Sozialatlas

Das sind Berlins sozial stärkste und schwächste Kieze

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Joachim Fahrun
Wohnen in Berlin

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Berlin ist eine typische Mieterstadt. Die wichtigsten Zahlen und Fakten gibt es in diesem Video.

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Die Senatsverwaltung für Gesundheit hat für Berlin Daten zur sozialen und gesundheitlichen Lage ermittelt. Das sind die Ergebnisse.

Berlin. Die soziale und gesundheitliche Lage der Menschen in Berlin hat sich in den vergangenen Jahren insgesamt weiter verbessert. Das geht aus dem neuen Gesundheits- und Sozialstrukturatlas 2022 hervor, den die Senatsgesundheitsverwaltung jetzt vorgelegt hat. Daran lässt sich ablesen, dass es den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt statistisch gesehen deutlich weniger schlecht geht als 2013, als der letzte solche Atlas erschienen war. Wesentlich weniger sind arbeitslos, ein geringerer Anteil bezieht Sozialleistungen, weniger sterben vorzeitig, also vor ihrem 65. Geburtstag. Die Lebenserwartung ist gestiegen und liegt jetzt bei 81 Jahren.

Die Datenlage des von Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) herausgegebenen Atlas geht tiefer als im vor Kurzem von ihrem Kollegen Andreas Geisel (SPD) im Stadtentwicklungsressort veröffentlichten Monitorings „Soziale Stadtentwicklung“, das ebenfalls detailliert für 428 Kieze, sogenannte Planungsräume, vorliegt. Dieses bezieht jedoch nur Daten zur Arbeitslosigkeit, zum Transferbezug und zur Kinderarmut ein. Der Atlas der Gesundheitsverwaltung bildet die Lage hingegen anhand von 20 Indikatoren ab. Berücksichtigt werden auch unter anderem die Quote alleinerziehender Hartz-IV-Empfänger, der Ausbildungsstand, die Qualität der Wohnlage, das Armutsrisiko sowie Gesundheitsdaten wie die Lebenserwartung, die vorzeitige Sterblichkeit, die Behandlungsfälle von Krankheiten wie Herzinsuffizienz.

Steglitz-Zehlendorf führt die Rangliste an

Aus den daraus gebildeten Indizes ergibt sich ein vielschichtiges Bild von den Realitäten in den Bezirken und Kiezen im Vergleich zum Berliner Durchschnitt. Demnach hat sich die Lage in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg am deutlichsten verbessert, beide Bezirke stiegen in der Rangliste um jeweils zwei Plätze auf. Zu den Absteigern im Bezirksvergleich zählen Spandau, Reinickendorf und Treptow-Köpenick.

Am geringsten sind die sozialen und gesundheitlichen Belastungen der Menschen wie schon 2013 im Südwesten der Stadt. Steglitz-Zehlendorf führt die Rangliste an. Hier ist die Arbeitslosigkeit niedrig, wenige Wohnungen zählen zur einfachen Wohnlage und die Menschen sind gesünder als anderswo in Berlin. Aber auch Pankow, Charlottenburg-Wilmersdorf und Treptow-Köpenick zählen mit ähnlichen Werten zu den guten Gegenden der Stadt.

Im Mittelfeld rangieren Tempelhof-Schöneberg, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg mit durchschnittlichen sozialen und gesundheitlichen Belastungen. Dahinter folgen Reinickendorf sowie mit noch einmal größeren Problemen Mitte, Spandau und Neukölln. „Diese vier Bezirke weisen die höchsten Arbeitslosenquoten und die höchsten Anteile an Beziehenden von Sozialleistungen auf. Weiterhin haben sie die höchsten Anteile an Wohnungen in einfacher Wohnlage und die höchste vorzeitige Sterblichkeit sowie die niedrigste mittlere Lebenserwartung“, heißt es in dem Bericht.

Allerdings ist die Lage innerhalb der Bezirke nicht einheitlich. So findet sich auch in Spandau und Mitte in einem Viertel der betrachteten Kieze oder Planungsräume eine sehr günstige Situation, dagegen sind die Belastungen in jedem zehnten Kiez in Pankow hoch. Als Berliner Problemzone identifizieren die Autoren den Norden und Nordwesten Neuköllns sowie die Gropiusstadt im Süden dieses Bezirks. Dazu zählt auch der Norden Kreuzbergs, Teile von Marzahn und Hellersdorf sowie Neu-Hohenschönhausen in Lichtenberg. Im Norden der Stadt zieht sich eine Kette von belasteten Ortsteilen über Märkisches Viertel, Reinickendorf, Gesundbrunnen, Wedding und Moabit bis in den nordöstlichen Teil von Charlottenburg und den Norden Spandaus.

Insgesamt belegt der Atlas das, was Kritiker einer Aufwertung in vielen Innenstadtkiezen schon lange beklagen: Die sozialen Probleme wandern mit den verdrängten Menschen an die Ränder der Stadt. „Während fast die Hälfte der Planungsräume in der inneren Stadt einen aufsteigenden Trend aufweist, trifft dies nur auf rund ein Viertel der Planungsräume der äußeren Stadt zu“, heißt es. Kieze mit absteigender Tendenz, also einer schlechten Ausgangslage und einer negativen Dynamik, finden sich überwiegend in Neukölln, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Reinickendorf und Spandau.

Am schlechtesten ist die Lage an der Bitterfelder Straße

Sichtbar ist auch, welche Kieze die sozial am wenigsten belasteten und gesündesten Bewohner haben. Die besten Werte weist Adlershof West (Treptow-Köpenick) auf. Dies ist die Gegend rund um den Technologiepark, wo Neubaugebiete entstanden sind, in denen viele Beschäftigte der Hightech-Firmen und Institute leben. Nummer zwei ist der nördliche Landwehrkanal (Mitte), wo zwischen Ufer und Tiergarten Luxus-Neubauten stehen. Krumme Lanke (Steglitz-Zehlendorf) mit seinen alten Villen liegt auf Platz drei vor der Eldenaer Straße in Pankow, der Townhouse-Siedlung auf dem Ex-Schlachthof. Das fünftplatzierte Eichkamp (Charlottenburg-Wilmersdorf) gehört wieder zu den traditionell guten, grünen Gegenden des Berliner Westens. Am schlechtesten ist die soziale und gesundheitliche Lage unter den Bewohnern eines Gewerbegebietes an der Bitterfelder Straße in Marzahn und in vier klassischen als Problemzonen geltenden Kiezen: Schulenburgpark, Weiße Siedlung und Glasower Straße in Neukölln sowie der Maulbeerallee nördlich der Heerstraße in Spandau.

Die beste soziale Lage haben diese fünf von 428 Planungsräumen, dort leben keine beziehungsweise fast keine Empfänger von Grundsicherung:

  • Adlershof West, Treptow-Köpenick
  • Nördlicher Landwehrkanal, Mitte
  • Krumme Lanke, Steglitz-Zehlendorf
  • Eldenaer Straße, Pankow
  • Eichkamp, Charlottenburg-Wilmersdorf

Am schlechtesten ist die Lage in folgenden fünf Kiezen:

  • Gewerbegebiet Bitterfelder Straße, Marzahn-Hellersdorf
  • Schulenburgpark, Neukölln
  • Weiße Siedlung, Neukölln
  • Glasower Straße, Neukölln
  • Maulbeerallee, Spandau