Einbürgerungszentrum

Berlin will Zahl der Einbürgerungen verdreifachen

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Innensenatorin Iris Spranger (SPD, 2.v.l.) und Engelhard Mazanke (r.), Direktor Landeseinwanderungsamt, planen Einbürgerungszentrum.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD, 2.v.l.) und Engelhard Mazanke (r.), Direktor Landeseinwanderungsamt, planen Einbürgerungszentrum.

Foto: Reto Klar / FUNKE Foto Services

Berlin plant 20.000 Einbürgerungen im Jahr, doch bislang gibt es weder Personal noch Infrastruktur. Vor allem ein Bezirk übt Kritik.

Berlin.  Das geplante zentrale Einbürgerungszentrum in Berlin soll im Laufe des nächsten Jahres nach und nach seine Arbeit aufnehmen. Man wolle bereits im Jahr 2023 erste Antragsteller einbürgern, kündigte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Montag bei einem Besuch im Landesamt für Einwanderung an, an das das künftige Zentrum angeschlossen werden soll. Bis dahin müsse allerdings noch ein Gebäude sowie Personal für die Behörde gefunden werden.

Durch das neue Einbürgerungszentrum soll der Prozess vor allem schneller und vereinfacht werden. „Wir wollen bis zu 20.000 Einbürgerungen pro Jahr machen“, sagte Spranger. Bislang seien es zwischen 6000 und 7000 jährlich. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh sprach von teilweise drei bis vier Jahren Wartezeit, die Menschen derzeit auf ihre Einbürgerung warten müssten. „Dieser Zustand ist nicht tragbar“, so Saleh. Allein das Warten auf die erste, gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor dem eigentlichen Einbürgerungsantrag dauere oft ein Jahr oder länger, sagte der Chef des Landeseinwanderungsamtes, Engelhard Mazanke.

Einbürgerungszentrum soll „Willkommensbehörde“ sein

Andere Städte etwa München oder Hamburg seien in dieser Hinsicht deutlich schneller und effizienter, was vor allem mit der Digitalisierung zusammenhinge, so Saleh. In München etwa können Interessenten über einen Schnellcheck im Internet anfragen, ob sie überhaupt für eine Einbürgerung in Frage kommen. Anhand verschiedener Eingaben wie etwa Gehalt und Aufenthaltsdauer werde online eine Antwort generiert. Anschließend könnten Interessierte ebenfalls direkt im Netz einen Antrag stellen. „Wir wollen keine Abschreckungsbehörde sein, sondern eine Willkommensbehörde werden“, sagte Saleh.

Damit das neue Einbürgerungs-Zentrum weitgehend digital arbeiten kann, anders als die bisherigen Aktenverwaltungen in den Bezirken, sind 15 Millionen Euro im künftigen Haushalt 2022/2023 für Aufbau und Personal eingeplant. Insgesamt sollen am Ende rund 200 Stellen geschaffen werden.

Doch bislang gibt es de facto weder das Personal, noch einen Standort – noch die digitale Infrastruktur für ein solches Einbürgerungszentrum. Zwar schlug Saleh als Standort das neue Business-Gelände in Siemensstadt in Spandau vor. In dem Bezirk hat Saleh auch seinen Wahlkreis. Darüber müsse aber noch beraten werden. Spranger und Saleh hoffen auch, dass sich Sachbearbeiter aus den Bezirken für die neue zentrale Behörde bewerben. Die zwölf Bezirke haben bisher insgesamt 82 Stellen für diese Aufgabe.

Personalfluktuation und Demotivation

Doch hinter den Kulissen knirscht es gewaltig und es darf zumindest angezweifelt werden, ob das Land Berlin mit der Expertise der bisherigen Sachbearbeiter rechnen kann. Wie aus einem Schreiben von Mittes Stadtrat für Bürgerdienste, Carsten Spallek (CDU), an Berlins Innensenatorin hervorgeht, verunsichere die Veröffentlichung und Ausführungen des Themas in der Öffentlichkeit die Beschäftigten in den bezirklichen Einbürgerungsbehörden. Denn bislang sei weniger mit ihnen, dafür mehr über sie gesprochen worden.„Demotivation und Personalfluktuation sind zu befürchten und bereits erkennbar“, schrieb Spallek in dem Schreiben, das der Morgenpost exklusiv vorliegt.

Auf Nachfrage sagte er, dass viele Fragen nicht beantwortet seien. Was werde mit den Beschäftigten, die sich bislang um Einbürgerungen gekümmert haben? Rutschen die Beschäftigten in niedrigere Gehaltsgruppen, da sie wegen der Digitalisierung weniger Befugnisse haben? Viele würden sich nun schon aktiv wegbewerben, so Spallek. „Und diese Unruhe hat einen Namen: Iris Spranger“, sagte er. Zudem schrieb er auch, dass eine Erhöhung der Einbürgerungen durch „Ausweitung der Stellen“ in den Bezirken erfolgen könne. Denn dort seien schon Mitarbeitende vorhanden sowie eine Struktur. Eine Antwort habe er von der Innensenatorin noch nicht erhalten.

450.000 Menschen könnten sich einbürgern lassen

Von den 3,7 Millionen Einwohnern Berlins sind laut Statistik 570.000 Deutsche mit Migrationshintergrund und 800.000 Ausländer ohne deutschen Pass – vor allem aus der EU (etwa 35 Prozent), Osteuropa und der Türkei (knapp 30 Prozent) und arabischen und asiatischen Staaten (knapp 25 Prozent). Nach Schätzungen könnten sich davon etwa 450.000 als Deutsche einbürgern lassen, sagte Spranger. Voraussetzungen sind unter anderem, dass man schon länger in Deutschland lebt, ein festes Einkommen hat und keine Vorstrafen. Die Einbürgerung als Deutscher könnte künftig auch deshalb attraktiver werden, weil die Bundesregierung die vorgeschriebene Wartezeit verkürzen und weitere Möglichkeiten mehrerer paralleler Staatsangehörigkeiten schaffen will.

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