Senatskanzlei

Giffey führt Videogespräch mit falschem Vitali Klitschko

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Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, brach am Freitag ein Videogespräch mit einem Mann ab, der sich als Vitali Klitschko ausgab.

Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, brach am Freitag ein Videogespräch mit einem Mann ab, der sich als Vitali Klitschko ausgab.

Foto: Christoph Soeder / dpa

Ein Mann gab sich als Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko aus, doch Berlins Senatschefin und ihrem Team kamen Zweifel.

Berlin. Nach einem Fake-Telefonat eines vorgeblichen Vitali Klitschko mit Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ermittelt der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz der Kriminalpolizei. Es werde ein politisches Motiv angenommen, sagte ein Polizeisprecher am Sonnabendvormittag.

Die Berliner Polizei kann zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht sagen, um was für einen Tatbestand es sich bei dem vermeintlichen Deep-Fake-Anruf handelt. „Das muss jetzt im weiteren Verlauf der Ermittlungen geklärt werden“, sagte der Sprecher. Allerdings schloss er aus, dass es sich um den Tatbestand des Betrugs handelt. Dafür müsste der Unbekannte die Absicht gehabt haben, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen.

Franziska Giffey war am Freitagnachmittag Opfer des Betrügers geworden. Ein Video-Gespräch mit einer Person, die sich als Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, ausgab, sei vorzeitig beendet worden. Während des vertraulichen Gesprächs, an dem neben Giffey auch Mitarbeiter der Senatskanzlei teilnahmen, seien Zweifel an der Echtheit der Person aufgekommen, sagte Lisa Frerichs, Sprecherin der Senatskanzlei, der Berliner Morgenpost.

Während der für 17 Uhr auf der Homepage der Senatskanzlei angekündigten Video-Konferenz hätten der Verlauf des Gesprächs und die Themensetzung auf Berliner Seite Misstrauen hervorgerufen, so Frerichs. Das Gespräch, das sich allgemein um die Zusammenarbeit beider Städte habe drehen sollen, sei zunächst unauffällig gestartet, so die Sprecherin, die bei der Videokonferenz dabei war.

Falscher Klitschko: Nach 15 Minuten kamen den Zuhörern in Berlin Zweifel

An der Person habe nichts, weder Aussehen und Gestik, darauf schließen lassen, dass es sich nicht um Vitali Klitschko handeln könne, so Frerichs. Die Person habe Russisch gesprochen und ihre Aussagen seien übersetzt worden. „Darum war mit Rücksicht auf andere Zuhörer im Vorfeld gebeten worden.“ Der ukrainische Politiker und ehemalige Profiboxer spricht fließend Deutsch.

„Zunächst ging es in dem Gespräch um allgemeine Fragen wie den Umgang mit den Geflüchteten aus der Ukraine“, so die Sprecherin. „Die Person fragte, wie viele Menschen Berlin aufgenommen habe, wie viel Geld die Unterstützung koste, ob die Stadt mit der Herausforderung klar komme – erwartbare Fragen also.“

Nach etwa 15 Minuten hätten weiteren Fragen des vermeintlichen Kiewer Bürgermeisters die Zuhörer jedoch stutzig gemacht. So habe dieser sich erkundigt, „ob wir in Berlin erlebt hätten, dass sich viele Ukrainer hier Sozialleistungen erschleichen wollten“, so Frerichs. Eine andere Frage habe den Verdacht verdichtet. „Er fragte, ob Berlin darauf einwirken könne, dass ukrainische Männer aus Deutschland in die Heimat zurückkehren könnten, um dort zu kämpfen.“

Das letzte Thema sei dann noch auffälliger gewesen: „Er hat gefragt, ob wir Kiew beratend unterstützen könnten, eine Art CSD (Christopher Street Day) auszurichten. Das war angesichts des Krieges schon mehr als seltsam.“

Giffey: „Gehört leider zur Realität, dass der Krieg mit allen Mitteln geführt wird“

In dem Moment, als den Zuhörern in Berlin Zweifel kamen, sei das Gespräch technisch zusammengebrochen, so Frerichs. „Möglicherweise war dem Gegenüber klar, was wir vermuteten.“ Zunächst hatte die Senatskanzlei getwittert, das Gespräch sei vorzeitig abgebrochen worden.

Das Gespräch sei auch nicht wieder aufgenommen worden. Franziska Giffey habe stattdessen Andrij Melnyk, den ukrainischen Botschafter in Deutschland, kontaktiert. Dieser habe über einen Anruf in Kiew bestätigen lassen, dass der echte Vitali Klitschko am Freitag in keiner Videoschalte mit der Regierenden Bürgermeisterin gewesen sei.

Melnyk sei nicht überrascht von der Vorgehensweise gewesen, so die Sprecherin. „Allem Anschein nach war es ein Deep Fake.“ „Deep fakes“ sind künstlich erzeugte Inhalte wie etwa Videos, die sich von realem Material kaum unterscheiden lassen.

Franziska Giffey teilte über den Twitterkanal ihrer Senatskanzlei mit, es gehöre „leider zur Realität, dass der Krieg mit allen Mitteln geführt wird – auch im Netz, um mit digitalen Methoden das Vertrauen zu untergraben und Partner und Verbündeten der Ukraine zu diskreditieren“.

Anfrage zum Gespräch über E-Mail-Adresse mayor.kyiv@ukr.net

Eine Aufzeichnung des Gesprächs gibt es nicht. Wie Senatssprecherin Lisa Frerichs erklärte, sollte das Gespräch vertraulich sein, in solchen Fällen würden keine Aufzeichnungen angefertigt. Lediglich Fotos seien während der Videokonferenz gemacht worden.

Das Gespräch sei per E-Mail am 2. Juni in der Senatskanzlei angefragt worden. „Angekündigt waren die Themen künftige Zusammenarbeit der beiden Städte in den Bereichen Wirtschaft und Kultur, humanitäre Projekte in der Ukraine und die aktuelle Lage im Land“, so Frerichs. Die Themensetzung sei damit klar und „schlüssig“ gewesen.

Nach Informationen der Morgenpost hat sich der Unbekannte bei der Kontaktaufnahme als Mitarbeiter aus dem Stab Vitali Klitschkos ausgegeben. Wie die „Bild“ am Sonnabend berichtete, sei für die Anfrage aber offenbar keine offizielle E-Mail-Adresse der Stadt Kiew genutzt worden. Diese tragen die Endung gov.ua, Die Anfrage an die Senatskanzlei kam demnach aber von der E-Mail-Adresse mayor.kyiv@ukr.net. Auf der Internetseite accounts.ukr.net lassen sich, ähnlich wie bei den Angeboten von GMX oder Gmail schnell entsprechende E-Mail-Adressen einrichten.

Senatssprecherin Frerichs erklärte, es sei insbesondere seit Kriegsbeginn nicht ungewöhnlich, von E-Mail-Adressen kontaktiert zu werden, die ohne offizielle Signatur oder Domain sind. „Unsere etablierten Kontakte kommunizieren seit längerem auf diese Weise mit Kolleg:innen in der Senatskanzlei“, so Frerichs. „Das geschieht gerade vor dem Hintergrund etwaiger Attacken auf die Netze.“

Zudem verwies die Sprecherin darauf, dass auch andere Stellen über das geplante Gespräch zwischen Giffey und Klitschko, die sich noch nie persönlich begegnet sind, informiert waren. So hätten sowohl das internationale Büro Kiew als auch die ukrainische Botschaft Kenntnis von dem Termin gehabt

Bürgermeister von Madrid und Wien erhielten ähnlichen Videoanruf

Auch in Madrid wurde Bürgermeister José Luis Martinez-Almeida bei dem Videotelefonat mit dem vorgeblichen Bürgermeister Klitschko schnell misstrauisch und brach das Gespräch ab, wie der Sprecher des Bürgermeisteramtes, Daniel Bardavío Colebrook, bestätigte. Es sei Anzeige wegen Vorspiegelung einer falschen Identität gegen Unbekannt erstattet und das Bürgermeisteramt in Kiew informiert worden. Martinez-Almeida werde den echten Klitschko am Sonnabend anrufen.

Einen ähnlichen Vorgang gab es in Wien: Dessen Bürgermeister Michael Ludwig bemerkte den Fake nicht und twitterte danach noch darüber, so Bild. Das dortige Gespräch war von einem angeblichen Stabschef von Vitali Klitschko vereinbart worden, der noch fragte, ob die Sitzung per Zoom oder Webex stattfinden solle.

Der echte Vitali Klitschko hofft derweil auf ein baldiges Gespräch mit Franziska Giffey. Der „Bild“-Zeitung sagte Klitschko, nachdem er von dem Fake-Anruf bei Giffey und Madrids Bürgermeister erfahren habe: „Ich hoffe, dass wir bald über meine offiziellen Kanäle telefonieren können.“ Klitschko fügte hinzu: „Ich brauche dann auch keine Übersetzer.“

( mit juwue/jes )