2020 und 2021 hat sich die Lage dort wieder beruhigt – auch ohne die damals geforderte Nacht-Schließung. Heftige Diskussionen um eine Anpassung der Öffnungszeiten endeten mit der Erklärung des Bezirks, die Einzäunung sei zu teuer. So blieb der Park offen, die Lage beruhigte sich dennoch. Die Verantwortlichen im Rathaus werteten das als Indiz, dass der Einsatz von Parkläufern mittelfristig hilft. Auch im Mauerpark will man verstärkt auf die Einsatzkräfte mit den grünen Westen setzen. Kommunikation mit Problemgruppen hält auch der Verein Freunde des Mauerparks für entscheidend. Er will gemeinsam mit dem Bezirk ein Präventionskonzept erarbeiten. „Zäune und Alkoholverbote sind kein Lösung“, sagt der Vorsitzende Alexander Puell.