Berlin. Die CDU hat den Berliner Senat aufgefordert, angesichts der hohen Inflation ein Gebührenmoratorium zu verhängen und die in Landesverantwortung liegenden Abgaben der Bürger nicht zu erhöhen. „Es ist eine landespolitische Aufgabe, Bürger vor weiteren Preissteigerungen zu bewahren“, sagte der CDU-Abgeordnete Björn Wohlert und nannte als Beispiele die Parkgebühren und Reform der Grundsteuerreform, die viele Hausbesitzer im Osten treffe. „Soziale Sicherung ist wichtiger als Bullerbü“, sagte der Christdemokrat unter Anspielung auf die Stadtumbaupläne der Grünen. Zudem müsse die Wirtschaft entlastet und gestärkt werden.
Zugleich fordert die CDU einen Ausgleich für Bürger durch Zuschüsse oder Förderprogramme. Die Zahl der Menschen, die zur Tafel gehen, habe sich verdoppelt, erste Tafeln hätten einen Aufnahmestopp für Bedürftige verhängt. „Das zeigt, wie ernst die Lage ist“, sagte Wöhlert. Berlin brauche zudem einen Härtefallfonds für Heiz- und Stromkosten.
Der Sozialdemokrat Jörg Stroedter konterte: Die Koalition habe einen Härtefallfonds eingerichtet, die CDU habe dem aber im Wirtschaftsausschuss nicht zugestimmt. Er verwies auf den Härtefallfonds und den Verzicht der Bezirke auf Nutzungsgebühren für das öffentliche Straßenland. Der Wirtschaftsexperte sprach sich dafür aus, die Energieversorgung als Daseinsvorsorge „vollständig in staatliche Hand“ zu bringen. „Nur so können die Bürger vor Spekulation geschützt werden“, sagte Stroedter. Der nächste Schritt in dieser Richtung müsse die Rekommunalisierung der Gasag und der Wärme in einem integrierten Landesbetrieb sein. „Dafür erwarte ich die Unterstützung der CDU“, so der SPD-Abgeordnete.
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AfD: Ursachen der Probleme und Lösungen liegen in Bundeshand
Die AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker verortete die Ursachen der Probleme und die Lösungen vor allem beim Bund. Benzin und Strom seien deswegen so teuer, weil der Bund erhebliche Steuern darauf erhebe. Strom sei auch wegen des Atomausstiegs und der Energiewende teurer als in anderen Staaten.
Taylan Kurt von den Grünen zeichnete ein dramatisches Bild. „Die Preise fressen den Menschen die Einkommen weg. Ein sorgenfreies Leben ist für viele mit kleinem Einkommen kaum mehr möglich“, sagte Kurt. Bereits im vergangenen Jahr seien 14.000 Haushalten die Strom- und Gasversorgung gesperrt worden. „Wir alle können uns ausmalen, was im nächsten Jahr kommt“, so der Grüne: „Wir brauchen ein Moratorium für Energiesperren wie unter der Corona-Pandemie.“
Für die FDP sagte Tobias Bauschke, die Inflation treffe vor allem die Ärmsten in der Gesellschaft, aber auch Auszubildende. Er warf der CDU „Scheinheiligkeit“ vor, sprach aber zu leeren Bänken. Die gesamte Fraktionsspitze und viele Abgeordnete der CDU hatten während der von ihnen selbst beantragten Aktuellen Stunde den Saal verlassen.
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Sozialsenatorin Kipping (Linke): Senat nimmt Gefahr wachsender Armut sehr ernst
Sandra Brunner (Linke) sagte, das Problem der Energiearmut sei seit Jahren bekannt. Die im Hartz-IV-Regelsatz enthaltenen 36 Euro monatlich für Energie reichten noch nie, die Sätze müssten steigen. Die Erhöhung von Parkgebühren seien nicht der soziale Sprengstoff. Energiesperren mit ausgefallenem Kühlschrank, kalter Wohnung und ohne Herd seien eine extreme Form der Ausgrenzung und müssten vom Bund verboten werden.
Die Koalition lege 380 Millionen Euro für die gestiegenen Energiekosten unter anderem für Landesunternehmen, Schulen und Behörden zurück, darunter sei auch der Härtefall-Fonds. Sie verwies auf die mit dem noch diskutierten Haushalt 2022/23 auf die dritte Klasse ausgeweitete Beitragsfreiheit für Schulhorte, das bereits früher beschlossene Gratis-Schülerticket und das kostenfreie Schulessen. Aber das Land Berlin könne nicht der Ausfallbürge dafür sein, dass der Bund seine Aufgaben zur Entlastung der Menschen nicht erledige.
Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) sagte, der Senat nehme die Gefahr wachsender Armut sehr ernst. Sozial Schwache seien schon von der Umweltverschmutzung, der Corona-Pandemie und jetzt von der Inflation am stärksten betroffen gewesen. Kipping sprach sich erneut für eine „Übergewinnsteuer“ für Konzerne aus, die in der Krise besonders hohe Gewinne erzielen. Berlin werde der Bundesratsinitiative Bremens beitreten, sagte Kipping, um einen „Lastenausgleich“ zu ermöglichen. Sie verwies zudem darauf, dass Berlin den Mindestlohn für öffentliche Auftragnehmer auf 13 Euro anheben werde. Auch die Regeln für die Übernahme von Wohnkosten für Sozialleistungsempfänger würden angepasst. Neben dem 380-Millionen-Euro Notfallfonds habe die Koalition eine Resilienz-Rücklage beschlossen, um in der Krise weiter handlungsfähig zu bleiben. Der Schutz vor Armut gehöre zum „Kern unserer sozialen Demokratie“.
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