Berlin. Überraschende Wende im Prozess gegen Arafat Abou-Chaker und seine Brüder: Das Gericht folgt der Anklage offensichtlich in wesentlichen Punkten nicht, wie Martin Mrosk, Vorsitzender Richter der 38. Strafkammer, am Dienstag in einem Zwischenfazit bekannt gab. Nach fast zwei Jahren Prozess ist das eine herbe Schlappe für die Berliner Staatsanwaltschaft.
Bushido-Prozess; Was wird Arafat Abou-Chacker und seinen Brüdern genau vorgeworfen?
Die Anklage ist rund 100 Seiten dick und lautet auf Freiheitsberaubung, versuchte schwere räuberische Erpressung, Nötigung, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Untreue. Die Staatsanwaltschaft wirft Clanchef Arafat Abou-Chaker und seinen Brüdern Nasser, Yasser und Rommel vor, den Rapper Bushido im Dezember 2017 und im Januar 2018 in einem Büro eingesperrt, beschimpft, bedroht und mit einer Flasche geschlagen zu haben. Der Rapper, der bürgerlich Anis Ferchichi heißt, hatte zuvor die langjährige Geschäftsbeziehung aufgekündigt, weshalb Abou-Chaker eine Abfindung in Millionenhöhe habe erpressen wollen. Bushido tritt als Nebenkläger auf.
Warum steht Bushido unter Polizeischutz?
Ferchichi und seine Familie werden rund um die Uhr von Beamten des Landeskriminalamts beschützt. Auch im Prozess betritt er erst dann den Saal, wenn alle anderen bereits sitzen. Gibt es Pausen, wird Bushido erst in einen separaten Raum gebracht, bevor alle anderen aufstehen dürfen. Nachdem sich der Musiker entschieden hatte, sich von Arafat loszusagen, befürchtete die Polizei Übergriffe auf den 43-Jährigen und seine Familie. Konkret sollen die Abou-Chakers geplant haben, Bushidos Kinder zu entführen. Gegen Bushidos Frau Anna-Maria Ferchichi soll zudem ein Säureattentat geplant gewesen sein. Ob Familie Ferchichi noch Polizeischutz bekommt, wenn der Prozess platzt, ist offen.
Wieso dauert der Bushido-Prozess schon fast zwei Jahre?
Das war ursprünglich nie geplant. Als der Prozess am 17. August 2020 begann, waren zunächst nur Termine bis Oktober angesetzt. Allerdings dauerte allein Bushidos Aussage mehr als 20 Verhandlungstage. Dann wurden vor allem während der Corona-Wellen immer wieder Termine abgesagt. Die Liste der Zeugen liest sich dabei wie das Who’s Who der deutschen Rapcharts: Capital Bra, Shindy, Samra oder Ali Bumaye. Der Rapper Fler hingegen wurde wegen der Corona-Regeln nicht ins Gericht gelassen. Da er weder geimpft, getestet noch genesen war, musste er an der Tür des Gebäudes umdrehen und wurde erst einmal ins nächste Testzentrum geschickt. Zuletzt fiel der Prozess immer wieder aus, weil eine Schöffin erkrankte. Mittlerweile sind es bereits 71 Verhandlungstage.
Was bedeuten die Zweifel des Gerichts und wie geht es weiter?
Nach Ansicht des Gerichts haben sich die Ereignisse im Dezember 2017 und Januar 2018 anders zugetragen, als von Bushido geschildert. „Herr Ferchichi konnte das Büro verlassen“, befand Martin Mrosk, Vorsitzender Richter der 38. Strafkammer. Beweise für die vorgeworfene räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung oder Körperverletzung seien bislang in weiten Teilen ausgeblieben. Mrosk geht davon aus, dass Arafat sehr wohl einen Anspruch auf die Zahlung gehabt habe. Für Nasser Abou-Chaker empfiehlt die Kammer sogar Freispruch. Anders sieht das indes Oberstaatsanwältin Petra Leister. Auch sie will eine Stellungnahme abgeben, allerdings erst nachdem der nächste Zeuge gehört wurde. Das soll am 15. Juni der Rapper Kay One sein.
Welche Rolle spielt die Audio-Datei, die zuletzt auftauchte?
Die Aufnahme rückt das Geschehen vom 18. Januar 2018 in ein völlig anderes Licht. Demnach soll es deutlich ruhiger zugegangen sein, als von Bushido geschildert. Die Datei tauchte im Februar plötzlich auf. Die Verteidiger halten die Aufnahme für echt, Bushidos Anwalt ist hingegen davon überzeugt, dass es eine Fälschung ist. Er glaubt nicht, dass die Aussagen des Vorsitzenden Mrosk vom Dienstag bereits das Urteil vorausnehmen.