Gesundheit

Spiking: Angst vor Drogen-Angriffen in Berliner Clubs

| Lesedauer: 4 Minuten
Lea Hensen
Eine Berghain-Besucherin berichtet, sie sei in dem Berliner Club mit einer Drogen-Spritze betäubt worden.

Eine Berghain-Besucherin berichtet, sie sei in dem Berliner Club mit einer Drogen-Spritze betäubt worden.

Foto: Sophia Kembowski / dpa

Nach Berichten über einen Vorfall im Berghain sorgen sich Clubbesucher vor Spritzenangriffen oder K.-o.-Tropfen im Getränk.

Berlin. Die Nachricht einer Australierin, die angibt, im bekannten Techno-Club Berghain mittels einer Spritze mit Drogen betäubt worden zu sein, bereitet derzeit vielen Clubbesuchern in Berlin Sorge. Offiziell bestätigen können die Berliner Polizei und die zuständigen Fachstellen derartige Angriffe allerdings nicht.

Wenn einer Person gegen ihre Willen illegale Substanzen verabreicht werden, spricht man generell von „Spiking“. Dazu werden K.-o.-Tropfen oder andere betäubende Substanzen wie GHB oder GBL, aber auch Opiate oder Benzodiazeptine, meist ins Getränk gemischt: Ziel ist es, die Person zu betäuben, um ihr zu schaden und sie anschließend sogar ausrauben oder vergewaltigen zu können. Das Problem: Dies nachzuweisen, ist extrem schwer – unter anderem, weil das Getränk meist im Nachhinein nicht mehr verfügbar ist.

Spritzen-Angriffe in Berliner Clubs sind der Berliner Polizei nicht bekannt

Problematisch ist, dass offenbar viele Verdachtsfälle von „Spiking“ nicht zur Anzeige gebracht werden. Die Polizei gibt an, dass es von 2019 bis 2021 in Berlin insgesamt 445 Straftaten in Zusammenhang mit K.-o.-Tropfen gab. Etwas mehr als ein Viertel davon waren Körperverletzungen, Raubtaten und Sexualdelikte. Der Großteil der Taten drehte sich um illegalen Besitz oder Handel. Die Anzahl der angezeigten Vergewaltigungen und Raubtaten, bei denen K.-o.-Tropfen eingesetzt wurden, ist nach Angaben der Polizei während der Corona-Pandemie tendenziell gesunken: 2019 wurden 71 dieser Straftaten registriert, 2020 waren es 31 und im vergangenen Jahr 21 Taten.

Spritzen-Angriffe in Berliner Clubs, bei denen Substanzen injiziert wurden, sind den Ermittlern unbekannt. Auch die Berghain-Besucherin hat ihren Fall nicht angezeigt. Der „Berliner Zeitung“ gegenüber berichtete sie, sie habe plötzlich unter Taubheit, Atemnot und starker Orientierungslosigkeit gelitten. Ein Arzt soll einen Tag später eine Einstichwunde am Oberarm festgestellt haben – dass diese aus dem Club stammt, ist reine Vermutung. Die 32-Jährige hat nach dem Vorfall keinen Bluttest durchführen lassen.

Die Berliner Clubcommission zeigt sich durch den Berghain-Fall beunruhigt, hat aber ebenfalls keine Kenntnis von nachgewiesenen Fällen von Angriffen mit Spritzen. Man wolle sich mit den zuständigen Fachstellen austauschen, jedoch keine Panik schüren, hieß es auf Anfrage der Berliner Morgenpost. Eine zuständige Fachstelle ist das Berliner Präventions- und Suchthilfeprojekt SONAR, das in der Partyszene Infostände, Schulungen und Beratungen anbietet. Koordinator Rüdiger Schmolke nennt „Spiking“ insgesamt ein großes „Unsicherheitsfeld“. Betroffene einer Spritzen-Attacke hätten sich bislang nicht bei dem Projekt gemeldet. Den Berghain-Fall nimmt Schmolke aber sehr ernst. „Wir können nicht ausschließen, dass so etwas passiert und machen uns Sorgen“, sagt er.

Spiking: Drinkcheck-Armbänder nicht hilfreich

Auf der anderen Seite warnt auch Schmolke davor, Panik zu schüren. „Die Verdachtsfälle, dass jemandem etwas ins Getränk gemischt wurde, mehren sich“, sagt er. „Allerdings kann das auch daran liegen, dass die Leute inzwischen achtsamer geworden sind.“ Insgesamt gehe SONAR davon aus, dass Übergriffe mit K.-o.-Substanzen nicht so oft geschehen, wie es die Medien nahe legen. Schmolke rät von sogenannten Drinkcheck-Armbändern ab, die es zum Beispiel in Drogeriemärkten zu kaufen gibt. Sie sollen mittels eines Testfelds erkennen, ob eine gefährliche Substanz im Getränk enthalten ist. „Leider reagieren die Testfelder aber nur auf GHB, das im Berliner Nachtleben nicht sehr verbreitet ist“, sagt Schmolke. GBL sei dagegen deutlich häufiger im Umlauf, könne aber auf diesem Wege nicht nachgewiesen werden. SONAR bietet Trainings fürs Clubpersonal an, die auf diesem Weg lernen können, bei entsprechenden Vorfällen angemessen zu reagieren.

Ein größeres Thema scheinen die Spritzen-Angriffe in Großbritannien zu sein, wo sich im Oktober 2021 Berichte über diese Vorfälle häuften. Eine daraufhin vom britischen Parlament veranlasste Untersuchung ergab, dass „Spiking“-Fälle insgesamt seit 2016 zugenommen haben. Das National Police Chiefs’ Council gab an, dass allein zwischen September und Dezember 2021 rund 1000 Fälle des „Needle-Spiking“ gemeldet wurden, die meisten davon in Pubs oder Nachtclubs. Einige Frauen, die den Verdacht hatten, Opfer geworden zu sein, meldeten sich dazu im Fernsehen zu Wort.