Berlin. Die Nachfrage nach Flugreisen steigt, doch Urlauber begleitet in diesem Sommer auch eine gewisse Unsicherheit. Denn weil das Personal an vielen Stellen knapp ist, streichen Airlines in den kommenden Monaten Hunderte Flüge.
Zunächst hatte Lufthansa bekanntgegeben, für Juli insgesamt 900 Flüge innerhalb Deutschlands und Europas an den Drehkreuzen in Frankfurt und München aus dem System genommen zu haben; auch bei der Tochter Eurowings sind mehrere Hundert Flüge betroffen.
Am Freitag wurde nun öffentlich, dass auch Easyjet sein Sommerprogramm zusammenstreicht – bis Ende August sollen täglich zwölf Flüge von und zum BER ausfallen. Es bleiben dann noch etwa 100 Flüge am Tag. Zuerst hatte die „Märkische Allgemeine“ berichtet.
Easyjet: 450 Kabinen-Beschäftigte gehen in den Warnstreik
Zugleich beschäftigt Easyjet weiter der Tarifkonflikt, der am Freitag bereits einen Warnstreik am Hauptstadtflughafen zur Folge hatte. In den Morgenstunden wurden gut 20 Flüge gestrichen, unter anderem nach Nizza, Palma de Mallorca und Amsterdam.
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Die Gewerkschaft Verdi fordert für die Kabinen-Beschäftigten mindestens fünf Prozent mehr Gehalt sowie eine Einmalzahlung, als Ausgleich für die aktuellen Preissteigerungen. „Wir erwarten in den nächsten Tagen eine Reaktion des Unternehmens und hoffen, dass Easyjet das Zeichen klar erkannt hat“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Holger Rößler. Nahezu alle der 450 Kabinen-Beschäftigten hätten sich an dem Streik beteiligt.
Auch Rößler kann den Personalmangel in der Branche bestätigen, das betreffe Dienstleister wie auch manche Airlines. „Einige Fluggesellschaften haben in verschiedenen Ländern einen Mangel an Crews“, sagte Rößler. In der Folge gebe es eine starke Arbeitsbelastung für die vorhandenen Mitarbeiter, durch Flugstreichungen änderten sich außerdem die Dienstpläne, was gerade für Menschen mit Kindern schwierig sei. „Und die höhere Belastung führt natürlich auch zu höheren Krankenständen“, so Rößler.
Easyjet verweist auf einen hohen Krankenstand
Mit einem überdurchschnittlich hohen Krankenstand der Besatzung erklärte auch Easyjet am Freitag das Streichen von Flügen während der Sommermonate, hinzukomme ein schwieriges operatives Umfeld. „Wir bedauern sehr die Kurzfristigkeit einiger dieser Flugstreichungen und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten für die Kunden, die auf diesen Flügen gebucht sind“, sagte eine Sprecherin.
Die Betroffenen könnten umbuchen oder eine Rückerstattung erhalten. Die Sprecherin betonte, Easyjet selbst habe aber genügend Personal, um den regulär geplanten Sommerflugplan durchzuführen, wenn der Krankenstand normal ist.
Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV, sagt, dass man in den Sommerferien wieder mit 80 Prozent der Passagiere des Vorkrisenniveaus rechne. „Gleichzeitig hat es während der Corona-Pandemie, als der Luftverkehr zum Erliegen kam, eine massive Abwanderung von Personal gegeben. In den Sicherheitskontrollen, beim Check-in sowie in der Flugzeugabfertigung sind rund 20 Prozent der Stellen unbesetzt“, sagt er. Eine kurzfristige Nachbesetzung sei jedoch wegen der strengen Sicherheitsauflagen mit der sogenannten Zuverlässigkeitsprüfung kaum möglich.
Flugpläne sind laut Verband noch durcheinander
Hinzukommt laut Beisel, dass die Verteilung der Flüge noch sehr ungleichmäßig sei. „Da viele Flugpläne noch durcheinander sind, gibt es in der Phase des Wiederanlaufens des Luftverkehrs eine Konzentration auf wenige Spitzenstunden“, erklärt er. „Zu diesen Verkehrsspitzen besteht ein massiver Personalbedarf, während zu anderen Tageszeiten deutlich weniger Personal benötigt wird.“
Auch wenn die Flughafenbetreiber Bodendienstleister, Bundespolizei oder Security-Firmen „nach Kräften“ unterstützen würden, bittet Beisel die Passagiere ebenfalls um Mithilfe. Dazu zählt, zweieinhalb bis drei Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein, Rucksäcke so zu packen, dass die Sicherheitskontrollen möglichst schnell gehen, und Dokumente griffbereit zu haben.
Am Flughafen BER, wo die Fluggastzahlen zuletzt bereits wieder deutlich zugelegt hatten, laufen die Vorbereitungen für den Sommer. Die Auslastung der Flugzeuge wird dann mit rund 90 Prozent kalkuliert. Angesprochen auf mögliche Personalengpässe, erklärt BER-Sprecher Jan-Peter Haack, man plane mit den Partnern „einen möglichst effizienten Ressourceneinsatz“. „Als Flughafengesellschaft nehmen wir eine koordinierende Rolle ein und unterstützen immer da, wo es erforderlich und möglich ist“, sagt er.
Ausfälle sollen am Flughafen BER die Ausnahme bleiben
Für Zuversicht sorgt, dass der Betrieb an Pfingsten oder Ostern weitgehend reibungslos geklappt hat. Neben Easyjet haben im Juni allerdings auch die Airlines KLM oder Sundair Flüge vom BER gecancelt. „Vereinzelte Ausfällen aufgrund der branchenweit angespannten Personalsituation können auch am BER nicht vollständig ausgeschlossen werden“, räumt Haack ein, diese „sollten aber die Ausnahme bleiben“.
Wenn doch ein Flug gestrichen wird, ist die Airline unter anderem verpflichtet, „dem Fluggast die Erstattung des Ticketpreises oder eine anderweitige Beförderung anzubieten“, erklärt Josephine Frindte von der Verbraucherzentrale Berlin. Bei einer kurzfristigeren Annullierung des Flugs, innerhalb von zwei Wochen vor Abflug, kann eine pauschale Entschädigung hinzukommen.
Ansprüche gibt es etwa auch, wenn der gecancelte Flug weitere Folgen hat, etwa bei einem für den Urlaub gebuchten Mietauto. „Erleiden Kunden aufgrund einer Annullierung einen finanziellen Schaden, da der reservierte Mietwagen nun weg ist und die Neubuchung teurer ist, so kann dieser der Fluggesellschaft in Rechnung gestellt werden“, sagt die Juristin.