Berlin. Die Sorge aller Ärzte-Fans war groß: Nachdem das erste von drei Konzerten der Berliner Punkrock-Band auf dem Tempelhofer Feld am Freitag wegen Unwetters ausfallen musste, spürte man die Erleichterung der 60.000 Fans am Sonnabend sofort, als feststand, dass sie nicht vergebens auf einen Auftritt warten müssen.
Während die Vorbands „Muff Potter“ und „SDP“ spielten, dauerte es zwar etwas, bis die Menge so richtig in Fahrt kam. Doch spätestens als SDP-Sänger Vincent Stein einräumte: „Wir sind ja auch schließlich nur die Vorband“ und daraufhin Ärzte-Drummer Bela B auf die Bühne stürmte, um ein paar Liedzeilen mit dem SDP-Sänger zu schmettern, war das Konzert in vollem Gange. Und die Fans sollten von der selbsternannten „besten Band der Welt“ nicht enttäuscht werden. Denn auch wenn der Himmel grau war, drangen direkt zu Beginn die ersehnten Liedzeilen „Der Himmel ist blau und der Rest deines Lebens liegt vor dir“ aus dem Song „Himmelblau“ von der Bühne. Die Menge jubelte laut. „Berlin, heute zieh’n wir so richtig durch“, rief Bela B den Fans zu.
Die Ärzte live in Berlin: Zu „Besserwisserboy“ werfen Tausende die Hände in die Luft
Dank der gewohnt fetzigen Rhythmen und einprägsam-ironischen Texte der Ärzte ließ sich das Publikum nicht lange bitten. Während im Hintergrund das einprägsame Ä mit den drei großen Punkten leuchtete, wurde wild getanzt und mitgegrölt. Schon entstanden die ersten Moshpits, und die Fans schubsten sich durch die Gegend. „Alter, ihr seid echt viele“, stellte Sänger Farin Urlaub begeistert fest, während Tausende beim Refrain des Liedes „Besserwisserboy“ ihre Arme in die Luft warfen. Vereinzelt wurden sogar Menschen über die Menge hinweg in Richtung Bühne getragen.
Dass der Punkrock-Band auch BHs zugeworfen wurden und einige Frauen vor laufenden Kameras blank zogen, kommentierte Bela B lachend mit den Worten: „Wir bleiben beim Thema“. Prompt erklangen die ersten Töne von „Unrockbar“. Neben neueren Hits wie „Ich am Strand“ konnten sich die Zuschauer auch über alte Hits wie „Manchmal haben Frauen“ freuen. Als Farin Urlaub schließlich fragte, ob das Publikum Lust hätte, „mal so richtig Scheiße zu bauen“ – und natürlich großen Zuspruch bekam, startete Rodrigo González den altbekannten Song „Fiasko“ mit einem mitreißenden Bass-Intro.
Die Ärzte-typische Show aus Rock-Musik, Party und humorvoll-ironischen Sprüchen zog die Fans am Sonnabend voll in ihren Bann. „Das Konzert ist der Wahnsinn und es tut megagut, nach so langer Zeit endlich mal wieder mit den Ärzten zu feiern“, meint Zuschauer Lukas. Etwas ungünstig gewählt sei nur die Location, findet seine Freundin Sarah. „Dadurch, dass es auf dem Tempelhofer Feld keine Ränge gibt, sondern alle auf einer Ebene stehen, hat man nur von ganz vorne oder von ganz hinten einen guten Blick auf die Bühne“, erklärt sie.
Konzert der Ärzte in Berlin: 100 Prozent Ökostrom, kompostierbare T-Shirts und Humus-Toiletten
Doch angesichts des überzeugenden Konzerts nahmen das die Ärzte-Fans in Kauf, und das Tempelhofer Feld brachte schließlich auch etwas Gutes mit sich: Unter dem Motto einer „cradle to cradle“ (Wiege zu Wiege) Kreislaufwirtschaft starteten die Ärzte zusammen mit den Toten Hosen den Versuch, nachhaltige Konzerte mit 100 Prozent Ökostrom, kompostierbaren T-Shirts und Humus-Toiletten auf dem Tempelhofer Feld zu veranstalten. Auch am Sonnabend fand eines dieser ökologisch- nachhaltigen Konzerte statt.
„Ist ja scheiße, wenn wir euch die ganze Zeit sagen, ihr sollt was verändern, aber wir selbst nichts machen“, begründete Bela B am Sonnabend, wieso sie mit den nachhaltigen Konzerten nun mit gutem Beispiel vorangehen wollen. Die Menge applaudierte kräftig, und passend dazu ertönte auch der Refrain „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wäre nur deine Schuld, wenn sie so bleibt“, aus dem Song „Deine Schuld“.
Den stetigen Wechsel von Liedern wie „Wissen“, das von Liebe und Herzschmerz handelt, schnellen Rocksongs wie dem 2021 erschienenen „Noise“ und den fröhlichen Party-Hits „Hurra“ und „Monsterparty“ bezeichnete Farin Urlaub als „Wechselbad der Gefühle“. Damit schien die Berliner Band großen Anklang bei ihrem Publikum zu finden, das altersmäßig sehr durchmischt war. „Die Musikauswahl ist ungewöhnlich und vielseitig, aber große Klasse“, meinte ein älterer Fan, während er den Klassiker „Anneliese Schmidt“ mitsang.
Klassiker wie „Junge“ oder „Lasse redn“ bilden den krönenden Abschluss
Der Hit aus dem Album „Die Ärzte früher“ von 1983 blieb bei weitem nicht der Einzige aus dieser Zeit, denn als sich das Konzert dem Ende zuneigte, bekamen die Fans zu ihrer Begeisterung einen ganzen Block aus den 1980er-Jahren zu hören. „Wir sind nämlich niemals wieder so gut geworden, wie in den Achtzigern“, räumt Bela B lachend ein.
Dass es währenddessen zu regnen anfing, störte weder die Fans noch die Ärzte auch nur im Geringsten. Ganz im Gegenteil: Bei der anschließenden Zugabe drehten die Ärzte noch einmal voll auf und legten mit gefeierten Klassikern wie „Junge“, „Lasse redn“ und „Schrei nach Liebe“, auf die alle gewartet hatten, einen krönenden Abschluss auf dem Tempelhofer Feld hin.